„Kampfpotenzial wird auf null reduziert“ - In Dnipropetrowsk wird jetzt das große Millionen-Versagen der Ukraine sichtbar

Wie lässt sich der russische Vormarsch aufhalten? Die Ukraine versucht, mehrere Verteidigungslinien aufzubauen. Das bereitet aber offenbar einige Probleme und sorgt für viel Frust, wie die „Financial Times“ (FT) jetzt berichtet.

Russen-Einmarsch in Dnipropetrowsk hätte fatale Folgen

Russland hat die größten Vorstöße in diesem Jahr in der Region Donezk gemacht. Die Frontlinie wurde nach Westen verschoben. Ein Einmarsch russischer Truppen in die Region Dnipropetrowsk würde die Ukraine erheblich schwächen.

Ein Reporter der „FT“ besuchte jüngst Gebiete in der Region Dnipropetrowsk. Er schreibt, dass Dnipropetrowsk von November 2023 bis November 2024 7,3 Millionen Dollar für Befestigungsmaßnahmen ausgegeben haben soll. 

Am Bau beteiligten Beamten zufolge sei für das Geld aber wenig dabei herausgekommen. Es gebe erhebliche Lücken und diese würden die gesamte Region Dnipropetrowsk gefährden.

Demoralisierung und Schwächung der Ukrainer

„Die Situation mit den Befestigungen ist ein weiterer Faktor, der die Truppen demoralisiert“, sagt Dmytro Rasumkow, ein ehemaliger Verbündeter von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er sitzt jetzt in einem Ausschuss sitzt, der Verzögerungen und mutmaßliche Korruption beim Aufbau der Verteidigungsanlagen untersucht.

„Die Mittel sind über alle Regionen verstreut und jeder baut sein eigenes Ding. Es gibt keine Person, die für die Qualität, für die Planung, dafür verantwortlich ist, wie und an wen diese Stellen übertragen werden und wer sie beaufsichtigt“, sagt er im Gespräch mit der „FT“.

Kommandeur berichtet von chaotischen Zuständen

Ein Infanteriekommandeur, dessen Bauunternehmen Befestigungen für die Armee errichtete, bevor er und seine Mitarbeiter mobilisiert wurden, sagt, Verteidigungslinien hätten immer noch keine hohe Priorität. Seine Einheit sei im Laufe des Krieges 32 Mal verlegt worden. 

Jedes Mal seien sie gezwungen gewesen, ihre eigenen Verteidigungsstellungen zu errichten. Gleichzeitig seien zweite und dritte Linien oft ohne Rücksprache mit den Truppen errichtet worden, entweder an der falschen Stelle oder zu weit von der ersten Linie entfernt.

„Das Kampfpotenzial eines Infanteristen wird auf null reduziert“

Stanislav Buniatov, Kommandeur eines Sturmbataillons, sagt, Befestigungen seien auch wichtig, Rückzugspositionen zu bieten. „Das Kampfpotenzial eines Infanteristen wird auf null reduziert, wenn er tagsüber Energie für den Bau von Stellungen aufwenden muss, insbesondere im Winter“, sagt er. Viele Militäringenieure seien an die Front geschickt worden, um Lücken zu füllen. 

Wenn sie „nicht zu Angriffsoperationen geschickt würden, sondern ihre Arbeit professionell verrichten könnten, Schützengräben ausheben und Linien und Grenzen vorbereiten könnten, damit wir uns verteidigen können, dann würde alles funktionieren“, sagte Buniatov. „Jetzt funktioniert das System entweder überhaupt nicht oder nur in geringem Maße.“

Von Julia Hoene