Krieg spielen in der Grauzone? CSU-Vize Weber hätte da ein paar Ideen

Es war ein Satz mit ziemlich viel Wumms. „Wenn ich mir Europa heute ansehe, denke ich, dass wir uns in der schwierigsten und gefährlichsten Situation seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs befinden“, sagte Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen diese Tage beim EU-Gipfeltreffen in Kopenhagen. Der Zweite Weltkrieg wurde vor 80 Jahren beendet, seither gab es unter anderem den Kalten Krieg, den Prager Frühling, den Krieg auf dem Balkan, die Flüchtlingskrise von 2015 und die russische Attacke auf die Ukraine. Kann 2025 all das toppen?

Entweder, es ist Krieg, oder es ist Frieden – bis heute denken wir am liebsten in dieser klaren Dialektik. Doch die Zeit dieser Schwarz-Weiß-Rubrizierung ist vorbei. Mit „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden“ beschreibt Bundeskanzler Friedrich Merz die aktuelle Lage und damit dieses ungute Gefühl der Unsicherheit, das Europa zunehmend beschäftigt: Zwischen den Stühlen sitzt es sich extrem unbequem.

Russlands halber Krieg gegen Europa

Noch schlimmer allerdings ist, dass Deutschland und Europa für diese Phase der Hängepartie militärisch kaum etwas zu bieten haben. Dass man in Friedenszeiten verwahrlosen ließ, was in Kriegszeiten nötig wäre, ist das eine. Das andere ist jedoch, dass die EU-Länder ziemlich hilflosen aussehen in diesem den halben Krieg, den Putin aktuell vom Zaun bricht. Und paralysiert auf die Drohnen starrt, die der Kreml in den Nato-Luftraum ausschwärmen lässt.

Vom „großen Graubereich“ zwischen den beiden Polen Krieg und Frieden spricht Claudia Major, Expertin für Sicherheitspolitik in Europa, bei „Maybrit Illner“, und davon, dass Deutschland die Existenz dieser Grauzone in den letzten Jahren und Jahrzehnten gerne ignoriert hatte. „Russland“, weiß ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf, „spielt diese Grauzone gerade extrem aus.“

Manfred Weber, Parteichef der EVP und Vize-Parteivorsitzender der CSU, legt emotional noch eine Schippe drauf: „Wir sind mit aller Wucht in eine neue Realität geschubst worden“, sagt er, in eine „eiskalte Welt, in der wir ganz alleine stehen“. Mehr Gänsehaut ist vermutlich gar nicht möglich an diesem spätherbstlichen Abend.

Putin in die Schranken weisen - aber wie? Darüber diskutiert die Runde bei "Maybrit Illner"
Putin in die Schranken weisen - aber wie? Darüber diskutiert die Runde bei "Maybrit Illner" ZDF

CSU-Mann Weber will Moskaus U-Bahn lahmlegen

Um Europa aus seiner Schockstarre zu lösen, hatte Weber kürzlich erst bei „Markus Lanz“ vorgeschlagen, Russland auch endlich mal ein wenig zu ärgern und vielleicht mal die Moskauer U-Bahn für einen Tag lahmzulegen. Einfach nur, weil wir es können. Bei „Maybrit Illner“ steht er weiterhin zu dieser Idee, „mit einem Cyberangriff zu antworten“ – einfach nur, um Putin zu zeigen: „Hier ist Schluss“.

Weber hat sogar noch ein paar neue Nickeligkeiten mitgebracht: etwa die, den Server des russischen Kriegsministeriums aus der Ferne abzuschalten. Oder die Propaganda-Maschine namens russisches Staatsfernsehen stillzulegen. An dieser Stelle helfen wir gerne mit ein paar weiteren Ideen aus: Juckpulver in Putins Pyjama, Stinkbomben in den Kreml. Krieg spielen in der Grauzone darf ja gerne auch lustig sein, oder?

Mehr Resilienz gegen russische Desinformation

Zum Glück sitzen bei „Maybrit Illner“ noch ein paar Erwachsene, die mit etwas mehr Besonnenheit auf die geopolitische Lage blicken. „Ich würde Putin salopp für einen Schulhofschläger halten“, gibt Katrin Eigendorf zu, doch sich auf dessen Pausenhofniveau zu begeben, sei die falsche Strategie.

Auch Claudia Major hält es nicht für wirklich zielführend, Russland gegenüber bereits jetzt offenzulegen, dass wir etwa Moskaus U-Bahn-System sabotieren können. Also: Falls wir das tatsächlich können. Man müsse stattdessen dringend das ganze Spektrum der deutschen und europäischen Widerstandsfähigkeit stärken – etwa mit einem Drohnenschutzwall und der Sicherung kritischer Infrastrukturen. Aber auch, indem man der Bevölkerung beibringt, nicht über jedes Stöckchen zu springen, das russische Desinformations-Trolle uns im virtuellen Raum hinhalten.

Was Kohl und Mitterand heute machen würden

Manfred Weber hat aber zum Glück nicht nur Kindereien mitgebracht, sondern auch eine durchaus sinnvolle Idee: Es sei höchste Zeit, nun endlich mit dem Klein-Klein der nationalen Einzelgänge aufzuhören und eine europäische Armee auf den Weg zu bringen. Helmut Kohl und Francois Mitterand würden genau das heute machen, glaubt er. „Jetzt ist die richtige Zeit dafür.“

Auch diesen Vorschlag nimmt Sicherheitsexpertin Major eher kühl entgegen: Mit der Nato gäbe es doch bereits eine europäische Verteidigung. Die entsprechend der neuen Machtverteilung umzustrukturieren, dauere allerdings noch etwas, „weil wir bisher immer amerikanisch-transatlantisch gedacht haben“, betont sie. „Wir werden die USA nicht in wenigen Jahren ersetzen.“

Abschreckung ja – aber mit Augenmaß

Bemüht, in der Illner-Runde zwischen „Team Abschreckung“ und „Team Deeskalation“ und damit zwischen Manfred Weber und dem Linken-Chef Jan van Aken zu vermitteln, setzt Politikwissenschaftler Peter Neumann auf die Wahrheit dazwischen. „Wir müssen abschrecken, ein klares Signal setzen“, sagt er, „aber wir müssen auch verhältnismäßig sein“.

Soll heißen: Bei jeder Konsequenz, die man dem russischen Schulhofschläger gegenüber androht, muss man auch bereit zur Umsetzung sein. Gerade in der Grauzone müssen rote Linien mit Vorsicht gezogen werden. Denn dahinter ist dann endgültig Schluss mit Grau.