AfD-Merchandising: Shop bei Amazon direkt nach Presseanfrage gelöscht
Amazon bietet hunderte AfD-Fanartikel an. Über die Produktbeschreibungen werden politische Botschaften und Wähleraufrufe transportiert. Ein No-Go, sagen Experten.
Berlin – Man muss nicht blau tragen, wenn man AfD-Fan ist. Beim Online-Versandriesen Amazon gibt es massenweise T-Shirts und Kapuzenpullis mit dem Logo der Partei in allen möglichen Farben zu kaufen. Auch in Braun. Und je nach Vorliebe sogar mit dem Konterfei von AfD-Chefin Alice Weidel auf der Brust. Neben Kleidung hat Amazon auch Fahnen und zahlreiche andere Merchandising-Artikel mit AfD-Motiven im Angebot. Meist kann man sie direkt über den Amazon-Dienst „Merch on Demand“ beziehen, bei Bestellung wird gedruckt und dann verschickt. Eine spezielle Form der Wahlwerbung, ausgerechnet im Superwahljahr 2024 mit drei Landtagswahlen. Experten sehen das hochkritisch – vor allem manche Produktbeschreibungen geben demnach Anlass zur Sorge.
AfD-Fanartikel bei Amazon: „Gegen Zensur und Mainstream“
„Das ist ein neues Phänomen der Parteienwerbung“, sagt Politikberater Johannes Hillje, der unter anderem zu den Kommunikationsformen extremistischer Gruppierungen forscht. „Andere Parteien und ihre Anhänger verfolgen solche Praktiken eher nicht.“ Tatsächlich gibt es bei Amazon keine Fan-Artikel anderer Parteien – nur von der AfD.
Und auf den Angebotsseiten werden politische Botschaften gleich mitgeliefert. So heißt es in der Produktbeschreibung für ein Shirt mit dem Aufdruck „AfD aus Überzeugung“ unter anderem: „Alice Weidel für Deutschland. Sei klug und wähle Blau aus Liebe zur Heimat. Für alle Fans die Alternative für Deutschland Wählen (sic!).“ Und weiter: „Für unsere Kinder, Freiheit, Sicherheit und Deutschland. Gegen Zensur und Mainstream. Perfektes Geschenk für Demonstrationen (...) Widerstand gegen das System. Kein Millimeter nach Links.“
Merchandising der AfD: „Versuch einer Normalisierung radikaler Inhalte“
„Diese Produktplatzierung ist der Versuch einer Normalisierung radikaler Inhalte. Man nutzt eine populäre und seriöse Plattform, um Botschaften der AfD zu platzieren“, sagt Hillje. Unter den Botschaften sind die üblichen Parolen, die man von AfD-Veranstaltungen und rechtsextremen Demos kennt. Der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Thüringer AfD-Chef Björn Höcke etwa propagiert seit Jahren einen „Widerstand“ gegen das „System“. Schon vor Jahren zitierte er frei ausgerechnet den antifaschistischen Dramatiker Bertolt Brecht in einer Rede: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
„Verwandte Produkte“ bei Amazon: Stiefel mit Stahlkappen, Reichskriegsflaggen
Ein Spruch übrigens, der in Frakturschrift auf vielen Pullis bei Amazon auftaucht: Artikel, die man als „Verwandte Produkte“ angezeigt bekommt, wenn man sich für AfD-Shirts interessiert. Und nicht nur das: Auch Reichskriegsflaggen tauchen schnell auf, Stiefel mit Stahlkappen, Messer oder Shirts mit Sprüchen wie „Gewalt ist eine Lösung“. Heißt das, Käufer von AfD-Ware interessieren sich auch für solche Artikel? Wie der Algorithmus dahinter funktioniert, will Amazon auf Nachfrage nicht sagen. Überhaupt macht der Online-Riese bei dem Thema dicht. Wer die Auftraggeber für die Parteienwerbung der AfD sind, wie viele Artikel verkauft werden – kein Kommentar.
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Klare politische AfD-Botschaften bei den Amazon-Artikeln
Auch nicht zu den Produktbeschreibungen, die klare politische Botschaften sind. Bei gesponserter Werbung ist Amazon offiziell eigentlich sehr empfindlich, was das betrifft: „Politische Inhalte, z. B. Kampagnen für oder gegen einen Politiker oder eine politische Partei, im Zusammenhang mit einer Wahl oder Inhalte im Zusammenhang mit politischen oder öffentlich diskutierten Themen“ sind verboten, heißt es in den Richtlinien. Für die angebotenen AfD-Waren gilt das offenbar nicht.
Noch deutlicher wird das zum Beispiel bei einem Shirt mit dem Spruch „Hunde scheißen auf alles, was grün ist“. In der Beschreibung dazu gibt es eine klare Aufforderung: „Setze ein Zeichen bei der nächsten Landtagswahl / Bundestagswahl gegen linke Politik & deren realitätsfernen Ideen (sic!). Trage es bei Kundgebungen und Demos & setzte dich gegen Ideologien ein, die Deutschland kaputt machen. Pro Weidel und pro AFD, gegen Ampel.“
Politikwissenschaftlerin: „Ich finde diese heimliche Parteienwerbung gelinde ausgedrückt irritierend“
Ursula Münch findet das „recht unappetitlich“. Die Politik-Professorin ist Direktorin der Akademie für politische Bildung. „Ich finde diese Art der heimlichen Parteienwerbung gelinde ausgedrückt irritierend.“ Es sei nicht nachvollziehbar, warum Amazon solche politischen Stellungnahmen erlaube.
Problematisch sei überdies, dass Botschaften extremer politischer Kräfte so normalisiert würden, wenn sie bei einem Mainstream-Portal wie Amazon auftauchen: „Es ist nur einen Klick entfernt. Niemand muss zu einem dubiosen Fanshop, um solche Shirts zu kaufen.“
Amazon-Anbieter von AfD-Fahne verschwindet plötzlich – ganzer Shop ist offline
Wer die Anbieter sind, ist oft schwer herauszubekommen. Ob die AfD selbst die Shirts und Fan-Artikel direkt oder indirekt in Auftrag gibt, dazu äußert sich die Partei nicht: Auf Nachfragen gibt es auch nach Wochen keine Antwort. „Selbst wenn sie nicht direkter Auftraggeber ist, dürfte der AfD solche Fan-Ware gut in den Kram passen“, sagt Politikberater Johannes Hillje. „Man kennt das von Demos: Wenn auf der Bühne Medien kritisiert werden, kommt schnell der Schlachtruf ‘Lügenpresse’ aus der Menge. Die AfD macht sich das Wort nicht direkt zu eigen, zeigt aber, dass sie es goutiert. Das ist eine Strategie des Anheizens, wie wir sie auch von Donald Trump kennen.” Mit solch radikalen Slogans signalisiere die AfD ihrer Kernwählerschaft, dass sie die parlamentarische Vertretung von radikalen Positionen ist.
Zumindest ein Händler, der bei Amazon zuletzt unter anderem AfD-Fahnen mit der Aufschrift „AfD – Deutschland. Aber normal.“ angeboten hatte, war auffindbar. Hinter dem Anbieter steckte ein Online-Shop, angeblich mit Sitz in Masburg, einem winzigen Ort bei Koblenz. Für ein Gespräch war die im Impressum angegebene Person offenbar nicht bereit – auf Nachfrage gab es keine Antwort. Und mehr noch: Am Tag nach der Anfrage war das AfD-Angebot bei Amazon verschwunden, der gesamte Online-Shop offline und die angegebene Telefonnummer nicht mehr erreichbar.
Mitarbeit: David Huth