Verbrenner-Aus wackelt: EU und VDA setzen auf Technik-Offenheit

Die Euphorie um das Elektroauto hat deutlich nachgelassen. Zwar steigen die Verkaufszahlen in Europa weiter, das Wachstum hat sich jedoch merklich abgeschwächt. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden europaweit 952.000 vollelektrische Fahrzeuge neu zugelassen, was einem Anteil von 17 Prozent aller Neuwagen entspricht. Noch vor wenigen Jahren gingen viele Experten von einem wesentlich höheren Anteil aus, schreibt Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut in Bochum.

Dementsprechend vollziehen Automobilhersteller gerade eine strategische Wende vom einstigen „Electric-Only“-Ansatz zur „Technik-Neutralität“. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert inzwischen offen dazu auf, auf das geplante Verbrenner-Verbot im Jahr 2035 zu verzichten – eine bemerkenswerte Kehrtwende zur Haltung früherer Jahre. Auch in Brüssel zeigen sich die politischen Entscheidungsträger zunehmend flexibel und prüfen intensiv, ob das gesetzlich verankerte Verbrenner-Aus bestehen bleiben soll. Diese wechselhafte Politik wirkt weniger wie strategische Anpassungsfähigkeit und mehr wie Unsicherheit.

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siehe Grafik

Kein einheitliches E-Auto-Bild in Europa

Europa gibt laut Dudenhöffer ohnehin kein einheitliches Bild ab. Während der Marktanteil von Elektroautos in Kroatien in diesem Jahr bislang bei mageren einem Prozent liegt, dominieren Elektrofahrzeuge mit 93 Prozent der Neuzulassungen den Markt in Norwegen. 

Ausschlaggebend dafür sind die enormen steuerlichen Anreize: Elektroautos sind in Norwegen steuerfrei, während Verbrenner massiv verteuert wurden. Der Preisunterschied zwischen Elektroautos und Verbrennern ist und bleibt entscheidend für deren Markterfolg.

Dies bestätigt auch eine Analyse des CAR-Instituts in Bochum, das seit Jahren jeden Monat die tatsächlichen Preise (Transaktionspreise) beim Autokauf in Deutschland untersucht. Einst betrug der Preisunterschied zwischen Elektrofahrzeugen und Verbrennern mehr als 15.000 Euro, wodurch Elektroautos zu Luxusprodukten wurden. Die Einführung staatlicher Kaufprämien verkürzte den Preisabstand erheblich. 

Nach dem abrupten Ende dieser Subventionen durch Wirtschaftsminister Robert Habeck Ende 2023 sackte die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland zunächst dramatisch ab. Inzwischen beträgt der durchschnittliche Preisunterschied ohne staatliche Unterstützung jedoch weniger als 4000 Euro – mit weiter fallender Tendenz.

Dafür sprechen mehrere Faktoren:

China dominiert zunehmend den Markt

So kamen allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres rund 3,7 Millionen Elektroautos aus chinesischen Fabriken, was einem Zuwachs von 50 Prozent entspricht. Bis zum Jahresende könnte China die Neun-Millionen-Marke überschreiten. Die daraus resultierenden Skaleneffekte drücken die Preise nach unten.

Kostengünstigere Batterien

Batterieinnovationen treiben die Preise zusätzlich nach unten. Neue Technologien wie die Sodium-Ionen-Batterie reduzieren die Abhängigkeit von teuren Rohstoffen wie Lithium und Kobalt. Zudem ermöglichen Kunststoff-Batteriegehäuse, wie sie beispielsweise vom österreichischen Unternehmen Engel in Zusammenarbeit mit dem saudi-arabischen Zulieferer Sabic eingesetzt werden, weitere Kosteneinsparungen und steigern gleichzeitig die Effizienz durch reduziertes Gewicht.

Schnellere Ladezeiten

Neue Technologien, wie die kürzlich von BYD vorgestellte Batterie, ermöglichen Ladezeiten von nur fünf Minuten für eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern. Andere Unternehmen wie CATL verfolgen ähnliche Innovationen, wodurch Elektroautos für Verbraucher deutlich attraktiver werden.

Steigende Reichweite

Mit Modellen wie dem neuen Mercedes CLA, der eine Reichweite von 800 Kilometern verspricht, erreichen Elektrofahrzeuge allmählich das Niveau von Dieselautos – allerdings ohne Abgase und Motorlärm.

Ausbau der Ladeinfrastruktur

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist aktuell noch durch die Unterauslastung vieler Ladestationen gedämpft. Langfristig werden jedoch steigende Verkaufszahlen für Elektroautos auch die Ladeinfrastruktur wachsen lassen, da Nachfrage und Angebot Hand in Hand gehen.

All diese Entwicklungen zeigen laut Dudenhöffer klar in Richtung niedrigere Preise und zunehmende Attraktivität der Elektroautos. Der Markt wird sich langfristig eher nach dem Vorbild Norwegens oder Chinas entwickeln. In Deutschland dauert es vielleicht etwas länger, doch die Richtung ist klar.