Ein Trauredner verrät: Das haben ein Schlauchboot und ein Obstsalat mit Liebe zu tun
Wer bereits über 100 Paare getraut hat, kann eine Menge über die Liebe erzählen. Christian Tannek aus Dachau arbeitet nebenberuflich als freier Trauredner. Am Valentinstag erzählt er, was ölverschmierte Finger oder eine Schüssel Obstsalat mit Liebe zu tun haben.
Dachau – Die Musik läuft. Hochzeitsgäste, Trauredner, Bräutigam, alle sind bereit. Doch wer nicht erscheint, ist: die Braut. Wie es am Ende trotz weinendem Bräutigam noch ein Happy End gab, hat Christian Tannek live miterlebt. Er war der Trauredner an diesem Tag, die Geschichte gehört mit zu seinen liebsten.
Was bedeutet das? Liebe?
Sicher, wenn zwei Menschen freiwillig heiraten wollen, muss Liebe im Spiel sein, bestenfalls eine ganze Menge davon. Doch was bedeutet das überhaupt? Liebe? Christian Tannek ist nebenberuflich freier Trauredner und hat schon eine ganze Menge Menschen zueinander „Ja“ sagen lassen. Über 100 Paare hat er in den vergangenen fünf Jahren bereits getraut. Und dabei hat er längst nicht nur das erlebt, was viele unter romantischer Liebe verstehen, sondern auch viele andere Formen von Liebe. Die von Kindern, von Eltern, oder die zu Menschen, die nicht mehr da sind. Wenn er manche Geschichten erzählt, rühren sie ihn sogar heute noch so, dass ihn die ein oder andere Träne überkommt.
„Jeder versteht etwas anderes von Liebe“
„Jeder versteht etwas anderes von Liebe“, weiß Tannek. Das, was am Ende als kleinster gemeinsamer Nenner bleibt, ist nur das Wort an sich, Liebe. „Wie das allerdings aussieht, ist immer völlig unterschiedlich.“ Für die einen ist Liebe so „schön, dass sie auch wehtun kann“, für andere bedeutet sie, den Kopf zusammen unter eine Motorhaube stecken zu können und mit ölverschmierten Fingern an einem alten Auto zu schrauben, weiß Tannek.
Er ist dabei, wenn es um die ganz großen Emotionen geht, dann, wenn selbst die härtesten Hunde Tränen vergießen
Er hört sich die unterschiedlichen Liebesgeschichten ganz genau an. Er ist dabei, wenn es um die ganz großen Emotionen geht, dann, wenn selbst die härtesten Hunde Tränen vergießen, die, die von sich selber im Vorfeld sagen: „Ich werd’ bei der Trauung nicht weinen“. Noch heute bekommt er „jedes Mal eine Gänsehaut beim Ja-Wort“. Denn „es ist ein unglaublich besonderer Moment, wenn man ein Teil davon ist, wie sich zwei Menschen öffentlich dieses Versprechen geben. Das Versprechen, dass sie ihr Leben zusammen verbringen wollen“.
Bei einer freien Trauung: Das Auto wollte nicht mehr, ganz im Gegenteil zur Braut.
Dieses Versprechen wollte sich auch das Paar geben, das im Wald heiraten wollte. Alles war bereit. Musik, Hochzeitsgäste, Bräutigam. Doch: Die Braut kam nicht. Und kam nicht. Keiner konnte sie am Handy erreichen. Tannek schickte schließlich einen Gast per Radl ins nächste Dorf, dort, wo die Braut ein Zimmer hatte. Der Bräutigam in der Zwischenzeit: völlig aufgelöst. „Er konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich nicht kommt. Ich hab’ ihm einfach gut zugeredet“, erzählt Tannek. Und plötzlich: erscheint wild hupend ein Traktor. Im Schlepptau: die Braut in einem alten Käfer. Das Auto wollte nicht mehr, ganz im Gegenteil zur Braut. Und so wurde es doch noch eine wunderschöne Waldhochzeit.
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Der Wunsch, ihrem Papa eine Freude zu machen, war größer als der nach einer perfekten Hochzeit.
Oder es gibt die Geschichte, in der eine Braut aus Liebe zu ihrem Papa riskierte, dass nicht alles nach Plan läuft. Weil der Papa eine Reederei hatte, überlegte sie sich, im Schlauchboot vorzufahren. Die Ausstiegsstelle: keine einfache. Sie weihte im Vorfeld nur ihren Bruder ein, drückte kurz vor der Trauung Tannek ihre Brautschuhe in die Hand und wollte zum Boot. „Ich wollte es ihr noch ausreden. Was, wenn sie den Ausstieg verpasst hätte?“ Aber der Wunsch, ihrem Papa eine Freude zu machen, war größer als der nach einer perfekten Hochzeit. Am Ende ging alles gut, alle waren gerührt.
Christian Tannek weiß genau, auf was es ankommt
Christian Tannek hat das Glück, dass er nicht nur besondere Liebesgeschichten erzählt bekommt, er lebt auch seine eigene. Er ist seit zehn Jahren mit seiner Frau Kerstin verheiratet, drei Jungs machen die Familie komplett. Deshalb weiß er so genau, auf was es ankommt. Vertrauen, dass man auf den anderen zählen kann, wenn’s mal eng wird.
Dank seiner Familie schaffte es Tannek pünktlich zur Trauung
So eng wie damals, als er fast eine Hochzeit verpasst hätte, weil alle Flüge gestrichen wurden. Doch nach einer 15-stündigen Odyssee mit Bus und Bahn erreichte er zwei Stunden vor der Hochzeit den Münchner Hauptbahnhof, unrasiert, ungeduscht, aber: ganz besondere Unterstützung wartete bereits. Seine Frau holte ihn ab, im Auto – mangels Babysitter – alle drei Kinder. Tannek hatte seine Frau von unterwegs instruiert, welche Technik er für die Trauung braucht, sie bereitete alles perfekt für ihn vor. „Und im Auto berührt mich plötzlich von hinten eine kleine Hand, drückt mir einen Obstsalat in die Hand“, erzählt Tannek und hat wieder Tränen in den Augen. Sein Sohn war besorgt, denn er glaubte, dass sein Papa „bestimmt nichts Vernünftiges gegessen hatte“. Dank seiner Familie schaffte es Tannek pünktlich zur Trauung und hielt – geduscht und rasiert – eine bewegende Rede.
Der Zauber der Liebe soll nicht verloren gehen
Hauptberuflich möchte der Optiker trotzdem nicht als freier Trauredner arbeiten. Gerade weil es ihm so am Herzen liegt, sich mit Menschen über ihre Liebesgeschichten zu unterhalten. „Wenn ich davon meine Familie ernähren wollen würde, müsste ich viel mehr Trauungen machen.“ Und das will er nicht. Damit der Zauber der Liebe nicht verloren geht.
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