Gen Z hat die Nase voll vom Wischen – und setzt auf einen Dating-Boom

Menschengespür statt Algorithmen – bei immer mehr Singles auf der Suche nach Liebe breitet sich aktuell eine App-Müdigkeit aus: Bumble, Tinder und Hinge gelten zunehmend als “out”, während die Beliebtheit von Partnervermittlungen mit persönlichen Netzwerken individuell ausgewählter Kontakte steigt. Viele Alleinstehende haben das Online-Dating satt und zahlen nun hohe Preise für qualifizierte Partnervermittler.

Entlassungswellen bei Bumble, Tinder und Hinge

Die meisten Dating-Apps basieren auf Algorithmen, Profilen und dem sogenannten Swipe-Mechanismus. Bei diesem Wisch-Verfahren wischt man nach rechts, wenn man Interesse am Profil einer Person hat – wenn nicht, wischt man nach links. Doch mittlerweile haben vor allem Gen Z-Vertreter die Nase voll vom Wischen. Junge Nutzer setzen bevorzugt auf die Intuition, Menschenkenntnis und persönlichen Beziehungen von diskreten Matchmakern.

Während die Geschäfte individueller Partnervermittlungen derzeit einen Boom erleben, sinken die Umsätze von digitalen Dating-Unternehmen. So verkündete Bumble vergangene Woche, 30 Prozent der Belegschaft abzubauen. Rund 240 Mitarbeiter der Dating-App, bei der Frauen den ersten Schritt machen, werden entlassen. Bumbles größter Konkurrent, die Match Group, zu der auch die Dating-Apps Tinder und Hinge gehören, verzeichnete ebenso Wachstumsrückgänge und sinkende Aktienkurse. Die Match Group kündigte bereits im Mai die Streichung von 325 Stellen an. Allein bei Tinder sank die Anzahl zahlender User schon acht Quartale in Folge.

Steigende Umsätze bei Partnervermittlungsagenturen

Die Nachfrage nach personalisierten Dating-Diensten steigt dagegen an. Als Hauptgrund für ihre Dating-App-Müdigkeit geben Singles den Wunsch nach tieferen Beziehungen an. Entsprechend gefragt sind nun “altmodische” Partnervermittlungen, die auf Menschengespür setzen. 

“Unser Umsatz ist in den vergangenen Monaten um 50 Prozent gestiegen – wobei es im Sommer immer mehr Interessenten gibt”, sagt Talya Shoup, Gründerin einer Matchmaking-Agentur, gegenüber FOCUS online. “Und seit der Film ‘Materialists’ läuft, bekommen wir noch mehr Nachfragen.” In der Hauptrolle der Hollywood-Liebeskomödie spielt Dakota Johnson eine Partnervermittlerin. (Kinostart in Deutschland ist der 21. August.)

Auch Adam Cohen-Aslatei, CEO einer New Yorker Partnervermittlung, verriet der Nachrichtenagentur Bloomberg: “Letzten Monat hatten wir den stärksten Umsatz in unserer gesamten Unternehmensgeschichte seit 15Jahren”.

Persönliche Auswahl bringt mehr Sicherheit für Singles

Die Kunden von persönlichen Matchmakern suchen ernste Beziehungen und potenzielle Ehepartner. Shoup startete ihre Agentur vor zehn Jahren in Berlin. Vor drei Jahren zog sie in die USA. “Meine Kunden in Deutschland wie auch in Amerika betrachten Dating-Apps inzwischen als pure Zeit- und Energieverschwendung. Oft führen Apps zwar zu einem ersten Date, aber selten zu einem zweiten Treffen. Und teils wissen die User von Apps nicht einmal, ob sie mit Menschen oder Chatbots flirten.”

Bei Matchmakern wie auch auf Dating-Apps spielen Aussehen, Größe, Beruf oder auch Religion eine Rolle, doch statt computergesteuerten Algorithmen wählen geschulte Partnervermittler die möglichen Partner durch individuelle Interviews und Gespräche persönlich aus. Zudem werden die Kunden überprüft – nicht nur, um ihre ernsten Absichten zu bestätigen, sondern auch, um die Sicherheit zu erhöhen. 

Angebote ab 5000 Euro jährlich – für ein Date im Monat

Das kostet natürlich mehr als ein Abo fürs Online-Dating. Während viele Dating-Apps ohne Zusatzfunktionen kostenlos genutzt werden können und Abo-Preise je nach Kategorie im Schnitt zwischen zehn und 50 Euro im Monat liegen, verlangen Matchmaker deutlich mehr. 

Vor allem Agenturen, die auf wohlhabende Kunden spezialisiert sind, verrechnen teils extrem hohe Beträge. Die New Yorkerin Michelle Gifford kam durch die Erfahrungen einer Freundin auf die Idee eines persönlichen Matchmakers: “Sie hat 30.000 Dollar für einen Service bezahlt und war von ihren Dates begeistert. Sie wollte ausschließlich sehr erfolgreiche Männer kennenlernen”, erzählt sie FOCUS online. “Aber solche Summen kann und will ich nicht bezahlen.”

“Die Preise in Manhattan sind eine völlig andere Liga”, erklärt Shoup, die im US-Staat Georgia lebt. “Unsere Angebote beginnen bei rund 5000 Dollar pro Jahr. Dafür garantieren wir jeden Monat zumindest ein persönlich ausgewähltes Date.” Gegen weitere Gebühren bietet sie zusätzliche Serviceleistungen: “Vor allem Kunden, die lange verheiratet oder in einer festen Beziehung waren und schon jahrelang keine Dates mehr hatten, fühlen sich oft unsicher. Sie möchten gecoacht werden: was sie anziehen oder worüber sie sich unterhalten sollen. Ich stärke ihr Selbstbewusstsein und arrangiere auch ihre Treffen.” 

Die Erfolgsquote ist deutlich höher als bei Dating-Apps

Die Zufriedenheitsrate ihrer Kunden sei hoch, betont sie: “Unsere Erfolgsquote liegt bei 75 Prozent. Darunter verstehen wir, dass es innerhalb eines Jahres zu einer festen Beziehung kommt.” Bei Dating-Apps liegt die Anzahl von Usern, die langfristige Partnerschaften eingehen, bei rund zehn Prozent.