ZDF-Doku zeigt Ost-Frust und AfD-Sympathien – dann macht BMW-Karrierefrau Ansage

Gerade habe ich etwas Exotisches hinter mich gebracht. Nein, keine Einbaumfahrt auf dem Amazonas. Auch keine Durchquerung des afrikanischen Kontinents mit dem Rucksack auf dem Rücken und dem Ein-Mann-Zelt als Behausung. 

Es war – eine Fahrt durch Sachsen. Ungeschützt, nur auf zwei Rädern. Und was soll ich sagen: Der Elbradweg ist bestens gepflegt. Die Kulinarik sehr ambitioniert. Der Wein köstlich. Kurz: Dieser wilde Osten, der so oft so verstörend in den Fernsehnachrichten beschrieben wird, fühlt sich durchaus angenehm nach Heimat an, nach Deutschland. 

Ein wieder einmal anderes Bild beschreibt, pünktlich zum "Tag der Deutschen Einheit", das ZDF mit seiner Dokumentation "Einigkeit, Verdruss und Freiheit". Sind wir wirklich kein Volk, zumindest kein gemeinsames?

Ein Volk? Das glaubt nur jeder Vierte im Osten

Unermüdlich bauen in unseren Köpfen fleißige Handwerker die olle DDR-Mauer wieder auf. Aktuelle Zahlen legen das nahe. Anfang der Woche hat Forsa seine Meinungsumfrage öffentlich gemacht. Kaum mehr als ein Drittel der Deutschen hat den Eindruck, dass Ost und West "weitgehend zusammengewachsen sind". 

In den nicht mehr wirklich neuen Bundesländern sind nur 23 Prozent der Meinung, dass wir "ein Volk" geworden sind.

Wiedervereinigung? Das ist wie Diebstahl

Wo stehen wir im Osten? So lautet die Kernfrage der ZDF-Doku. 

Oberst Wolfgang Herzig hat der Nationalen Volksarmee treu gedient – 25 Jahre lang. Und danach? „Das ist, wie wenn Sie einen wertvollen Ring haben – und der wird Ihnen geklaut“, sagt der Ex-Soldat über die im neuen System aberkannte Lebensleistung. Oder das zumindest, was er noch 35 Jahre später als seine Lebensleistung empfindet. „Die Vereinigung ist passiert“, findet auch Mit-Soldat Wolfgang Kolditz. 

Eine „Wiedervereinigung“ ist für beide schlichtweg das falsche Wort. Da gönnt sich selbst ein Gregor Gysi, 77, ein differenzierteres Bild. Der Linke-, PDS-, SED-Politiker vergleicht den Blick mancher auf die DDR mit dem Blick von Erwachsenen auf die eigene Kindheit. Auch da bleibe das Positive bestehen. Das Schlechte verliere sich aus dem Gedächtnis.

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„Ich denke, dass hier 80 bis 90 Prozent die AfD wählen würden“

Es sind nicht allein die Alten in der ZDF-Dokumentation, die den Blick auf die DDR rosarot eingefärbt haben – und eine sehr spezielle Form von Toleranz entstehen lässt. 

Besuch beim Simson-Treffen in Zwickau. Über vielen der Mopeds wehen DDR-Flaggen. Und wenn jemand den Hitlergruß zeigt? Ein Achselzucken ist die Antwort eines jungen Mannes, der nur Regenbogen-Fahnen hier nicht ertragen würde. 

„Die jetzige Jugend wird etwas deutscher“, sagt er in die Kamera. „Ich denke, dass hier 80 bis 90 Prozent die AfD wählen würden“, schätzt ein Zweiter. 

Das mag übertrieben sein. Frei erfunden ist es nicht. Bei der Bundestagswahl 2025 gaben im Osten 34,6 Prozent der jungen Wähler zwischen 18 und 24 Jahren der AfD ihre Zweitstimme. Im Westen waren es 16,5.

Wie wär’s damit: Anpacken statt anklagen?

Als Gegenentwurf präsentiert die Dokumentation Petra Peterhänsel. Die ersten Bilder zeigen sie vor den Wartburg-Ruinen in Eisenach. Viele Fenster sind eingeschlagen. 37 Jahre ist es her, dass Peterhänsel zum letzten Mal hier stand. Da hatte sie noch in der Qualitätskontrolle bei Wartburg gearbeitet. 

„Ich bin stolz, dass ich in Eisenach geboren bin“, sagt sie. „Aber ich bin auch stolz auf das, was ich erreicht habe.“ 

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Besser-Ossi? Vor der Wende schraubte schraubte Petra Peterhänsel am Wartburg. Heute leitet sie das BMW-Werk Leipzig ZDF

Sie hat viel erreicht. Seit dreieinhalb Jahren leitet sie das BMW-Werk in Leipzig mit 6000 Beschäftigten. „Ich habe meine Chancen genutzt“, sagt sie, „jeder hat sein Leben in der Hand.“ Und wenn jemand unzufrieden ist? „Dann muss er etwas anderes machen.“ 

Anpacken statt anklagen? Vielleicht könnte das ein Gefühl sein, um Deutschland tatsächlich gemeinsam voranzubringen.