Kommt jetzt die Revolution in der Altersvorsorge? Wirtschaftsweise schlagen die radikale Wende vor – ein staatlich gefördertes Vorsorgedepot nach schwedischem Vorbild.
München/Wiesbaden – Während Schweden erfolgreich auf kapitalmarktbasierte Altersvorsorge setzt – und das seit Jahrzehnten, dümpelt Deutschland mit seinem Auslauf-Modell Riester-Renten-Modell vor sich hin. Der Sachverständigenrat Wirtschaft, die sogenannten Wirtschaftsweisen, wollen das ändern: Mit einem neuen Vorsorgedepot sollen alle Erwerbstätigen automatisch vom Kapitalmarkt profitieren und ihnen so renditestarker Vermögensaufbau und die Kapitalbildung zur Absicherung im Alter ermöglicht werden. Ein am Freitag (28. November) veröffentlichtes Arbeitspapier verrät die Details.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Das Modell Rieser-Rente ist gescheitert. Nur 40 Prozent der anspruchsberechtigten Deutschen haben überhaupt je einen Riester-Vertrag abgeschlossen, bereits ein Viertel von ihnen kündigte den Vertrag inzwischen vorzeitig. Was einst als große Rentenreform gefeiert wurde, ist heute zum „Synonym für niedrige Renditen, hohe Kosten und Bürokratie geworden“, wie die Wirtschaftsweisen Ulrike Malmendier und Martin Werding konstatieren.
Neustart der Rente: Wirtschaftsweise fordern renditestarke Altersvorsorge nach Schweden-Vorbild
Darum schlagen die Ökonomen des Sachverständigenrats eine radikale Wende vor: den Neustart der privaten Altersvorsorge in Deutschland über ein staatlich gefördertes Vorsorgedepot nach schwedischem Vorbild. Wie das deutsche beruht auch das schwedische Rentensystem auf drei Säulen: der staatlichen Rente, den Betriebsrenten sowie freiwilliger privater Vorsorge.
In Schweden ist jedoch die Prämienrente von 2,5 Prozent des Gehalts obligatorisch und in das staatliche Rentensystem integriert. Ihr Erfolgsgeheimnis: niedrige Kosten, renditestarke Anlagen und eine automatische Teilnahme aller Erwerbstätigen. Der staatliche schwedische Standardfonds AP7 habe in den Jahren 2000 bis 2024 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 8,6 Prozent bei Verwaltungsgebühren von nur 0,06 Prozent erzielt, so der Sachverständigenrat.
In ihrem Arbeitspapier legen Ulrike Malmendier, Claudia Schaffranka, Milena Schwarz und Martin Werding den bereits im kürzlich veröffentlichten Jahresgutachten 2025/26 enthaltenen Vorschlag des Sachverständigenrats für die Gestaltung des staatlich geförderten Vorsorgedepots dar. Dieses soll die Alterssicherung und die lebenslange Vermögensbildung, auch und gerade für einkommensschwache Haushalten ermöglichen.
Das sind die sieben Säulen der neuen Vorsorgedepots:
- Automatisch dabei – außer man steigt gezielt aus: Jeder Arbeitnehmer wird automatisch angemeldet, kann aber jederzeit aussteigen. Das macht es besonders einfach für Menschen mit geringerem Einkommen oder Finanzwissen.
- Nur renditestarke Fonds: Erlaubt sein sollen nur breit gestreute Aktienfonds und ähnliche Anlagen. Garantieprodukte sind verboten, weil sie die Rendite rasant senken.
- Übersichtliche Auswahl: Eine unabhängige Stelle wählt nur die besten und günstigsten Fonds aus – wie in Schweden. Keine Verwirrung durch hunderte Optionen.
- Jung risikoreich, alt sicher: Das System passt sich als „Lebenszyklusmodell“ automatisch dem Alter an. In jüngeren Jahren wird überwiegend in aktienbasierte, renditestärkere Fonds investiert, später schrittweise in sichere Anlagen zum Schutz des Ersparten.
- Staatsfonds als Maßstab: Wer sich nicht entscheidet, bekommt automatisch den staatlichen Standardfonds. Private Anbieter müssen genauso gut und günstig sein, um eigene Produkte anbieten zu dürfen.
- Flexible Auszahlung: Bei Rentenantritt kann jeder selbst entscheiden: Soll es eine monatliche Rente, größere Auszahlungen oder variable Beträge sein. Niemand muss sein Geld verpflichtend verrenten lassen wie bei der Riester-Rente.
- Förderung bleibt: Die staatlichen Zulagen und Steuervorteile der Riester-Rente bleiben erhalten – besonders wichtig für Geringverdiener.
Modell Schweden: Altersvorsorge mit guter Rendite, aber ohne Aktien-„Zockerei“
Das Vorsorgedepot folgt einem Lebenszyklusmodell, „das in jungen Jahren hohe Aktienquoten aufweist und das Risiko mit zunehmendem Alter schrittweise reduziert“, sagt Martin Werding.
Das heißt: Wer keine aktive Entscheidung trifft, erhält automatisch dieses staatliche Produkt, das zugleich Maßstäbe für Qualität und Kosten für den gesamten Markt setzt. Private Anbieter können mit eigenen Produkten konkurrieren – aber nur, wenn sie ähnlich kostengünstig und transparent sind: „Das staatlich verwaltete Standardprodukt fungiert als Default-Lösung für die, die kein Produkt auswählen oder auswählen wollen“, so Werding.
„Nicht noch einmal vermasseln“: Wirtschaftsweise plädieren für Renten-Revolution
Mit dem Vorsorgedepot könne „das verloren gegangene Vertrauen in die geförderte Altersvorsorge zurückgewonnen werden“, sagt Ulrike Malmendier vom Sachverständigenrat Wirtschaft. Dieses sei mit der Riester-Rente schon einmal versucht worden, teure Garantieprodukte und hohe Kosten hätten jedoch sehr viel Rendite gefressen: „Noch einmal sollte es nicht vermasselt werden“.