FC Bayern: Im Schatten von Hoeneß ist Rummenigge der unterschätzte Macher
Bisweilen gibt es sie noch, die Bilder, die Millionen Fußballfans aus gefühlt Millionen Jahren kennen: Ein Schwenk auf die Stadiontribüne, zwei Männer um die 70 im angeregten Diskurs, der eine oft mit rot-weißem Schal, der andere oft mit roten Bäckchen.
Natürlich werden zum 125. Geburtstag des FC Bayern München an diesem Donnerstag die Heldengeschichten auf Uli Hoeneß angestimmt, völlig zurecht, der FC Bayern könnte ja glatt als FC Hoeneß durchgehen, und würde der Club seinen Stammsitz von der Säbener Straße an den Tegernsee verlegen, wäre niemand ernsthaft verwundert. Hoeneß gilt als Macher eines der größten, beliebtesten, erfolgreichsten Fußballvereine der Welt. Und: Er ist es auch.
Der andere Mann auf der Tribüne, der mit den roten Bäckchen, war nie Volkes Liebling und erst recht kein Abgesandter des folkloregeschwängerten Mia-san-mia-Pathos. Aber für die Entwicklung des FC Bayern in diesem Jahrtausend hatte besagter Karl-Heinz Rummenigge (Achtung: These!) dieselbe Bedeutung wie Uli Hoeneß. Mindestens.
Was Rummenigge leistete, verblasste mitunter – wegen Hoeneß
Wenn Hoeneß die Herz- und Bauchkammer der Münchner ist, Franz Beckenbauer ihre gute Seele und Gerd Müller der stramme Oberschenkel, dann fungierte Rummenigge als Kopf des Clubs.
Hoeneß und Rummenigge rieben, stritten, ergänzten, fügten sich. In verlässlichen Abständen stießen sie sich ab wie Plus- und Minuspol auf einer Batterie, aber dann gewann Bayern mal wieder 4:1, und schon war die Fußballwelt rosa- oder eher noch bayernrot. Derweil schwebte Beckenbauer selbstverständlich auf dem Planeten Kaiser. Ja mei.
Rummenigge bildete stets den Kontrast zum emotionalen Motor Hoeneß: Er war ein kühler Analyst, der mit visionärer Klarheit die Weichen stellte. Fast 35 der nun 125 Jahre diktierte Rummenigge stilprägend mit – ab 1991 als Vizepräsident, von 2002 bis 2021 als Vorstandsvorsitzender, noch immer als Aufsichtsratsmitglied. Ein sogenannter Großkopferter.
Rummenigge, ein höchstangesehener deutscher Außenminister
Über die Dekaden hinweg trug Rummenigge die Bayern in die weite Welt hinaus. Vom Ammersee bis Australien, vom Chiemgau bis China, von Passau bis nach Panama. Was er tatsächlich bewirkte, verblasste mitunter, weil parallel dazu Hoeneß hochrotköpfig den Taktstock schwang. Und die Tiraden. Zumeist beides.

Laptop und Lederhose, das alte Sprachbild. Als Hoeneß (Abteilung Lederhose) seine Haftstrafe verbüßte, steuerte Rummenigge (Laptop) das deutsche Flaggschiff exzellent in Eigenregie. Sein riesiges Netzwerk, sein globalisierter Ansatz und seine diplomatischen Fähigkeiten sicherten Einfluss im zunehmend komplexen Fußballbusiness; zudem stand er von 2008 bis 2017 der European Club Association vor, einer Art Lobbyverband für Spitzenvereine. Rummenigge, der deutsche Außenminister. Überall höchstangesehen.
Nur im Bayern-Kosmos, der traditionell nach Lokalkolorit verlangt, wurde der Ostwestfale nie annähernd verehrt wie Hoeneß, Beckenbauer oder Müller, Gerd wie Thomas. Zu gestelzt, zu distanziert, zu technokratisch. Zu viel „Killer-Kalle“, der gnadenlos Verdikte fällt, zu viel kruder Fremdwörtergebrauch („Conditio sine qua non“) und ganz gewiss zu viel Grundgesetz.
Rummenigge-Deal legte die Basis für den FC Bayern von heute
Gleichwohl hat der FC Bayern immens von Rummenigges Status profitiert – besonders von seiner Gabe, als ehemaliger Weltklassestürmer ein Weltklassepolitiker zu werden. Zu aktiven Zeiten gewann Rummenigge mit Bayern zweimal den Europapokal der Landesmeister, wurde zweimal Europas Fußballer des Jahres und 1980 Europameister im DFB-Team.
Sein Transfer zu Inter Mailand 1984 rettete die Münchner wirtschaftlich. Die rund elf Millionen Mark Ablösesumme, clever eingefädelt von Jung-Manager Hoeneß, machten den schlingernden Verein damals auf einen Schlag schuldenfrei. Es war nicht weniger als jener Deal, der die finanzielle Basis legte für den Eliteclub, wie wir ihn heute kennen.
Ohne den Strategen Rummenigge wäre der FC Bayern sicherlich ein starker europäischer Leuchtturm geworden und geblieben – aber wohl eine Nummer kleiner. Das sollte zum 125. Geburtstag bedacht werden. Denn am Ende des Tages ist die Würde des Kalles unantastbar.