Wahl in Südafrika: Mandela-Partei ANC muss um Mehrheit fürchten
Südafrika steht an einem politischen Scheideweg. 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid könnte die unangefochtene Dominanz des ANC ins Wanken geraten.
Johannesburg – Genau 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid ist Südafrika kurz vor den Wahlen am Mittwoch (29. Mai) stark gespalten. Glühende Loyalität und große Kritik stehen einander gegenüber. Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) könnte erstmals seit 30 Jahren seine absolute Mehrheit verlieren.
Loyalität zu Nelson Mandela und dem ANC: Viele halten bei der Südafrika-Wahl der Partei ihre Treue
Das 62-Millionen-Einwohner-Land am Kap Afrikas steht vor einer großen Entscheidung. Bei der Wahl am Mittwoch wird ein neues Parlament gewählt, das dann einen neuen Präsidenten bestimmt. Der derzeitige Präsident und ANC-Vorsitzende Cyril Ramaphosa strebt eine zweite Amtszeit an. Zuletzt hatte es 2019 Wahlen in Südafrika gegeben, damals erreichte der ANC die absolute Mehrheit.

Insgesamt sind 27,6 Millionen Wahlberechtigte dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Es könnte das erste Mal sein, dass der ANC zu einer Koalitionsregierung gezwungen sein wird.
Mehr als 50 Parteien konkurrieren um die 400 Sitze des südafrikanischen Parlaments. Eine der Oppositionsparteien wird geführt von Jacob Zuma, der früher auch dem ANC angehörte. Er war von 2009 bis 2018 Präsident Südafrikas und gilt als einer der umstrittensten Politiker in der Geschichte des demokratischen Landes.
Zuma musste damals wegen einer Serie von Korruptionsskandalen zurücktreten. Er überwarf sich in der Folge mit dem ANC und gründete eine neue Partei. Der 82-Jährige genießt eine große Unterstützung in der Bevölkerung.

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Vergangene Woche hatte ein Gericht allerdings die Entscheidung getroffen: Zuma darf überhaupt nicht zur Parlamentswahl antreten. Begründet wurde dies mit der Tatsache, dass er 2021 zu einer Haftstrafe von mehr als zwölf Monaten verurteilt wurde.
Seine Inhaftierung führte damals zu einer Welle der Gewalt in Südafrika, bei der mehr als 350 Menschen getötet wurden. Beobachter fürchten, dass es nun erneut gewalttätige Proteste geben könnte, da Zuma von der Wahl ausgeschlossen wurde.
Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) hat eine lange Geschichte. Freiheitskämpfer Nelson Mandela hatte mit seiner Partei ANC im Jahr 1994 für das Ende der Apartheid gesorgt. Seitdem regiert die Partei alleine. Allerdings steht sie in jüngster Zeit schwer in der Kritik. Die Unzufriedenheit hat zugenommen.
Die hohe Arbeitslosigkeit, die schwache Wirtschaft, die Zunahme von Gewaltverbrechen, Korruption, Ungleichheit und die ständigen Stromausfälle führen dazu, dass sich viele Südafrikaner inzwischen enttäuscht von der Regierungspartei abwenden. Das schreibt die Nachrichtenagentur AFP.
Allerdings gibt es auch noch Millionen andere, die der ehemaligen Befreiungsbewegung, die ihnen die Demokratie brachte, trotz allem treu bleiben. Sie halten der Partei von Mandela die Treue.
Bevor der ANC uns gerettet hat, wurden wir in unserem eigenen Land wie Untermenschen behandelt. Wir waren nichts.
„Bevor der ANC uns gerettet hat, wurden wir in unserem eigenen Land wie Untermenschen behandelt. Wir waren nichts“, sagt Gugulethu Sigcau. Sie ist Rentnerin und lebt in der Innenstadt von Johannesburg. „Ich werde für niemanden anderen stimmen“, verkündet die 71-Jährige. Alle Schwarzen sollten es ihr gleichtun, denn der ANC „hat uns befreit“.
Die jüngeren Südafrikaner hingegen blicken auch eher auf die Versäumnisse der ANC-Regierung, haben das Apartheid-Regime vor 1994 zum Teil nie erlebt. Diese Differenzen halten aber nicht jeden von Gesprächen ab. Der Sporttrainer April zum Beispiel hat es nach eigenen Angaben nie aufgegeben, mit seiner 62 Jahre alten Mutter über Politik zu sprechen. „Sie versteht nicht einmal, wie jemand auf die Idee kommen kann, eine andere Partei als den ANC zu wählen“, erzählt der 38-Jährige. Noch weiß April nicht, bei welcher Partei er am Mittwoch sein Kreuz machen wird. Beim „arroganten“ ANC, der nur noch seine eigenen Interessen im Blick habe, auf jeden Fall nicht.

In Umfragen liegt der ANC derzeit zwischen 40 und 45 Prozent Stimmenanteil. Für eine absolute Mehrheit dürfte es also knapp werden. Hlengiwe Ndlovu, Professorin an der südafrikanischen Universität Witswatersrand, rechnet den ANC-Hochburgen auf dem Land eine Schlüsselrolle bei der Abstimmung am Mittwoch zu, heißt es weiter in der Meldung der Nachrichtenagentur AFP. „Die großen Oppositionsparteien haben sich nicht strategisch genug positioniert, um diese ländlichen Wahlkreise zu erreichen“, sagt sie.
Sibongile Mdluli stammt vom Land. Als sie ihr Dorf „mit nichts in der Tasche“ verließ, um in Johannesburg Arbeit zu suchen, half ihr der ANC. So sei sie an eine kostenlose Wohnung mit Wasser und Strom gekommen, sagt die 55-Jährige. „Ob es einem gefällt oder nicht, der ANC hat unser Leben verbessert“, ist die Müllarbeiterin überzeugt.

Im Wahlkampf erinnerten Mandelas Erben vor allem an die Fortschritte seit dem Ende der Apartheid. „Reichen 30 Jahre, um die Auswirkungen von Kolonialismus und Apartheid zu beseitigen?“, fragte Präsident Cyril Ramaphosa in seiner Rede zum Jubiläum der Partei im Januar und gab auch gleich die Antwort: „Wir brauchen mehr Zeit!“
ANC hat „sehr hohes Maß an Arroganz“: Besonders junge Wähler sind bei Wahl in Südafrika entscheidend
Professorin Ndlovu attestiert dem ANC „ein sehr hohes Maß an Arroganz“. „Sie sehen keine der Oppositionsparteien als wirkliche Bedrohung“, urteilt sie. Die Partei habe nicht von anderen afrikanischen Befreiungsbewegungen gelernt, die von der Macht verdrängt wurden.
Die Stimmen der Jungen könnten sich bei dieser Wahl als entscheidend erweisen. Jeder fünfte Wähler ist zwischen 18 und 29 Jahre alt. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 45,5 Prozent kehren viele dem ANC den Rücken.
Nicht alle jüngeren Südafrikaner sind entschlossen gegen den ANC bei der Südafrika-Wahl
Der 22-jährige Gomolemo Pheko, der vor kurzem seinen Abschluss in Physik machte, teilt diesen Unmut nicht. Ohne den ANC wäre sein Leben „nichts“, sagt er. Die Partei habe seine Eltern aus der Armut geholt und sein Studium finanziert.
Deshalb verzeiht er dem ANC die Schwäche im Kampf gegen Wirtschaftskrise und Kriminalität. Eine der mehr als 50 anderen politischen Gruppierungen kommte für Pheko nicht infrage – ebenso wenig wie für die Müllarbeiterin Mdluli: „Ich bin blind vor Liebe für den ANC, für mich gibt es keine andere Partei.“

Bereits seit Montag (27. Mai) können Wähler und Wählerinnen ihre Stimme bereits vorzeitig abgeben. Etwa 1,6 Millionen Menschen, die am Mittwoch bei der Wahl etwa wegen ihrer Arbeit verhindert sind, konnten am Montag und können auch noch am Dienstag in den Wahllokalen abstimmen.
Zudem besuchen Mitarbeiter der Wahlkommission Wähler mit körperlichen Einschränkungen zu Hause, im Altersheim oder in Krankenhäusern und sammeln Stimmen von Insassen in Gefängnissen ein. (Rebecca Fulle, AFP)
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