Jan-Ulrich Maue will den Rundfunkbeitrag nicht zahlen. Vor Gericht begründet er das mit fehlender Ausgewogenheit bei ARD und ZDF – und mit einem Manifest.
18,36 Euro. So viel kostet der Rundfunkbeitrag im Monat. Grundsätzlich ist jeder deutsche Haushalt verpflichtet, ihn zu zahlen. Es gibt ein paar Ausnahmen, zum Beispiel für Bürgergeldempfänger.
Die überwiegende Mehrheit – 93 Prozent – überweist den Beitrag pünktlich. Rund 560.000 Menschen zahlten 2022 nach Angaben des Beitragsservices von ARD und ZDF aber auch nach mehrfacher Aufforderungen nicht und erhielten dementsprechend ein Mahnschreiben. Wer dann immer noch nicht zahlen möchte, dem bleibt der Gang zum Gericht.
Zu einem Gerichtsverfahren kommt es, wenn Beitragszahler Ihre Beitragspflicht gerichtlich überprüfen lassen möchten. So wie Jan-Ulrich Maue. IPPEN.MEDIA war beim Prozess dabei.
Wegen Rundfunkgebühren vor Gericht: Im ÖRR werde „sehr einseitig und regierungskonform berichtet“
Maue, Anfang 50 und in der IT-Branche angestellt, kommt aus Garching bei München. An einem Montag im Mai steht er im Sitzungssaal 6 des Bayerischen Verwaltungsgericht in München. Maue hat Unterstützung mitgebracht. Sechs Freunde sind mit dabei. Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind nicht anwesend. Der für die Streitsache zuständige Bayerische Rundfunk hat seine Positionen schriftlich geschickt.
Maues Aussichten auf Erfolg sind schlecht. Schon mehrere Gerichte hatten juristisch festgestellt, dass der Rundfunkbeitrag verfassungsgemäß ist. Das weiß Maue. Klagen will er trotzdem. Ein Stück weit aus Prinzip. Aber auch, weil er glaubt, dass sich die Gemengelage verändert hat. Konkret geht es um ein Manifest von Mitarbeitern des ÖRR – dazu später mehr. Maues Argumentation: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei nicht ausgewogen und komme deshalb seinem Auftrag nicht nach. „Da wird sehr einseitig und regierungskonform berichtet“, meint er. Er selbst sei politisch weder rechts noch links. „Die Zeiten der politischen Einordnung in links und rechts sind überholt und ich möchte mich auch nirgends einordnen“.
Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA betont Maue immer wieder, dass er „ein ganz normaler Bürger“ sei. „Ich bin kein Querulant, der kein Geld bezahlen will.“ Vor Gericht geht es an diesem Tag um die überschaubare Summe von 118,16 Euro. Sie ergibt sich aus sechs Monaten Rundfunkbeitrag plus einem Mahnzuschlag. Maue ist nach eigener Aussage durchaus bereit, die Kosten zu tragen. „Aber nur für einen unabhängigen und neutralen Rundfunk.“ Das sei bei ARD, ZDF und deren Spartenprogrammen nicht der Fall. „Der ÖRR ist nicht ausgewogen und hat in der Vergangenheit, zum Beispiel während Corona, ganz klar Lügen verbreitet“, meint er.
Gerichts-Streit über Rundfunkgebühren: Münchner verweist auf Angst vor Krieg
Vor Gericht wiederholt Maue diese Vorwürfe. „Mir geht es nicht darum, den Rundfunk abschaffen zu wollen. Aber er gehört reformiert. Dann bin ich auch bereit, zu zahlen.“ Ein „unabhängiger ÖRR“ sei für die politische Meinungsbildung sehr Bevölkerung maßgeblich. Das sieht Maue nicht gegeben. Vor Gericht spricht er immer wieder von „Zwangsgebühren“, da er „für etwas bezahle, was eindeutig nicht unabhängig, sondern stark tendenziös ist.“ Zudem habe er Angst. „Wir sollen kriegstüchtig gemacht werden“, sagt Maue. Deutschland werde auch durch die Berichterstattung des ÖRR „in einen Krieg hineinmanövriert“.
Der Vater eines 14-jährigen Sohnes nennt ein Beispiel aus den ZDF-Kindernachrichten „logo!“, das im April für viel Aufsehen gesorgt hatte. Ein rund einminütiger Clip unter dem Titel „Kein Taurus für die Ukraine“ wurde auf den Social-Media-Kanälen von „logo!“ geteilt. Darin zu sehen: der deutsche Taurus-Marschflugkörper, die französische SCALP-Rakete, der britische Marschflugkörper Storm Shadow und der Kampfpanzer Leopard 2, der unter polnischer Flagge geführt wird. Die Waffen können sprechen und sind mit Gesichtern versehen. Taurus sagt: „Dem Olaf Scholz müssten wir Marschflugkörper mal ordentlich den Marsch blasen. Weil der sich doch weigert, mich in die Ukraine zu liefern.“
Das Zweite sah sich mit dem Vorwurf der Kriegspropaganda konfrontiert und entschuldigte sich später. Man nehme die Kritik ernst, hieß es. Der Beitrag sei aber Teil eines „Comedy-Formats, das Dinge bewusst überspitzt darstellt und als solches auch erkennbar ist“.
Richterin: „Programmkritik gibt kein Recht, den Rundfunkbeitrag zurückzuhalten“
Die Richterin hört sich die Argumentation Maues geduldig an. Letztlich wird sie sich in ihrem Urteil aber auf höherinstanzliche Gerichte berufen. So teilt sie Maue noch im Gericht mit Blick auf eine Entscheidung des VGH mit: „Programmkritik gibt kein Recht, den Rundfunkbeitrag zurückzuhalten.“ Man solle sich in so einem Fall an den Rundfunkrat wenden. Gleichzeitig sei es „schade, dass bei solchen Verhandlungen oft niemand vom Bayerischen Rundfunk kommt, denn dann könnten Sie sich direkt austauschen.“
Maue bezeichnet den Rundfunkrat als „zahnlosen Tiger“ und meint: „Das Gericht sollte zur Kenntnis nehmen, dass sich die Zeit weiterentwickelt hat, dass es neue Fakten gibt.“ Dann holt er ein Schreiben aus seiner Tasche. „Das ist das Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das würde ich Ihnen gerne überreichen.“
Anfang April hatten Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio ein Schreiben veröffentlicht, in dem sie die Ausrichtung des ÖRR beklagen. Darin sehen sie den Programmauftrag und die im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Gefahr. So beobachten die Autorinnen und Autoren, die teils mit Klarnamen, teils anonym auftreten, eine „Eingrenzung des Debattenraums“, ein Verschwimmen von „Meinungsmache und Berichterstattung“ sowie zu wenig „inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen“.
Das Manifest ist Maues Kernargument. „Es zeigt, dass es hier wirklich einen Missstand gibt“, sagt der Garchinger. „Diese Information gab es zum Zeitpunkt der Urteile, die Sie mir zugesandt haben, noch nicht. Daher sollte das wirklich neu beleuchtet werden.“ Die Richterin gibt die Ausführungen Maues zu Protokoll und schließt die Verhandlung nach knapp einer Stunde. Ein rechtskräftiges Urteil gibt es nach maximal fünf Monaten. Zwei Wochen nach der Sitzung erhält Maue den Tenor des Urteils. Tendenz: Die Klage wird abgewiesen. Wie erwartet muss der Kläger den Rundfunkbeitrag bezahlen. (as)
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.
Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!