Für unverschuldete Zugausfälle: BRB zahlt Millionenstrafen – Chef sieht Infrastruktur „am Ende“
Die BRB muss jährlich Millionenstrafen zahlen – auch wegen Zugausfällen, die nicht selbst verschuldet sind. Warum das so ist, erklärt der Geschäftsführer im Interview.
Landkreis – Arnulf Schuchmann, Geschäftsführer der Bayerischen Regiobahn (BRB), hat kürzlich vor einer „dramatischen Lage“ gewarnt, weil der Kostendruck auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen steige. Wie berichtet, nannte Schuchmann als zentralen Grund dafür weggefallene Umsätze und hohe Kosten für Schienenersatzverkehr sowie Strafzahlungen, die die BRB für ausgefallene und verspätete Züge auch dann leisten müsse, wenn dafür die DB InfraGO als Inhaber der Gleise verantwortlich sei. Warum das so ist, wie hoch die Zahlungen sind und ob die BRB daran etwas ändern kann, erklärt der Geschäftsführer (57) nun im Interview.
Herr Schuchmann, die BRB zahlt Strafen für Ausfälle, für die andere verantwortlich sind. Warum?
Wir haben Verkehrsverträge mit der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), also faktisch mit dem Freistaat. Darin ist festgeschrieben, dass wir verschuldensunabhängig Strafen zahlen und bei Zugausfällen in den meisten Fällen kein Geld bekommen.
Das wirkt auf den ersten Blick ziemlich ungerecht.
Die Verträge stammen zum Teil aus den Jahren 2010 bis 2015 und damit noch aus einer Zeit, in der die Infrastruktur einigermaßen gut verfügbar war. Die meisten Ausfälle gingen auf witterungsbedingte Infrastrukturstörungen zurück. Wir haben also Strafen wegen Sturm, Hagel, Schnee oder beispielsweise wegen Unfällen mit Autos im Gleis mitbezahlt, was aber kein großer Anteil war. Das Problem ist, dass die Verträge seit damals nicht neu kalkuliert oder verändert wurden, die Infrastrukturstörungen aber immer mehr werden. Früher hatten wir 0,5 Prozent Ausfälle, heute sind es fünf Prozent. Die Rechnung geht für uns nicht mehr auf, weil die Zahlungen mit mehreren Millionen Euro im Jahr so hoch sind, dass man wirtschaftlich nicht mehr zurechtkommt.
Warum werden die Störungen immer mehr?
Die Infrastruktur ist so am Ende, dass sie in den vergangenen drei Jahren gekippt ist. Man hat gehofft, dass Stahl und die Technik sich langsam abnutzen, aber nicht schlagartig kippen. Das hat sich nicht bewahrheitet. Die Folge ist eine drastisch gestiegene Zahl an Baustellen mit Verspätungen und Zugausfällen für uns.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Ganz massiv verschlechtert hat sich die Strecke zwischen Weilheim-Schongau und Augsburg. Wir müssen deshalb jeden Montag schauen, ob wir fahren können, wenn der Schülerverkehr wieder anläuft. Andernfalls brauchen wir kurzfristig Busse. Ein anderes Problem sind die kaputten Schwellen durch Betonfraß. Wir haben deshalb im Berchtesgadener Land, Richtung Rosenheim, aber auch Richtung Lenggries und Fischbachau immer wieder Langsamfahrstellen, an denen wir statt 90 km/h nur 60 km/h fahren dürfen. Wenn das über zweieinhalb Kilometer gilt, ist der Fahrplan nicht mehr zu schaffen. Entsprechend werden Langsamfahrstellen oder Gleissperren von der DB InfraGO AG eingerichtet.
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Elektrifizierung soll Besserung im Oberland bringen
Durch die Bauarbeiten verbessert sich aber immerhin die Strecke.
Es ist immer ein Glücksspiel, ob es besser wird, oder sofort die nächste Störung auftaucht. Im Landkreis Weilheim-Schongau hat uns die DB InfraGO offen gesagt, dass kein Geld da ist. Die Arbeiten sind Flickwerk. Im Oberland-Netz sind die Planungen zumindest so weit fortgeschritten, dass sie etwas machen können. Aber auch hier tun sich neue Stellen auf.
Kommen Sie aus den Altverträgen mit der BEG nicht irgendwie heraus?
Nachverhandlungen sind vergaberechtlich schwierig, und es gibt sie nur in Ausnahmefällen. Die BEG vertritt die Ansicht, dass die Infrastrukturthematik wegen vergaberechtlichen Richtlinien nicht geändert werden kann. Andere Länder haben da aber schon nachgesteuert, nachdem der Bahnbetreiber Abellio pleite gegangen ist. Beispielsweise Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben die Verträge so geändert, dass die Strafen bei Eigenverschulden höher und bei Fremdverschulden niedriger ausfallen. Das ist verursachungsgerechter und fairer. Wir können ja die Schaufel nicht selbst in die Hand nehmen und die Gleise geradebiegen.
Für Sie ist also keine Besserung in Sicht.
Im Oberland hoffen wir auf die Jahre ab 2034 nach der Elektrifizierung. Dann würde auf der gesamten Strecke viel erneuert. Trotz allen Ärgers ist eine Zusammenarbeit mit Politik und DB InfraGO AG für uns höchst wichtig, um etwas zum Besseren zu bewegen. Deshalb sind wir immer gesprächsbereit und hoffen auf konstruktive Vorschläge, um weiterzukommen. Auch, wenn die Umsetzung nach unserer Ansicht leider gelegentlich zu lange dauert.
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Hat die BRB dann überhaupt noch Interesse, die Strecken im Oberland zu betreiben?
Das diskutieren wir heute wirklich noch nicht. Wir müssen erstmal abwarten: Kommt die Elektrifizierung wirklich, kommt sie in der Frist? Dann bräuchten wir eine neue Fahrzeugflotte. Das schaut man sich 2029 oder 2030 mal an, wenn man mehr weiß.
Rechnen Sie vorher mit einer Lösung für die Störungen?
Experten sagen, die Hochleistungskorridorsanierung der DB InfraGO wird die Lösung für Hauptverkehrsstrecken sein. Fürs Oberland hoffen wir auf die Elektrifizierung und wirtschaftlich allgemein bessere Zeiten. Bis dahin sehe ich zwei Lösungen. Wir haben eine kaputte und überlastete Infrastruktur mit zu vielen Zügen auf den Gleisen. Technisch wäre es deshalb sinnvoll, den Fahrplan auf einen Stundentakt aufzuweiten. Außerdem könnte man hinterfragen, ob man immer bis zum letzten Lumpensammler fahren muss.
Wir haben eine kaputte und überlastete Infrastruktur mit zu vielen Zügen auf den Gleisen.
Heute haben die Bauarbeiter nachts circa vier Stunden Zeit zwischen dem letzten und dem ersten Zug. Wenn sie stattdessen sieben Stunden hätten, könnten sie viel effizienter und kostenschonender arbeiten. Das ist aber nur in der Theorie eine Lösung, dafür müsste erst ein politischer Konsens entstehen. Auch der Freistaat müsste mit ins Boot. nap