SPD wagt Vorstoß zur globalen Milliardärssteuer – laut Ökonomen hätte sie nur Vorteile

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Seit Jahren werben Ökonomen für eine strengere Besteuerung von Milliardären. Nun zeigt sich auch die SPD offen für eine globale Regelung – und dennoch bleibt eine Einführung unrealistisch.

Berlin – Globale Krisen wie Klimawandel, Hunger, Pandemien und Kriege verschärfen die weltweite Ungleichheit: Während die Vermögen der Reichsten weiter wachsen, verschlechtert sich die Lage der ärmsten Bevölkerungsgruppen. Auch deswegen haben sich beim G20-Gipfel im November 2024 erstmals auch führende Industrienationen für eine gerechtere Besteuerung von Milliardären ausgesprochen. Während sich der damalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) noch ablehnend zeigte, signalisiert sein Nachfolger Lars Klingbeil (SPD) größere Offenheit.

SPD bringt Milliardärssteuer zurück ins Spiel – Ökonomen heben positive Effekte hervor

Auf eine Anfrage der außenpolitischen Sprecherin der Grünen, Deborah Düring, erklärte das Bundesfinanzministerium, dass die Regierung „im Rahmen der Diskussion über eine ‚globale Milliardärssteuer‘ die internationalen Bemühungen zur effektiven Besteuerung besonders hoher Vermögen“ unterstütze. Zwar bleibt auch Klingbeils Ministerium ebenso vage wie die G20-Staaten im November, doch immerhin signalisiert die SPD grundsätzliches Interesse.

Bleibt als Finanzminister oder Parteichef der starke Mann der SPD: Lars Klingbeil.
Das Finanzministerium von Lars Klingbeil gibt sich offen gegenüber einer globalen Milliardärssteuer. © Moritz Frankenberg/dpa

Das Konzept hinter der Steuer stammt vom französischen Ökonomen Gabriel Zucman: Demnach sollen alle Personen mit einem Vermögen von über einer Milliarde US-Dollar künftig jährlich zwei Prozent ihres Vermögens als Steuer an ihren Wohnsitzstaat abführen. Weltweit könnten durch die Abgabe laut Zucman rund 250 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen erzielt werden, die für Investitionen in den jeweiligen Ländern sowie Steuerentlastungen für die Bürger verwendet werden könnten.

In Deutschland gäbe es nur rund 200 Betroffene – aber bis zu 16,9 Milliarden Euro wären möglich

In Deutschland kämen laut Berechnungen von DIW-Steuerexperte Stefan Bach bei einer Milliardärssteuer rund 5,7 Milliarden Euro pro Jahr zusammen – nur rund 200 Personen wären zudem betroffen. Würde man bereits Vermögen ab 100 Millionen Euro besteuern, läge das Steueraufkommen sogar bei etwa 16,9 Milliarden Euro jährlich. Als Gegenargument führen Kritiker hingegen an, dass die Steuer negative Folgen für den jeweiligen Wirtschaftsstandort im Land hätte – Reiche könnten abwandern, Unternehmen Produktionsstätten oder ihren Firmensitz ins Ausland verlagern.

Auf Basis dieser Argumentation lehnte der französische Senat im Juni einen entsprechenden Gesetzesentwurf ab. Zucman kritisiert seit Jahren die extreme Schieflage bei der Besteuerung der Superreichen: Durch Konstrukte wie Briefkastenfirmen in Steueroasen zahlen sie im Schnitt nur rund 0,5 Prozent auf ihr Vermögen.

Deutsche Staat lässt sich Milliarden entgehen – auch wegen Veto der Unionsparteien

Nach Angaben von DIW-Präsident Marcel Fratzscher liegt die durchschnittliche Vermögensbesteuerung in Deutschland sogar nur bei etwa 0,4 Prozent jährlich – noch unter dem internationalen Durchschnitt. Während in Ländern wie den USA, Frankreich oder Großbritannien private Vermögen drei- bis viermal stärker besteuern würden, ist Deutschland Spitzenreiter darin, Arbeit stark und Vermögen gering zu besteuern. Statt potenziell 80 bis 120 Milliarden Euro nimmt der deutsche Staat laut Fratzscher derzeit lediglich rund 40 Milliarden Euro jährlich durch vermögensbezogene Steuern ein.

„Dass die Bundesregierung eine globale Milliardärssteuer grundsätzlich unterstützt, ist ein wichtiges Signal“, sagt Düring und ergänzte, dass eine Einführung einem „Finanzminister der SPD sicher gut zu Gesicht“ stehe. Äußerst fraglich bleibt allerdings, ob ein Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und CSU-Chef Markus Söder den Vorstoß unterstützen würden.

CSU und CDU bleiben bei ihrem Nein – besonders Familienunternehmer sehen sich gefährdet

Beide haben sich in der Vergangenheit klar gegen eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer ausgesprochen. Auch im Koalitionsvertrag fehlt ein entsprechender Passus. Kritiker befürchten, dass eine Vermögens- oder Milliardärssteuer vor allem Familienunternehmen und deren Eigentümer belasten könnte. Hier liegt das Firmenvermögen in Maschinen, Gebäuden oder sonstigen Sachwerten – und weniger auf den Festgeldkonten. Höhere Steuern könnten dieses Modell gefährden, so die Argumentation. Dabei zielt die ursprüngliche Idee von Zucman eher auf das Privatvermögen der Inhaber ab, das bei der Mehrzahl ausreichen dürfte, um die Aufwände zu decken. Und ohnehin dürfte der klassische Inhaber eines Familienunternehmens nicht über die Milliardengrenze fallen.

Bundesverfassungsgericht setzt Vermögenssteuer aus – Union und FDP lehnen Wiedereinführung ab

Zuletzt wurde die Vermögenssteuer 1996 erhoben – damals erzielte Deutschland Einnahmen von rund fünf Milliarden Euro. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem die Bewertung von Vermögen im Rahmen der Vermögenssteuer gegen das Gleichbehandlungsgebot im Grundgesetz verstieß, wurde sie ab 1997 ausgesetzt. Das Problem: Immobilien wurden im Vergleich zu Geldvermögen deutlich zu niedrig bewertet – laut Bundesverfassungsgericht eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zugunsten der Immobilienbesitzer.

Eine entsprechende Anpassung der Steuer lehnte die damalige Koalition aus Union und FDP damals ab. Die Erhebungskosten und der bürokratische Aufwand seien zu hoch, außerdem sei die Steuer aus ökonomischer Sicht wachstumshemmend gewesen. Nach Schätzungen des Netzwerks Steuergerechtigkeit entgingen dem Staat seit der Aussetzung der Vermögenssteuer im Jahr 1997 rund 380 Milliarden Euro an Einnahmen.

Andere Länder sind weiter: Was Deutschland von Norwegen, Spanien oder Buffett lernen könnte

In Ländern wie Spanien, Norwegen oder der Schweiz gibt es bereits eine Vermögenssteuer. Ansonsten macht es auch Warren Buffet vor, wie sich Milliardäre gemeinnützig einbringen können. Das Aktienorakel hat angekündigt, nach seinem Tod 99 Prozent seines Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden. Mit dann 148,5 Milliarden Euro käme eine beachtliche Summe zusammen.


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