Scholz im Krisenmodus: Der Kanzler kämpft um sein Amt
Nach dem G7- und dem Ukraine-Gipfel folgen Problem-Runden mit der SPD und in der Ampel. Die Zahl der Zweifler wächst. Scholz erklärt nun öffentlich, 2025 wieder antreten zu wollen.
Berlin – Nö. Ja. Er ist der Kanzler der Kurzbotschaften. Nach seiner knappen Absage, sich am Wahlabend zum Debakel der SPD zu äußern, platziert Olaf Scholz nun eine andere Minimal-Mitteilung. Ob er sicher sei, der SPD-Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl zu sein, wird er in einem ARD-Interview gefragt. „Ja“, sagt er und schweigt dann. Manchmal kann man hinter dem Pulverdampf gar nicht erkennen, was da entschieden ist.
Immerhin: eine klare Aussage. Selbstverständlich ist es nach den turbulenten letzten Wochen ja nicht mehr, dass die SPD und ihr Kanzler auf Dauer zusammenbleiben. Innerhalb der Sozialdemokraten, gerupft von den 13,9 Prozent bei der Europawahl, sind heftige Debatten ausgebrochen. Ein Teil der Parlamentarier spricht verdeckt von Koalitionsbruch.
SPD-Fraktionssitzung: Forderungen nach neuer Migrations- und Haushaltspolitik – und neuem Kanzler
Eine Fraktionssitzung letzte Woche verlief sehr turbulent. Eher konservative Abgeordnete fordern eine komplett neue Migrationspolitik, linkere eine komplett neue Haushaltspolitik, drohen sogar mit einem Mitgliederbegehren. Und manche fordern eben einen komplett neuen Kanzler, der Name von Verteidigungsminister Boris Pistorius fällt da gerne.

Der Streit zieht sich bis in die SPD-Parteispitze. Laut Bild zählt Generalsekretär Kevin Kühnert zu den härtesten Kritikern der Ampel, er lästere in diskreten Gesprächen massiv über die Koalition und schließe ihr Platzen nicht aus. Dafür gerät Kühnert selbst unter Feuer, weil ihm der erfolglose Europa-Wahlkampf der SPD angekreidet wird.
Krisenmodus in der SPD: Führungszirkel der Partei arbeitet Europa-Wahlkampf auf
Es brodelt in mehreren Ländern, auch in Bayern. Von einer „missratenen Kampagne“ spricht Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange sogar. Sie droht indirekt, sie könne noch deutlicher werden. Zur Erinnerung: Bei zwei der drei Landtagswahlen im Osten im September ist nicht ausgeschlossen, dass die SPD an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.
SPD-Chef Lars Klingbeil ist offenbar über Kühnerts Worte und Taten nicht amüsiert. „Es gibt einige Dinge im Wahlkampf, die mir nicht gepasst haben. Und die wir jetzt intern aufarbeiten werden“, sagt er am Wochenende in einem Interview. Die Aufarbeitung begann bereits gestern Abend. In Berlin traf sich da das SPD-Präsidium, also der innere Führungszirkel der Partei, zu einer Sitzung.
Ampel-Konflikt: SPD, FPD und Grüne beraten über Bundeshaushalt
Zudem war für Sonntag nach der Rückkehr aus der Schweiz ein krisenhaftes Gespräch in der Ampel angesetzt. Scholz lud Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ins Kanzleramt, um noch mal über den Haushalt zu reden. „Fristgerecht Anfang des Monats“ (Juli) brauche man eine Einigung, verlangte Scholz. Die Konfliktlinie hier: Lindner pocht auf das Einhalten der Schuldenbremse und fordert vehement Einsparungen, etwa beim Bürgergeld. Scholz unterstützt den Sparkurs, während die Grünen und auch weite Teile seiner SPD ihn ablehnen.
Bewegung gibt es nur in Teilbereichen. So signalisiert die SPD, zu Kürzungen und härteren Sanktionen beim Bürgergeld bereit zu sein, so weit es um ertappte Schwarzarbeiter gehe. Lindner wiederum ist bereit, in einem Nachtragshaushalt für 2024 die maximal zulässige Neuverschuldung neu (also höher) zu berechnen.
Scholz‘ Appell an Ampel: Koalition habe „gute Ergebnisse erzielt“ – habe jedoch ein Vermittlungsproblem
Vorher meldete sich der Kanzler noch mal zu Wort, etwas ausführlicher sogar – mit einem Appell an die Ampel, den Stil zu überdenken. Das Bündnis habe „gute Ergebnisse erzielt“, sagte er am Samstag in mehreren kurzen TV-Gesprächen am Rande der G7-Konferenz in Bari. Das Problem, so stellt er es dar, liegt in der Vermittlung gegenüber dem Bürger: „Es muss ja auch so sein, dass das alle mitbekommen und verstehen.“ Und, über die Ampel: „Es gelingt nicht, dass alle sich am Riemen reißen.“ Zu oft würden die Beschlüsse überlagert: „Manchmal kann man dann hinter dem Pulverdampf gar nicht erkennen, was da entschieden ist.“
Auch eher Pulverdampf als Friedenspfeife: CDU-Chef Friedrich Merz hat am Wochenende per Rundmail in der CDU eine Kooperation angeboten. „Wir bieten den Sozialdemokraten ausdrücklich an, bei den notwendigen Entscheidungen mitzuwirken und gemeinsam nach Lösungen zu suchen“, schrieb er. Ziel sei ein „grundlegender Politikwechsel“. Merz forderte „vor allem die SPD“ auf, sie dürfe sich nicht allein „die nächsten 15 Monate durchwurschteln“. Und, kleiner Gruß an den Kanzler: Als Erklärung für den Wahltag werde ein „Nö“ nicht reichen. (Christian Deutschländer)