Fachkräftemangel eindämmen – wenn CSU und Grüne einer Meinung sind

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Redete beim IHK-Regionalausschuss Tacheles: Peter Ostenrieder. © Jepsen

Zuwanderung ist ein wichtiger Baustein, um den Fachkräftemangel einzudämmen. Doch die bürokratischen Hürden sind hoch. Das sorgte beim IHK-Regionalausschuss für reichlich Kritik.

Weilheim-Schongau - „27 Prozent der Menschen, die in Deutschland arbeiten, haben einen Migrationshintergrund“, konstatierte Elke Christian von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern im Rahmen der Regionalausschusssitzung beim „Biomichl“ in Weilheim.

Die Botschaft war eindeutig: Ohne Arbeits- oder Fachkräfte aus dem Ausland, das ist längst klar, würde hierzulande nichts mehr gehen. Die Unternehmen sind auf Zuwanderung angewiesen. Doch die Verfahren, um aus EU-Drittstaaten Personal zu rekrutieren sind kompliziert – sehr kompliziert, wie im Rahmen der Ausschusssitzung die Referate von IHK-Expertin Elfriede Kerschl und Olga Ländle von der Ausländerbehörde am Landratsamt aufzeigten.

Arbeitsstelle als beste Integrationsmaßnahme

Von der „Chancenkarte“ über das „Fachkräftezuwanderungsgesetz“ und die „Westbalkanregelung“ bis hin zu den „beschleunigten Verfahren“ – der Wust an Regelungen ist nicht nur für den Laien kaum zu durchschauen. „Mich würde interessieren, wer unsere Personalabteilungen in all den Fragen schult“, fragte Klaus Bauer, der Ausschussvorsitzende, mit ironischem Unterton in die Runde.

Kein Blatt vor den Mund nahm zudem Peter Ostenrieder. Pro Jahr, so rechnete Peitings Bürgermeister vor, würden dem deutschen Arbeitsmarkt 400 000 Arbeitskräfte entzogen. Doch der „bürokratische Popanz“ vermittle eher den Eindruck, „als dass wir hier in Deutschland zehn Millionen Arbeitslose hätten“. Man könne es sich schlichtweg nicht mehr leisten, eine Abwehrhaltung gegen Zuwanderung aus EU-Drittstaaten einzunehmen. „Unsere eigenen Leute wollen lieber auf Drei-Tage-Woche reduzieren und Work-Life-Balance haben. Aber irgendwer muss die Arbeit ja machen.“

Ostenrieder verwies auf die Chancen, die unter anderem die Flüchtlingszuwanderung bieten würde: „Wir haben so tolle Leute in den Asylunterkünften.“ Um die Potenziale zu nutzen, müsse man die Flüchtlinge aber auch arbeiten lassen – und zwar nicht nur ehrenamtlich oder für 80 Cent in der Stunde: „Das ist ja ein Witz.“ Und: Eine Arbeitsstelle sei die beste Integrationsmaßnahme. „Arbeit ist der beste Deutschkurs, da können sie jeden organisierten Sprachkurs in der Pfeife rauchen.“

„Viele ausländische Arbeitskräfte kommen nach Deutschland, aber viele gehen auch wieder – weil sie hier nicht zurechtkommen.“

Wenn man bedenkt, dass Ostenrieder CSU-Parteimitglied ist, waren das durchaus bemerkenswerte Aussagen. „Ich stehe dazu, da hab´ ich kein Problem“, betonte er. Ostenrieders Sorge: „Wir schaffen uns als Land ab – und das meine ich gar nicht parteipolitisch.“ Die Schwellen für die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt müssten runtergefahren werden, alles andere sei „nicht mehr zeitgemäß“. Ostenrieder verwies als Beispiel auf die Gastronomie-Branche: „In Gottes Namen, wenn jemand kellnern kann, dann muss der doch nicht zig Prädikate vorweisen. Dann soll er halt einfach kellnern.“ Mit der „Vollkasko-Denkerei“ sei im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat mehr zu machen.

Es müsse letztlich dem Unternehmer überlassen bleiben, wen er einstellen wolle und wen nicht

Ostenrieder wünscht sich, dass die IHK in der Angelegenheit als Interessenvertretung der Unternehmer Einfluss auf die politischen Prozesse nimmt. Sein Vorschlag: Die Entscheidungsbefugnis in puncto „Zuwanderung in den Arbeitsmarkt“ müsse runter auf die Kommunalebene verlagert werden. Vor Ort wisse man am Besten über die Bedürfnisse Bescheid.

„Zu hundert Prozent Recht“ bekam Ostenrieder – quasi parteiübergreifend – vom Hausherrn und Grünen-Urgestein Michael Sendl. Es müsse letztlich dem Unternehmer überlassen bleiben, wen er einstellen wolle und wen nicht. Beim „Biomichl“ habe man mit ausländischen Arbeitskräften jedenfalls sehr gute Erfahrungen gemacht. Sendl geißelte die von Rechtspopulisten geschürte „unsägliche Diskussion“ über den Flüchtlingszustrom. Die politische Zuspitzung würde die Aufweichung des von Ostenrieder kritisierten „Abwehrmechanismus“ erschweren – zumindest „solange wir solche Schwachköpfe haben, die ihre Parolen verbreiten, wonach wir alles, was nicht deutsch ist, heimschicken sollen.“

Elfriede Kerschl skizzierte schließlich die Folgen des überbordenden Regelwerks. Gepaart mit der schwierigen Sprache, dem fehlenden Wohnraum und der schlechten Bezahlung, würde Deutschland bei den eigentlich dringend benötigten Arbeitskräften aus Drittstaaten an Attraktivität verlieren: „Es gibt in Europa eben auch andere interessante Länder.“

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