Bundeswehr bald in der Ukraine? Fachleute plädieren für Nato-Bodentruppen als Friedens-Absicherung

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Die Entsendung von Nato-Bodentruppen in die Ukraine werden erneut heiß diskutiert. Vor allem mit Blick auf einen möglichen Friedensplan. Berlin könnte bald vor einer Entscheidung stehen.

Frankfurt – Als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Februar dieses Jahres erstmals über einen möglichen Einsatz von Nato-Bodentruppen in der Ukraine sprach, folgte ein Aufschrei aus Berlin. Knapp zehn Monate später ist das Thema zurück an der politischen Tagesordnung. Frankreich und Großbritannien beraten hinter verschlossenen Türen offenbar über die Entsendung von Soldaten, diverse Experten sehen Nato-Bodentruppen als entscheidenden Punkt in einem möglichen Friedensplan für das Ende des Ukraine-Kriegs. Dabei gerät auch Deutschland in den Fokus. Könnten Bundeswehrsoldaten bald in den Donbass entsendet werden?

Könnte die Bundeswehr als Teil eines Friedensplans in die Ukraine entsandt werden. © Martin Schutt/dpa

Bundeswehr-Soldaten in der Ukraine? Expertin sieht Nato-Bodentruppen als einzige Möglichkeit

Diese Forderung kommt unter anderem von Liana Fix, Expertin für Europa des Thinktanks Council on Foreign Relations. „Die NATO-Mitgliedsstaaten, insbesondere die europäischen, sollten eine Koalition der Willigen anstreben, um Truppen in die Ukraine zu entsenden“, forderte Fix im Gespräch mit dem US-Portal Newsweek. „Diese sollte aus einem Kern aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Polen bestehen und von den USA unterstützt werden.“ Ein solches Vorgehen sei die einzige Möglichkeit, um einen Waffenstillstand für die Ukraine im Krieg gegen Putins Russland möglich und akzeptabel zu machen.

„Wenn ein Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien und ohne Truppen vor Ort geschlossen wird, wird dies als Einladung an Wladimir Putin verstanden, den Waffenstillstand zu brechen“, prognostiziert Fix. Die Entsendung der Truppen müsste jedoch nicht unter der Flagge der Nato stattfinden, sondern könnte auch durch eine „Koalition der Willigen“ ausgetragen werden, die sich aus vereinzelten Nato-Ländern zusammensetzt. Somit könnte man den direkten Konflikt zwischen Russland und der Nato im Ukraine-Krieg zumindest offiziell vermeiden.

Koalition der Willigen: Frankreich und Großbritannien diskutieren über Entsendung von Bodentruppen

Eine solche Koalition der Willigen könnte derzeit zwischen Frankreich und Großbritannien entstehen. Wie das französische Medium Le Monde in der vergangenen Woche berichtete, finden „derzeit Gespräche über eine Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich statt“ – auch über die Entsendung von Bodentruppen. Das meldete die Zeitung mit Bezug auf eine anonyme Quelle aus dem britischen Militär.

Der genaue Einsatzzweck der Soldaten ist jedoch noch unbekannt. Die Truppen könnten ukrainische Streitkräfte vor Ort ausbilden oder die Wartung und Reparatur von westlichen Waffensystemen übernehmen. Ein Einsatz von westlichen Truppen entlang der Frontlinie gilt weiterhin als unwahrscheinlich.

Trumps Friedensplan für Ende des Ukraine-Kriegs – Nato-Bodentruppen könnten Deal absichern

Die Entsendung von Nato-Bodentruppen – auch aus Deutschland – könnte darüber hinaus vor allem als Teil eines Friedensplans angesehen werden. Der gewählte US-Präsident Donald Trump und sein designierter Stellvertreter JD Vance hatten die Möglichkeit einer entmilitarisierten Zone in der Ostukraine ins Gespräch gebracht. Da Trump aber wohl kein Interesse hat, US-Truppen nach dem Ende des Ukraine-Kriegs zur Sicherung des Friedens zu entsenden, könnte die Verantwortung auf die europäischen Nato-Mitglieder zurückfallen.

„Sicherheitsblase“ als Vorbereitung für Friedensplan – US-Experte plädiert für Nato-Bodentruppen

„Alliierte Truppen sollten zusammen mit der erforderlichen Luftwaffe, Luftabwehr und Langstreckenfeuerkraft mit dem Mandat in die Ukraine entsandt werden, die Souveränität des Landes zu schützen“, forderte auch Ian Brzezinski, Senior Fellow des Thinktanks Atlantic Council, gegenüber Newsweek.

„Dies erfordert nicht, dass diese Truppen mit der Absicht in die Ukraine einmarschieren, russische Streitkräfte offensiv anzugreifen“, bekräftigte Brzezinski. Es gehe viel mehr darum, eine „Sicherheitsblase“ über den nicht besetzten Teilen der Ukraine zu errichten. „Dies würde die Aussichten der Ukraine, den Krieg zu ihren Bedingungen zu beenden, deutlich verbessern“, führt der Experte weiter aus und bekräftigt, dass die Entsendung von Truppen nach einem möglichen Ende des Ukraine-Kriegs ohnehin vonnöten sei, um für Stabilität zu sorgen.

Forderung nach Entsendung Nato-Bodentruppen – Experte warnt vor Eskalationsspirale

Ein für Brzezinski entscheidender Faktor dürfte gleichzeitig auch der Knackpunkt an der Debatte um die Entsendung von Nato-Bodentruppen sein. „Der Schlüssel zum Erfolg liegt natürlich darin, dass diese Koalition vorbereitet ist und zeigen muss, dass sie im Falle eines Angriffs Russlands zu einer energischen Reaktion bereit ist“, so der Experte. Auch wenn Putin vor einem offenen Konflikt mit der Nato in der aktuellen Lagen noch zurückschrecken dürfte, würde die Präsenz von Nato-Soldaten in der Ukraine die Gefahr für eine Ausweitung des Konflikts erhöhen.

Diese Meinung vertritt auch Barry Posen. Der Professor für Politikwissenschaften am renommierten MIT warnt entschieden vor einer Entsendung von Bodentruppen durch ein Mitglied der Nato. „Sollten diese Soldaten oder Piloten in Schwierigkeiten geraten, käme ein erheblicher Druck auf die an die Ukraine grenzenden NATO-Mitgliedsstaaten zu, von ihren eigenen Stützpunkten aus Luftabwehreinsätze zu fliegen, um die europäischen Streitkräfte in der Ukraine zu unterstützen“, sagte Posen der Newsweek. Dann könnte sich eine Eskalationsspirale schnell entfalten.

Anders wäre es, wenn die Truppen weit entfernt von der Front als Teil der ukrainischen Luftabwehr agieren würden. „Dann wären die Risiken vielleicht etwas geringer. Aber sie sind nicht gleich null“, gibt Posen zu bedenken.

Ukraine-Krieg bestimmt auch Wahlkampf in Deutschland

Ob Nato-Bodentruppen tatsächlich proaktiv in den Ukraine-Krieg versetzt werden könnten, ist derzeit nur schwer einzuschätzen. Gerade mit Blick auf Deutschland und die Bundeswehr erscheint ein solcher Schritt jedoch kaum umsetzbar. Das liegt auch am Wahlkampf vor der Bundestagswahl, in der sich Bundeskanzler Olaf Scholz als Friedenskanzler und Gegenpart zu Friedrich Merz (CDU) inszeniert. Dass ein führender politischer Akteur in diesen Zeiten die Entsendung von Bundeswehr-Truppen in die Ukraine fordern könnte, scheint nur schwer vorstellbar.

Trump-Plan für das Ende des Ukraine-Kriegs – Sicherheitsgarantien durch Nato-Soldaten?

Klar ist aber auch, dass die neue Bundesregierung sich nach der Wahl mit der Umsetzung eines Friedensplans für die Ukraine befassen muss. Einen solchen dürfte bis dahin Trumps Sondergesandter für die Ukraine und Russland, Keith Kellogg, erarbeiten. In einem Meinungsbeitrag für die Denkfabrik „America First Policy Institute“ führte der Ex-General im April bereits die groben Züge es möglichen Plans aus.

Dieser sieht auch vor, die der Ukraine in Aussicht gestellte Aufnahme in die Nato „im Gegenzug für ein umfassendes und überprüfbares Friedensabkommen mit Sicherheitsgarantien für einen längeren Zeitraum auszusetzen“. Ernstzunehmende Sicherheitsgarantien für die Ukraine dürften dabei kaum ohne die Stationierung von Bodentruppen auskommen. Spätestens dann steht die Bundesregierung vor einer Entscheidung. (fd)

Auch interessant

Kommentare