Krebskranke Louise erhält einen Brief von der Regierung, in dem sie aufgefordert wird, zur Arbeit zurückzukehren

Mit Tränen und Wut wendet sich Louise Ferida Defawes, eine an Krebs erkrankte Belgierin, in einem Facebook-Video an die Öffentlichkeit. Während sie sich einer Chemotherapie unterzieht, landet ein Brief des Arbeitsministeriums in ihrem Briefkasten. Darin befindet sich die Aufforderung, anzugeben, wann sie wieder arbeiten könne. Das berichtet die belgische Tageszeitung "Bruxelles Today".

"Ich bin mitten im Kampf gegen den Krebs, und sie fragen mich nach meiner Rückkehr ins Büro", sagt sie fassungslos. Laut dem Schreiben müsse sie innerhalb von zehn Tagen antworten, sonst drohe eine finanzielle Kürzung.

Trotz Chemotherapie: Louise soll zur Arbeit zurückkehren

Der Brief ist laut "Bruxelles Today" Teil eines neuen staatlichen Programms, des sogenannten "Rückkehrpfads 2.0". Dieser sieht vor, dass Menschen, die länger krankgeschrieben sind, nach zehn Wochen einen Fragebogen erhalten. Ziel des Verfahrens ist laut Regierung, den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern – durch Teilzeitmodelle, angepasste Aufgaben oder Weiterbildungen.

In ihrem Video prangert Louise einen "Verlust der Menschlichkeit" im System an. Die Verwaltung sehe in den Erkrankten nur noch Zahlen, keine Menschen mehr. "Diese Fragen sind absurd. Wir kämpfen ums Überleben, nicht um Fristen", sagt sie. Ihre Botschaft hat schnell tausende Reaktionen ausgelöst. Louise ruft nun zu Protesten gegen diese "soziale Gewalt" auf. Sie verweist auf geplante Streiks Ende November, um die Regierung auf das Problem aufmerksam zu machen.

Laut der Gewerkschaft CSC riskieren Betroffene, die den Fragebogen nicht fristgerecht ausfüllen, eine Kürzung ihrer Krankengeldzahlungen um 2,5 Prozent. Die Unterlagen werden anschließend von einem Arzt geprüft, der über mögliche Reintegrationsmaßnahmen entscheidet. Auch die CSC kritisiert die Strafmaßnahmen scharf und fordert, das System menschlicher zu gestalten. 

Belgien und die Wiedereingliederung in die Arbeit: Ein Konflikt 

In Belgien herrscht eine starke politische Debatte darüber, wie Personen mit langwieriger Arbeitsunfähigkeit wieder an den Arbeitsmarkt angebunden werden können. So waren im Jahr 2023 laut der belgischen Rundfunkanstalt VRT über 500.000 Menschen länger als ein Jahr krankgeschrieben, davon wurden mehr als 300.000 als dauerhaft arbeitsunfähig eingestuft. 

Die Regierung kündigte an, dass künftig die Verfahren angepasst werden sollen: Arbeitgeber, Versicherungen und Beschäftigte sollen stärker eingebunden werden, damit Rückkehr- oder Teilarbeitsmöglichkeiten realisiert werden.

Obwohl seit Ende 2022 gesetzlich vorgeschrieben ist, dass Unternehmen in Belgien eine Strategie zur Wiedereingliederung langzeiterkrankter Mitarbeitender entwickeln müssen, zeigen Untersuchungen große Defizite: Wie die "Brussels Times" darlegt, haben bislang nur rund sieben Prozent der Firmen eine entsprechende Regelung umgesetzt.