Das neue Rentenpaket ist beschlossen – doch nun nimmt Friedrich Merz die Metall- und Elektroindustrie ins Visier: Der Kanzler fordert eine umfassendere Betriebsrente.
Berlin – Rund fünf Tage nach dem vom Bundestag verabschiedeten Rentenpaket hat Friedrich Merz (CDU) den Fokus auf die Betriebsrente gerichtet: Vor Unternehmensvertretern der Metall- und Elektroindustrie (M+E-Industrie) warb der Bundeskanzler in Berlin dafür, künftig wieder stärker über Betriebsrenten zur Alterssicherung beizutragen.
Merz setzt auf Betriebsrente: Warum die Metall- und Elektroindustrie jetzt stärker liefern soll
Bisher seien private und betriebliche Vorsorge im Drei-Säulen-Modell zu schwach, um den demografisch bedingten Rückgang des Gesamtversorgungsniveaus der gesetzlichen Rente aufzufangen. „Da müssen Sie bitte in Ihrem Unternehmen einen entsprechenden Beitrag leisten“, appellierte Merz weiter.
Branchenintern existieren dafür bereits tarifliche und institutionelle Grundlagen: Das gemeinsame Versorgungswerk MetallRente von IG Metall und Gesamtmetall wurde 2001 gegründet. So sieht etwa der Tarifvertrag über altersvorsorgewirksame Leistungen (TV AVWL) in tarifgebundenen Betrieben in NRW für Vollzeitbeschäftigte 319,08 Euro pro Jahr und für Auszubildende 159,48 Euro vor – jeweils anteilig bei Teilzeit.
Chemie als Blaupause: Was der ChemiePensionsfonds der M+E-Branche als Branchenmodell voraus hat
Merz verwies dabei auf die Modelle der chemischen Industrie. Der ChemiePensionsfonds gilt dabei seit Jahren als Vorbildlösung für eine kollektive bAV: 2024 umfasste er mehr als 125.000 Versicherte, fast 1,4 Milliarden Euro Vermögen und jährliche Beitragseinnahmen von etwa 80 Millionen Euro. Der Vorstoß passt in die aktuelle Rentenlinie der schwarz-roten Koalition: Am 5. Dezember beschloss der Bundestag das Rentenpaket 2025 mit der Verlängerung der Haltelinie beim Rentenniveau bis 2031, der Vollendung der Mütterrente und arbeitsrechtlichen Änderungen im Umfeld der Aktivrente. Parallel verabschiedete das Parlament das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz, das die Verbreitung der bAV vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen sowie bei niedrigeren Einkommen erhöhen soll.
Merz hofft auf Stabilisierung des Gesamtversorgungsniveau – und kündigt für 2026 Reformen an
Nach Angaben der Bundesregierung haben derzeit rund 52 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine Betriebsrente, in kleinen und mittleren Unternehmen jedoch deutlich seltener. Ökonomisch – so hofft es Merz – würde eine stärkere bAV in einer Leitbranche wie der M+E-Industrie daher vor allem das Gesamtversorgungsniveau stabilisieren und die gesetzliche Rente langfristig ergänzen, auch wenn die Verteilung zwischen Barlohn und Vorsorgebeiträgen in der Tarifpraxis neu austariert werden müsste. Die bisherigen Maßnahmen seien zudem nur der Anfang, kündigte Merz an: 2026 will die Regierung eine grundlegende Reform der Alterssicherung angehen – Teile davon sollen auf dem Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz aufbauen.
Rentenreform von Union und SPD umstritten – Kritik aus den eigenen Reihen, vorsichtiges Lob vom DGB
Wirtschaftsverbände und Arbeitgeber hatten das beschlossene Rentenpaket wegen hoher, langfristiger Kosten bei geringer Wirkung scharf kritisiert – und strukturelle Schritte gefordert. Auch die Junge Union hatte sich gegen die Reform gestellt und vor einer Überlastung der jüngeren Generation gewarnt – sieben Abgeordnete der CDU-Fraktion hatten in der Abstimmung im Bundestag dagegen gestimmt.
Arbeitnehmernahe Verbände wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichneten die Reform hingegen als Stabilisierung. Der DGB betonte allerdings auch, dass neue neue bAV-Formen nicht ohne Tarifbindung laufen sollten, weil sonst Mitspracherechte und Arbeitgeberbeteiligung verwässern könnten.
SPD bei Rente offener als früher – Arbeitgebervertreter wittern eine Neuauflage der Rente mit 63
Merz zeigte sich überzeugt, dass die SPD die Reformlinie mitträgt. In der Rentenfrage sei die Partei offener als in früheren Jahren. „Wenn selbst aus der SPD mittlerweile die Wortmeldungen kommen, man könnte sich ja vorstellen, den Renteneintritt nicht mehr an das Lebensalter zu binden, sondern an die geleisteten Beitragsmonate, dann sind das die ersten Hinweise darauf, dass wir auch mit der SPD vernünftig sprechen können“, versprach Merz den Unternehmern.
Dazu gehöre etwa auch, dass die SPD längst davon mit der CDU übereinstimme, die Rente noch stärker über den Kapitalmarkt zu organisieren. Insgesamt ist der Ansatz allerdings umstritten: Arbeitgebervertreter warnen vor einer Neuauflage der Rente mit 63, während Kritiker aus der Opposition und aus der Wissenschaft darauf verweisen, dass ein starrer Fokus auf Beitragsjahre neue Ungleichheiten schaffen könnte, etwa für Frauen, Teilzeitkräfte oder Arbeitnehmer mit einer längeren Ausbildung.
Merz pocht auf Reformen: Nach der Rente kommt das Bürgergeld und das heikle „kleine GKV-Sparpaket“
Ähnlich äußerte sich Merz zum Bürgergeld. Auch dort kündigte er Reformschritte noch vor dem Jahreswechsel an. Parallel zur Rentendebatte versucht die Koalition auch, die Lohnnebenkosten an anderer Stelle zu stabilisieren. Merz drängt im Vermittlungsausschuss auf eine schnelle Einigung über das „kleine Sparpaket“ der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) von Gesundheitsministerin Nina Warken.
Der größte Hebel liegt hier bei den Kliniken: Für 2026 soll die Meistbegünstigungsklausel ausgesetzt werden – ein Schritt, der die GKV um bis zu 1,8 Milliarden Euro entlasten soll.
Bundesrat weist Merz‘ Pläne zurück – darunter auch CDU-Ministerpräsidenten: Kanzler moniert hohe Kosten
Genau dieser Schwerpunkt ist jedoch der Hauptgrund für den Streit mit den Ländern. Der Bundesrat hat das Paket deshalb in den Vermittlungsausschuss geschickt. Die Ersatzkassen begrüßten das Vorhaben zwar als notwendigen Einstieg in die Ausgabenbremse, wiesen aber zugleich darauf hin, dass damit allein auch künftig keine Beitragssatzstabilität garantiert ist.
Merz pochte vor den Unternehmen auf eine schnelle Lösung: „Wenn wir diese Entscheidung nicht treffen würden, würden die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung mindestens 0,1, eher 0,2 Prozentpunkte ansteigen.“ Nach Merz’ Rechnung würden daraus mindestens zwei Milliarden Euro für Unternehmen und Beschäftigte resultieren – und genau das gelte es zu vermeiden(Verwendete Quellen: dpa, Reuters, Bundesregierung (msw))