Gutachten als CDU-Ausrede im Richter-Streit: Jetzt spricht der Plagiatsjäger

  • Im Video oben: Jetzt eskaliert in der Union der Streit um Richterwahl

Im Streit um die Verfassungsgerichts-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf kam es am Freitagmorgen zu einer überraschenden Wendung: Unionsfraktionschef Jens Spahn erklärte seinen Abgeordneten, ein Plagiatsverdacht ziehe die fachliche Expertise der Juristin in Zweifel. Deshalb solle die Wahl nicht stattfinden. Am Donnerstagabend hatte der umstrittene österreichische Plagiatsjäger Stefan Weber seine Vorwürfe gegen Frauke Brosius-Gersdorf öffentlich gemacht.

Nach der Absage der Richter-Wahl erklärt Weber nun aber im Gespräch mit FOCUS online, die CDU und CSU hätten seine Erkenntnisse falsch interpretiert: "Es gibt keinen Plagiatsverdacht, sondern ich erhebe den Vorwurf einer unethischen Arbeitsweise bei der Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf."

Für Brosius-Gersdorfs verdächtige Passagen gibt es drei Erklärungen

Was Weber meint: Brosius-Gersdorf in ihrer Doktorarbeit und ihr Ehemann Hubertus Gersdorf in seiner Habilitationsschrift hätten zahlreiche sehr ähnliche Textstellen. Beide Arbeiten wurden im Laufe des Jahres 1997 fertiggestellt, ihre etwas früher als seine. 

Das lässt drei mögliche Schlüsse zu. Entweder sie hat von ihm abgeschrieben, er von ihr – oder beide haben zusammengearbeitet. Dass das Veröffentlichungsdatum von Gersdorfs Habilitation mit dem Jahr 2000 und damit nach dem Veröffentlichungsdatum seiner Ehefrau angegeben wird, sei kein Indiz dafür, was nun stimmt.

Solange Brosius-Gersdorf oder Gersdorf kein Plagiat eingestehen würde, könne auch keine deutsche Universität einen Titel aberkennen, so Weber. Zudem beschreibt er auf seinem Blog, dass wörtliche Übernahmen in juristischen Texten eher die Regel als die Ausnahme seien.

„Finde es feige von der Union, dass sie sich dahinter versteckt"

„Aus meiner Sicht kann man Stand jetzt nicht sagen, ob Frau Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin ungeeignet ist“, sagte Weber zu FOCUS online. „Ich finde es feige von der Union, dass sie sich jetzt hinter dem vermeintlichen Plagiatsvorwurf versteckt. Eigentlich geht es doch um etwas ganz anderes.“ Tatsächlich wäre Brosius-Gersdorf wahrscheinlich von vielen Abgeordneten der Union nicht gewählt worden, weil sie teilweise linke Positionen vertritt.

Weber weist im Gespräch den Vorwurf zurück, Teil einer rechten Schmutzkampagne zu sein. „Mein Team hat am Mittwoch auf eigene Initiative hin begonnen, die Dissertation zu prüfen“, erklärt er. Klar ist aber auch, dass Weber in der Vergangenheit schon mit umstrittenen Medien wie "Nius", dem Portal von Ex-Bild-Chef Julian Reichelt zusammengearbeitet hat. Diese Kontakte haben ihm viel Kritik eingebracht.

Uni Hamburg sieht keinen Anlass zur Überprüfung

Um den Vorwurf der Einseitigkeit zu entkräften, weist Weber darauf hin, auch schon über Abschreibe-Vorwürfe gegen Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz auf seinem Blog berichtet zu haben. Auf X weist Weber außerdem auf die ehemaligen Unions-Minister Annette Schavan und Karl-Theodor zu Guttenberg hin, die wegen Plagiaten zurücktreten mussten.

Die Universität Hamburg, wo Brosius-Gersdorf promoviert hat, teilte der Deutschen Presse-Agentur unterdessen mit, dass sie keinen Anlass sieht, wegen der Vorwürfe gegen die Juristin tätig zu werden.