Emotionale Debatte über Betreuungskosten
Geplante Beitragserhöhungen für die Kindertagesstätten treiben Familien in Weßling um. An der Umstrukturierung der Gebührenlandschaft gibt es Kritik. Bei change.org wurde eine Online-Petition hochgeladen.
Weßling – In Zeiten knapper Kassen steigen auch die Beiträge für Kindertagesstätten in Weßling. Die letzte Erhöhung liegt kaum ein Jahr zurück und war vergleichsweise gering, die nächste für 2024/2025 und das Folgejahr steht nun aber an. Seit Monaten diskutieren Gemeinde und Elternbeiräte die Zahlen. In einem offenen Schreiben kritisiert die Interessengruppe Kinderbetreuung Weßling das Vorgehen und die Preispolitik der Gemeinde. In der Gemeinderatssitzung am 5. März wollen die Gemeinderäte entscheiden.
Die Interessengruppe setzt sich aus Elternbeirätinnen und -räten der Kindertagesstätten und Mittagsbetreuung zusammen. Auch in anderen Städten und Gemeinden müsse gespart werden und es stiegen die Gebühren. „Aber in Weßling stellt sich die Situation vollkommen anders dar“, heißt es in dem Brief, den die Elternbeiräte auch an die Tageszeitungen geschickt haben. „Als Ergebnis eiligst anberaumter Sitzungen und Informationsveranstaltungen, die weder transparent noch auf der Gemeinde-Homepage im Voraus angekündigt wurden, sehen sich die meisten Familien aktuell für dieses Jahr mit Beitragssteigerungen in Höhe von durchschnittlich 100 Euro pro Kind und Monat konfrontiert.“ Geplant sei eine nochmalige Erhöhung um den selben Betrag.
„Uns allen ist vollkommen klar, dass jeder, auch junge Familien, ihren Beitrag zur aktuell schwierigen Finanzlage leisten müssen“, schreiben die Eltern. Klar sei auch, dass gute Kinderbetreuung Geld koste. „An die jährliche Beitragserhöhung haben wir uns bereits gewöhnt. Wir sind, so unser Eindruck aus den zuletzt erfolgten Gesprächen untereinander, durchaus auch bereit, vernünftige Beitragserhöhungen über mehrere Jahre verteilt mitzutragen.“ Doch die aktuell im Raum stehenden Zahlen seien vollkommen indiskutabel „und stellen aus unserer Sicht einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die finanzielle Planung und Existenz der Familien dar“. Auf Anfrage, in welchen Bereichen die Gemeinde noch weitere Einsparungen vornehmen werde, sei nur die Streichung der Subventionen für Musikunterricht in der Musikschule Gilching genannt worden, „was hauptsächlich Kinder und deren Familien betrifft“.
Trotz sinkender Personalzahlen, geschlossener Krippen und Betreuungsengpässen, in denen die Eltern immer wieder die Betreuung selbst organisieren müssten, werde hier eine „unverhältnismäßige Gebührenpolitik betrieben“, die manche Eltern in eine finanzielle Notlage manövrieren könne.
Bürgermeister Michael Sturm versteht die Nöte der Eltern. Im Gespräch mit dem Starnberger Merkur erinnert er daran, dass in dem zu beratenden Konzept beispielsweise die Krippengebühren um mehr als 100 Euro, also 20 Prozent, gesenkt würden. „Wenn eine Familie ein Kind in der Krippe hat und eins im Kindergarten, spart sie mehr als 20 Euro im Monat.“ Im Vergleich zu den Gebühren vor zehn Jahren habe die Gemeinde die Kosten gesenkt. „Alle Eltern von früher haben teilweise deutlich mehr bezahlt als heute, denn es gab weder Zuschüsse noch andere Zahlungen vom Staat.“ Seit 2021 bezuschusst der Freistaat die Elternbeiträge für die gesamte Kindergartenzeit mit 100 Euro pro Kind und Monat. Wenig konstruktiv seien nach monatelangen Gesprächen nun aber auch Aussagen der Elternbeiräte vom Kinderhaus Regenbogen, dass es gar keine Erhöhung geben dürfe, findet Sturm. Er kritisiert, das zum Teil mit falschen Zahlen Stimmung gemacht werde, auch in der Petition, die von Elternbeiräten im Internet hochgeladen worden ist. „Wir alle wollen doch eine gute Betreuung und wir arbeiten an Lösungen“, sagt er und bittet um Sachlichkeit.
Die Tariferhöhungen bei den Erzieherinnen und Erziehern schlugen für die Gemeinde mit mehr als 100 000 Euro zu Buche. Dies wurde über die Gebührenerhöhung zum Teil auf die Eltern umgelegt, deckte aber nicht die gesamten Kosten. Eine weitere Erhöhung ist für März vorgesehen. „Das ist auf jeden Fall der richtige Weg für die Mitarbeiter in diesem Bereich“, bekräftigte gestern Michael Klinke, der in der Gemeinde für das Thema Kinderbetreuung zuständig ist. „Aber das Geld wächst nicht am Baum.“ Unter familienland.bayern.de finden Familien eine Auflistung von zusätzlichen Förderungen, sollten sie steigende Gebühren nicht bewältigen können.
Die Gemeinde hat nun für Freitag, 23. Februar, alle Elternbeiräte der Kindertagesstätten sowie des evangelischen Kindergartens Sonnenblume zu einem Infoaustausch in der Aula der neuen Grundschule eingeladen. Beginn: 19 Uhr. Bis zum 26. Februar sind die Elternbeiräte aufgefordert, die Vorschläge der Gemeinde zu beraten und eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Diskutiert und entschieden wird darüber in der Gemeinderatssitzung am Dienstag, 5. März.
Zahlen und Rechenbeispiele
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Derzeit gibt es in Weßling sechs Kindertagesstätten und eine Mittagsbetreuung. Die aktuell 327 Kinder werden von 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut. 2023 betrugen die Einnahmen rund zwei Millionen Euro, die Ausgaben 3,7 Millionen Euro, das rechnerische Defizit lag bei rund 1,7 Millionen Euro. Insgesamt sollen 525 000 Euro über Gebühren umgelegt werden, aufgeteilt auf zwei Betreuungsjahre, so der Vorschlag der Gemeinde in einer Berechnung, die den Elternbeiräten vorliegt. Etwa 20 Prozent der Ausgaben der Gemeinde fließen in die Kinderbetreuung.
Nach der Neustrukturierung der Gebührensatzung kostet beispielsweise ein Platz im Kindergarten (neun bis zehn Stunden) 231 Euro (abzüglich des Förderbeitrags, den der Freistaat seit 2021 in Höhe von 100 Euro monatlich zahlt). Heute zahlen die Eltern 113 Euro. Ein Platz im Hort (sechs bis sieben Stunden) kostet jetzt 188 Euro, in Zukunft 273 Euro (dafür gibt es keinen Zuschuss). Die Erhöhungen sollen über die nächsten zwei Jahre gestaffelt werden.
Ein Rechenbeispiel der Elternbeiräte: Eine Familie schickt zwei Kinder in den Waldkindergarten, ein Schulkind besucht den Hort. Derzeit zahlen die Eltern für den Platz im Waldkindergarten 177 Euro (sechs bis sieben Stunden), 100 Euro davon zahlt der Freistaat. Im Kindergartenjahr 2024/2025 kämen auf die Eltern 129 Euro mehr zu, 2025/2026 soll nochmals um 129 Euro erhöht werden. Das wären final 335 Euro pro Kind. Der Hortbesuch soll 2024/2025 85 Euro mehr kosten, 2025/2026 steht eine weitere Erhöhung nochmals um 85 Euro an. Final wären das 358 Euro monatlich (heute 188). Die Familie zahlt dann in zwei Jahren 1028 Euro im Monat für die Kinderbetreuung. Das wären monatlich 686 Euro mehr, so die Rechnung der Elternbeiräte.
Zum Vergleich: Ein Platz in einem Kindergarten in Gilching (acht bis neun Stunden) kostet 210, minus die 100 Euro vom Staat, also 110 Euro. Der Besuch des Waldkindergartens in Seefeld (Verein) kostet die Eltern netto zwischen 61 und 93,60 Euro.
In Starnberg steht eine gestaffelte Gebührenerhöhung in Höhe von 55 Prozent an. Im Betreuungsjahr 2025/26 wären dann dort statt 79 Euro (acht bis neun Stunden) 282 Euro für einen Kindergartenplatz zu zahlen (nach Abzug des Staatszuschusses).