Ort des Trump-Putin-Treffens "ist ein geopolitisches Schachmatt an den Westen"
201 Tage sind vergangen, seit Donald Trump zum zweiten Mal das Amt als US-Präsident angetreten hat. In diesen 201 Tagen ist viel passiert. Der Selenskyj-Eklat im Weißen Haus und der Börsencrash durch Trumps Zollpolitik sind nur zwei Beispiele.
Aktuell sorgen die Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg für Diskussionen. Gab es zunächst nur Gerüchte, steht inzwischen fest: Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin wollen sich zum persönlichen Gespräch treffen. Und das schon bald. Der Austausch soll am 15. August im US-Bundesstaat Alaska stattfinden.
Alaska als Treffpunkt: "Geopolitisches Schachmatt an den Westen"
Es wäre das erste Mal seit Sommer 2021, dass sich ein amtierender US-Präsident persönlich mit Putin trifft. Damals kam es zur Begegnung mit Joe Biden in Genf. Dass sich Trump und der Kreml-Chef nun von Angesicht zu Angesicht über den Ukraine-Krieg austauschen wollen, kommt für viele Beobachter überraschend.
Zumal unklar ist, von wem die Initiative für das Gespräch ausging. Aus dem Weißen Haus heißt es, Putin sei der Initiator gewesen. Der Kreml wiederum behauptet, Trump habe um das Treffen gebeten.
Alaska als Austragungsort hat jedenfalls Symbolkraft. Alexey Tikhomirov, Osteuropahistoriker an der Universität Bielefeld, spricht von einem "kalkulierten symbolischen Zug des Kremls", einem "geopolitischen 'Schachmatt' an den Westen".
Kreml-Berater nannte Ortswahl "ziemlich logisch"
Im Gespräch mit FOCUS online erklärt der Historiker, warum er das so sieht. "Die 1867 vom Zarenreich an die USA verkaufte, an Gas, Öl und Gold reiche Region steht nicht nur für die historische Verbindung beider Länder, sondern signalisiert auch eine bewusste Abkehr von Europa hin zum pazifischen Raum", so Tikhomirov.
Putin und Trump nutzen den Anlass in seinen Augen, um ihre imperialen Machtansprüche zu unterstreichen. Bevor klar war, dass sich beide Männer in Alaska treffen, hatten Medien spekuliert, das Treffen könnte auf neutralem Boden stattfinden. Es war zum Beispiel vom Vatikan und den Vereinigten Arabischen Emiraten die Rede.
Dass die Wahl auf den US-Bundesstaat Alaska fiel, bezeichnete Kreml-Berater Juri Uschakow als "ziemlich logisch". "Russland und die USA sind enge Nachbarn, die aneinandergrenzen", sagte er. Ein potentielles nächstes Treffen solle aber auf russischem Boden stattfinden.
Wichtiger als der Austragungsort dürften aber die Gesprächsinhalte sein. Trump und Putin wollen sich, so ist es in zahlreichen Berichten zu lesen, über den Konflikt in der Ukraine austauschen. 2022 startete Russland im Nachbarland eine Invasion, die bis heute andauert und bei der regelmäßig Menschen sterben.
Was will Putin, was will Trump?
Trump stellt den Austausch mit Putin als Versuch dar, einem Ende der Kämpfe näherzukommen. Er warf einen möglichen Gebietstausch zwischen der Ukraine und Russland in den Raum, blieb dabei aber vage.
Moskau forderte für eine friedliche Lösung des Konflikts unter anderem den Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt sowie die Abtretung der von Russland annektierten Gebiete. Ansprüche also, die Kiew klar ablehnen dürfte.

Tikhomirov glaubt mit Blick auf das Gespräch am 15. August, dass Putin Sanktionen vermeiden und Trump nicht verärgern oder gar gegen sich aufbringen möchte. Am wichtigsten sind dem Kreml-Chef in seinen Augen aber militärische Ziele. Konkret: "die vollständige Kontrolle über die vier ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson".
Der Osteuropa-Historiker hält den Zeitpunkt des Treffens aus Sicht des Kremls für günstig. "Russische Truppen behaupten ihre Offensivstellung und Putin glaubt an einen militärischen Durchbruch, der die vollständige Eroberung des Donbass ermöglichen kann", sagt er.
"Für Putin bleibt Selenskyj ein illegitimer Präsident"
Dazu kämen landesweite Anti-Korruptionsproteste in der Ukraine. Die würden im Westen als Zeichen eines schwierigen, aber lebendigen Demokratisierungsprozesses gedeutet. Die russische Propaganda macht daraus jedoch ein Symbol der "schwindenden Legitimität von Präsident Selenskyj und einer zunehmenden Abhängigkeit der Ukraine vom 'kollektiven Westen'", erklärt Tikhomirov.
Für ihn ist klar, dass der Kreml Selenskyj nicht beim Trump-Putin-Austausch dabeihaben will, auch wenn es um das Land geht, das er regiert. "Für Putin bleibt Selenskyj ein illegitimer Präsident", so der Osteuropahistoriker.
Er erklärt auch, dass der Kreml-Chef schon die bloße Aussicht auf den Gipfel als Erfolg verbuchen kann. Denn: "Trotz laufenden Krieges und internationaler Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen demonstriert er, dass er die westliche Werteordnung ignorieren oder gar umdeuten kann."
Trotzdem zeigt die Eile, in der das Treffen anberaumt wurde, in Tikhomirovs Augen auch Putins Schwäche. "Russland steckt in einer tiefen demografischen Krise, mehr als 120.000 gefallene Soldaten sind bestätigt, die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen. Sanktionen lassen sich teilweise umgehen, werden aber im Alltag spürbarer."
Trump unter Druck: "Er muss einen außenpolitischen Erfolg vorweisen"
Kriegsmüdigkeit breite sich im Land aus. Umfragen des Moskauer Lewada-Zentrums zeigen seit dem Sommer, dass mehr als 60 Prozent der Bevölkerung Verhandlungen mit der Ukraine befürworten.
Auch Trump steht unter Druck. Er verspricht seit Beginn seiner Amtszeit, den Ukraine-Krieg zu beenden. Handfeste Ergebnisse haben die bisherigen Bemühungen nicht geliefert. Dazu kommt die Stimmung in den USA.
"Trump muss rasch einen medial verwertbaren außenpolitischen Erfolg nachweisen", sagt der Kölner Geopolitik-Professor Klemens Fischer zu FOCUS online. "Die innenpolitischen Probleme im Zusammenhang mit dem Epstein-Fall und die steigenden Arbeitslosenzahlen machen sogar sein eigenes Lager nervös."
Trump als "Friedensstifter"?
In Fischers Augen geht es Trump darum, sein Image aufzupolieren. "Die massiven Luftschläge Russlands gegen die ukrainischen Städte mit den damit verbundenen zivilen Opfern lassen ihn schlecht dastehen, da er in den Augen der Demokraten, aber auch einiger einflussreicher Republikaner von Moskau vorgeführt wird", sagt er.
Fischer sieht das Treffen beider Staatschefs als "idealen Höhepunkt des Sommers, ehe es in die Vorbereitungen zu den Midterm-Wahlen in den USA geht". Denn: Armenien und Aserbaidschan unterzeichneten zuletzt im Beisein des US-Präsidenten Friedensvereinbarungen. Auch zwischen Indien und Pakistan soll er im Mai vermittelt haben.
Ein erfolgreiches Treffen mit Putin könnte diese "Erfolgsserie" in Fischers Augen fortsetzen und Trump in seiner mutmaßlichen Rolle als "Friedensstifter" bestärken. Nur: Was lässt sich überhaupt als Erfolgt verbuchen?
Trump könnte sich als Retter der Zivilbevölkerung feiern lassen
"Wenn Putin gegenüber Trump Konzessionen macht", sagt Fischer. Realistisch sei, "dass Moskau vorerst auf weitere Luftangriffe gegen zivile Ziele im Hinterland verzichtet und dafür freie Hand an der Bodenfront behält". Für Putin wäre es eine Möglichkeit, die Behauptung zu unterstreichen, "dass er nicht gegen das ukrainische Volk Krieg führt, sondern gegen die ukrainische Armee".
Trump wiederum könne sich als Retter der Zivilbevölkerung feiern lassen, der dem Kreml-Chef dieses wichtige Zugeständnis abgetrotzt hat. Fischer geht davon aus, dass mehr als eine Waffenruhe für das ukrainische Hinterland nicht drin sein wird.
"Fraglich ist, was Russland verlangt; vielleicht ein Ende der ukrainischen Angriffe im russischen Hinterland", sagt er. Der Geopolitik-Professor glaubt auch, dass Putin auf eine Rücknahme der Sanktionsdrohungen gegen Brasilien, Indien, China und Südafrika fordern wird.
Einen Sieg hat Putin seiner Einschätzung aber bereits eingefahren: Immerhin wird Selenskyj wohl nicht am Ukraine-Austausch der Staatschefs in Alaska teilnehmen.