Verschwindet bald auch letzte Barriere für Fische in einem der wenigen Wildflüsse Deutschlands?

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Das Ammerwehr bei Rottenbuch ist für Fische bislang unpassierbar. Doch das soll sich ändern. Geplant ist die Errichtung einer Aufstiegsanlage. © Hans-Helmut Herold

Wenn ab Herbst das Peißenberger Wehr an der Ammer zurückgebaut wird, verschwindet eine weitere Barriere für Fische in einem der wenigen Wildflüsse Deutschlands. Doch was heißt das für das letzte dann verbleibende Hindernis bei Rottenbuch?

Rottenbuch – Wenngleich die Ammer als einer der letzten Wildflüsse Deutschlands gilt, sind auch an ihr die Spuren des menschlichen Einflusses nicht zu übersehen. Seit Jahren laufen deshalb Bemühungen, den Wildfluss-Charakter zu bewahren und wo möglich der Ammer wieder mehr Raum zu geben.

Ein wichtiges Anliegen ist dabei auch, die Durchgängigkeit für Fische wiederherzustellen, die durch menschengemachte Eingriffe verloren gegangen ist. Erste Erfolge sind bereits zu sehen. Als jüngste Maßnahme wurde im vergangenen Winter das Oderdinger Wehr abgerissen, ab Herbst soll mit dem Rückbau des Ammer-Wehrs bei Peißenberg eine weitere Hürde für Huchen & Co. verschwinden.

Sind die Arbeiten abgeschlossen, verbleibt nur noch eine letzte unüberwindbare Barriere für die Fische im Lauf der Ammer. Sie befindet sich bei der Ammermühle in Rottenbuch. Das dortige Wehr ist Teil eines privat betriebenen Wasserkraftwerks. Es ist eine von zwei derartigen Energieerzeugungs-Anlagen an der Ammer. Anders als am Kraftwerk Kammerl, das seit seinem Neubau 2015 über eine Fischaufstiegshilfe verfügt, fehlt es in Rottenbuch bislang an einem solchen Bauwerk.

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Dass es hier Handlungsbedarf gibt, weiß man bei den zuständigen Behörden schon seit längerem. Schließlich lautet eines der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die Durchgängigkeit von Flüssen bis 2027 wiederherzustellen. Tatsächlich weise die Ammer im betreffenden Bereich einen „mäßig ökologischen Zustand“ auf, teilt das Landratsamt auf Anfrage mit. Eine geeignete Maßnahme, um ihn zu verbessern, sei die Errichtung einer Fischaufstiegsanlage.

Zuständig dafür ist der Betreiber des Wasserkraftwerks, mit dem das Landratsamt und das Wasserwirtschaftsamt deshalb seit längerem im Austausch stehen. Mittlerweile ist laut der Behörde ein Fachbüro im Auftrag des Betreibers damit beauftragt, bis Jahresende eine finale Genehmigungsplanung zu erstellen.

Auswirkungen auf Kraftwerksbetrieb

Anschließend werde diese im Zuge des durchzuführenden Wasserrechtsverfahrens geprüft. „Die Schaffung der Durchgängigkeit und damit Errichtung der Fischaufstiegsanlage sollte bis Ende 2027 umgesetzt sein.“ Die Kosten für den Bau trage der Betreiber, teilt das Landratsamt weiter mit.

Die Aufstiegshilfe könnte freilich Folgen für den Kraftwerksbetrieb haben, der auf einem alten Recht noch aus klösterlichen Zeiten basiert. Der Betrieb einer Fischaufstiegsanlage gehe grundsätzlich dem Anlagenbetrieb vor und könne durch die abzugebende Wassermenge zu Einbußen bei der Wirtschaftlichkeit der Wasserkraftanlage führen, weist das Landratsamt hin. Bei normalen Abflussverhältnissen sei die nötige Wassermenge für die Fischaufstiegsanlage und den Kraftwerksbetrieb aber in der Regel gewährleistet.

Sollte sich der private Betreiber übrigens gegen den Bau der Aufstiegshilfe und damit gegen den Weiterbetrieb entscheiden, müsste er laut Landratsamt den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Heißt, er müsste das Wehr so zurückbauen, dass eine „naturnahe Durchgängigkeit“ geschaffen werde, so die Behörde. „Die Ableitung von Wasser zum Betrieb der Wasserkraftanlage müsste ebenfalls verschlossen werden.“

Rund ein Drittel des Rottenbucher Bedarfs an Strom wird an der Ammermühle durch Wasserkraft gewonnen.
Rund ein Drittel des Rottenbucher Bedarfs an Strom wird an der Ammermühle durch Wasserkraft gewonnen. © Hans-Helmut Herold

Aus Sicht des WWF wäre eine Aufgabe des Kraftwerksbetriebs ökologisch betrachtet durchaus wünschenswert, wie Sigrun Lange vom Büro der Naturschutzorganisation in Weilheim erklärt. Erst einmal aber ist Lange froh, dass überhaupt Bewegung in die Angelegenheit kommt. Gespräche habe es immer wieder gegeben, ohne dass bislang etwas passiert sei. Die Ammer sei nun mal nicht irgendein Fluss, sondern ein ganz besonderer. „Da passt es nicht, wenn sie an dieser Stelle nicht durchgängig bleibt.“

Nicht im Boot bei der Entscheidung, wie es am Wehr weitergeht, ist die Gemeinde. „Auch wenn uns rechtlich gesehen die Ammer in dem Bereich gehört“, sagt Bürgermeister Markus Bader. Was das Kraftwerk angehe, schlagen bei ihm zwei Herzen in der Brust.

Aus ökologischer Sicht, mit Blick auf die Durchgängkeit des Wildflusses, wäre auf der einen Seite ein Rückbau sicher zu begrüßen. Auf der anderen Seite lasse sich mit dem dort erzeugten Strom von zwischen 1,3 bis 1,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr immerhin 30 Prozent des Gemeindebedarfs decken, gibt er zu bedenken. So oder so: „Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie es dort weitergeht.“

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