„Haben die Gemeindehalle für die ganze Nacht gemietet“: Kleines Dorf feierte großes Jubiläum

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Schongau
  4. Wildsteig

Kommentare

Sauber herausgeputzt: Nach dem Festgottesdienst in der Kirche St. Jakob ging es für die Festgemeinde zurück in die Wildsteiger Gemeindehalle. © Trainer

Im Jahr 1925 fand der erste Leonhardiritt in Wildsteig statt. Seitdem ist die Veranstaltung tief in der Dorfkultur verwurzelt. Der Leonhardiverein Wildsteig nahm dies zum Anlass, das 100-jährige Jubiläum groß zu feiern.

Am vergangenen Samstag fand in Wildsteig eine große Feier zum 100-jährigen Jubiläum des örtlichen Leonhardiritts statt: Mit einem Kirchenzug zog die Feiergemeinde zur Pfarrkirche St. Jakob und feierte in der voll besetzten Kirche den Festgottesdienst. Pfarrer Josef Fegg hielt die Predigt in einem extra für die Feier angefertigten Gedicht und segnete die restaurierte Leonhardistandarte. Mit einem Festzug ging es für den Festakt zur liebevoll geschmückten Gemeindehalle zurück. Umrahmt wurde der Gottesdienst und der Festabend von der Musikkapelle Wildsteig. Zudem traten, passend zum Anlass, die Steingadener Goaßlschnalzer auf.

Ein anderer Verein aus Wildsteig feierte im letzten Jahr ein großes Jubiläum.

Leonhardi-Jubiläum: Rückblick und historische Fotos

Vorstand Xaver Gindhart blickte in seiner Festrede auf die Geschichte des Leonhardivereins zurück. Über Monate hatten die Wildsteiger nach historischen Fotos gesucht. Was aufgetaucht war, fand seinen Weg in Gindharts unterhaltsamen Vortrag. Über 100 Wildsteiger mit farbenprächtig herausgeputzten Pferden gaben im Jahr 1923 dem Primizianten Meinrad Klein das Geleit und holten ihn in Steingaden ab. Es war ein prachtvoller Zug, der 1925 den Anlass für den ersten Umritt zu Ehren des heiligen Leonhard gab. Wildsteigs damaliger Bürgermeister Martin Klein war der Hauptinitiator für den ersten Leonhardiritt, der in der Folge immer am 6. November stattfinden sollte.

Nahmen die Ehrungen stellvertretend entgegen (v.l.): Franz Keller, Tobias Bußjäger, Julia Klein, Josef Taffertshofer, Gabi Bertl, Johann Bußjäger, Helmut Oswald und Xaver Gindhart
Nahmen die Ehrungen stellvertretend entgegen (v.l.): Franz Keller, Tobias Bußjäger, Julia Klein, Josef Taffertshofer, Gabi Bertl, Johann Bußjäger, Helmut Oswald und Xaver Gindhart © Trainer

1966 wurde die Leonhardistandarte geweiht. Pfarrer Neumeier hatte den Ritt später auf den Kirchweihsonntag verlegt und seit 1985 sind auch die Schalkfrauen mit einem Festwagen beim Leonhardiritt vertreten. Die Traditionsveranstaltung war allerdings nicht immer ein Selbstläufer: Mit dem Aufkommen des Traktors verloren die Rößer rapide an Bedeutung im Arbeitsalltag der Bauern. So verringerte sich der Bestand von rund 250 auf 40 Pferde. Um den Umritt weiterführen zu können, wurde damals mit den Steingadenern vereinbart, dass die Wildsteiger beim Ulrichsritt und die Nachbarn umgekehrt beim Leonhardiritt teilnehmen. So entwickelte sich die Veranstaltung über ein Jahrhundert zum festen Bestandteil im Terminkalender der Wildsteiger. Ausfalllen musste die Veranstaltung in der Vergangenheit lediglich während des 2. Weltkriegs und in Coronazeiten.

Ausfall während Weltkrieg und Corona

Da der Leonhardiverein Wildsteig ein kleiner Verein ist, hat der Vorstand die Roßbauern um eine Holzspende gebeten. Die beträchtliche Menge an Nutzholz wurde verkauft und aus dem Erlös konnte beim örtlichen Holzbildhauer Thomas Ort eine Leonhardfigur in Auftrag gegeben werden. Sie wird beim diesjährigen Leonhardiritt am 19. Oktober feierlich geweiht. „100 Jahre ist ein besonderes Jubiläum, über Generationen wurde die Tradition weitergegeben und wenn diese bei der Jugend weiterlebt, braucht's uns um die Zukunft nicht bang zu sein“, verkündete Xaver Gindhart, der schon zuvor erklärte: „Essen und Getränke gibt es bei uns immer erst nach der Messe.“

Seit 100 Jahren gibt es den Leonhardiritt in Wildsteig. Ausgefallen ist er nur selten.
Seit 100 Jahren gibt es den Leonhardiritt in Wildsteig. Ausgefallen ist er nur selten. © Trainer

Ehrenurkunden erhielten die Gemeinde, Landjugend, Musikkapelle, Schalkfrauen, Feuerwehr und der Trachtenverein, die teilweise von Anfang an Bestandteil des Leonhardiritts waren. Allen Roßbauern wurde für die jahrzehntelange Treue ein herzliches Vergelts Gott ausgesprochen. „Ihr habt's den Leonhardiritt derhebt“, hieß es bei der Übergabe der Ehrenurkunden. Zudem gab es ein Buch mit der Chronik des Leonhardirittes und vielen Fotos der Teilnehmer, das von Franziska Mayr mühevoll erstellt worden war.

(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Schongau-Newsletter.)

Bis in die frühen Morgenstunden feierten die Wildsteiger das 100-jährige Jubiläum in der Gemeindehalle.
Bis in die frühen Morgenstunden feierten die Wildsteiger das 100-jährige Jubiläum in der Gemeindehalle. © Trainer

„Wildsteig hat einen der schönsten Leonhardiritte in der Region, besonders, weil er nicht kommerzialisiert wurde“, betonte Bürgermeister Josef Taffertshofer und überreichte eine Spende. Die Gemeinde Rottenbuch, vertreten durch den zweiten Bürgermeister Vitus Gansler, gratulierte ebenfalls. Anton Speer, Vorstand der Unterammergauer Rosserer und zugleich Landrat von Garmisch-Partenkirchen, betonte die gute Zusammenarbeit. „Damit der Vorstand nicht verdursten muss, haben wir einen 50er-Banzen Bier mitgebracht“, beendete er seine Ansprache. Thomas Pfeiffer von den Ulrichsreitern Steingaden übergab eine Geldspende. Die Wildsteiger Ortsvereine, vertreten durch Feuerwehrvorstand Helmut Oswald, überreichte einen Scheck über 1310 Euro. Bis in die Morgenstunden feierten die Wildsteiger. „Wir haben schließlich die Gemeindehalle für die ganze Nacht gemietet“, betonte Gindhart.

VON MICHAEL TRAINER

Auch interessant

Kommentare