Sommerpressekonferenz: Merz blickt genervt nach innen – und teilt Seitenhieb gegen Spahn aus

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Friedrich Merz will die schwarz-roten Erfolge in den Mittelpunkt seiner Sommerpressekonferenz rücken. Stattdessen muss er eine Koalition im Dauerstreit erklären.

Berlin – Lange wurde die traditionelle Sommerpressekonferenz des Bundeskanzlers nicht mehr mit so viel Spannung erwartet wie in diesem Jahr. Während der Andrang der Journalisten und das öffentliche Interesse zuletzt bei Olaf Scholz nachließen, drängte sich heuer beim neuen Kanzler Friedrich Merz die Hauptstadtpresse eng an eng. Das bestimmende Thema wurde direkt zu Beginn deutlich: das Chaos rund um die gestoppte Richterwahl und der Streit um die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Was ebenfalls schnell klar wurde: Der Bundeskanzler scheint gehörig genervt zu sein von diesem hausgemachten Problem der neuen Koalition.

Sommerpressekonferenz: Richterwahl begleitet Merz in die Pause

Während Merz auf der Sommer-PK versucht war, die bereits auf den Weg gebrachten Gesetze und Initiativen seiner Koalition in den Mittelpunkt zu rücken, machten die ersten Fragen deutlich, dass das drängendste Thema noch immer die symbolische Schlappe seiner Koalition ist. Nach der verkorksten Kanzlerwahl wurde auch beim Votum zu den Verfassungsrichterinnen und -richtern abermals offenbar, dass Union und SPD ihre Reihen nicht verlässlich schließen können.

Bundeskanzler Friedrich Merz: Obwohl seine persönlichen Beliebtheitswerte gut sind, hat er derzeit wenig Anlass zur Freude. Seine Koalition ist im Dauerzank.
Bundeskanzler Friedrich Merz: Obwohl seine persönlichen Beliebtheitswerte gut sind, hat er derzeit wenig Anlass zur Freude. Seine Koalition ist im Dauerzank. © IMAGO/M. Popow

Der für sein außenpolitisches Auftreten zu Beginn seiner Amtszeit mit viel Lorbeeren überschüttete Kanzler war spürbar wenig begeistert, sich einen gewaltigen Teil seiner Zeit vor der Hauptstadtpresse der Richterfrage widmen zu müssen. Er blickte meist finster drein, fasste sich oft kurz und verwies immer wieder darauf, dass er zum Vorgang bereits alles gesagt habe. Merz sprang der Juristin aber auch zur Seite. „Was Frau Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erlebt hat, ist völlig inakzeptabel“, so der Kanzler. „Die Kritik, die da teilweise geäußert worden ist, ist unsachlich gewesen, polemisch gewesen, zum Teil persönlich, beleidigend und herabsetzend.“

Sommerpressekonferenz: Merz-Seitenhieb gegen Fraktionschef Spahn

Merz gestand wie schon zuvor ein, dass man künftig früher „in die Fraktion hineinhören müsse“. Die Wahl der von der SPD empfohlenen Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht wurde vergangene Woche kurzfristig gestoppt, weil innerhalb der Unionsfraktion Zweifel an Brosius-Gersdorf laut wurden und somit keine nötige Zweidrittelmehrheit mehr erreichbar war. In der Kritik stand deshalb vor allem der Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn. Dieser ist eigentlich dafür verantwortlich, die eigenen Reihen zusammenzuhalten. Indirekt machte auch Merz am Freitag diesen Vorwurf, es sei „Aufgabe der Bundestagsfraktion, das entsprechend vorzubereiten“, so der Kanzler. Heißt: Aufgabe von Jens Spahn.

Dass das Bild der Regierung nach seiner verkorksten Kanzlerwahl, Streitereien um die Beamtenrente, den Mindestlohn, das gebrochene Versprechen der Stromsteuersenkung und nun die Richterwahl für viele kein gutes mehr ist, dürfte Merz gehörig ärgern. Seine Erfolge, etwa bei der Verschärfung der Migrationspolitik, dringen wegen immer neuer Zankereien kaum noch durch. Wahlen wie die des Kanzlers oder von Verfassungsrichtern, die früher reine Formsache waren, werden nun zu Klatschen und stehen symbolisch für die Fragilität dieser Regierung. Obwohl klar ist, dass CDU, CSU und SPD alles andere als geeint sind (nicht einmal innerhalb ihrer Fraktionen), interpretiert der Kanzler die Krisen anders. „Diese Regierung steht auf einem stabilen Fundament, auf einer stabilen Mehrheit im Bundestag“, sagte er.

Kanzler flüchtet sich bei seiner Sommerpressekonferenz in die Außenpolitik

Andere dagegen sehen in Schwarz-Rot beängstigende Parallelen zur von Merz stets hart kritisierten, streitenden Ampel. Auch diese schaffte es zuletzt nicht mehr, grundsätzliche Einigungen zu erzielen. Merz trat für das Gegenteil der Ampel an, ein ruhiges und effizientes Regieren. Dieses Versprechen hat zumindest einmal Risse bekommen. Zumal der Streit um die Richterwahl noch im vollen Gange ist, ein Kompromiss bisher nicht absehbar. Merz sagte, man befinde sich in Gesprächen.

Als willkommene Abwechslung schienen dem Kanzler dann außenpolitische Fragen zu kommen. Bei komplexen Sachverhalten rund um Israel und die Lage in Nahost, Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und Trumps Zollpolitik wirkte der Kanzler energisch, gab überzeugende Plädoyers ab. Es schien, als sei der Kanzler der Außenpolitik froh, einmal nicht über seine eigene Koalition sprechen zu müssen.

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