Wie die Tochter, so der Vater: Jochen Gier folgt dem Ruf seiner Tochter und wird mit 55 Feuerwehrmann
Für Jochen Gier geht mit 55 Jahren ein lang vergessener Kindheitstraum in Erfüllung: Der Karlsfelder ist nun Feuerwehrmann. Er tritt damit in die Fußstapfen seiner Tochter.
Karlsfeld – Lange hat Jochen Gier gezögert und gegrübelt, ob er in seinem Alter noch den Schritt wagen soll. Doch dann fasste der 55-Jährige den Entschluss und trat im Sommer vergangenen Jahres in die Freiwillige Feuerwehr Karlsfeld ein. Aus eigenem Antrieb hätte es der Maschinenbauingenieur wohl nie gemacht, wie Jochen Gier erzählt. Der Grund, warum er mittlerweile in voller Montur mit Martinshorn und Blaulicht zu Einsätzen ausrückt, sitzt gegenüber von ihm und lächelt ihn an: seine Tochter Stephanie. „Sie hat mir den letzten Impuls gegeben“, sagt Jochen Gier und seine Stimme verrät, wie dankbar er ist, dass seine Tochter so hartnäckig blieb. Alle zwei Wochen ging Stephanie Gier auf ihren Papa zu und ermunterte ihn, denn für die 23-Jährige war ganz klar: Die Feuerwehr und ihr Papa? Das passt wie die Faust aufs Auge. Ihr Vater könne dann endlich einmal seinen Lkw-Führerschein benutzten, den er seit seinem Wehrdienst zwar in Besitz, aber nie in Gebrauch hat.
Stephanie Gier ist auch bei der Feuerwehr. Allerdings schon deutlich länger als ihr Papa. Sie ist eine der 46 Neuzugänge, die die Feuerwehr Karlsfeld im Jahr 2020 im Zuge ihrer erfolgreichen Mitgliederkampagne gewinnen konnte. „Ich habe damals diese coolen Plakate gesehen.“ Stephanie Gier, die als Kind mit Feuerwehrspielzeugautos spielte und als Erwachsene im Notfallwesen arbeiten wollte, war gepackt und fasziniert.
Nun hat sie auch ihren Papa für das Ehrenamt begeistern können. An ihren ersten gemeinsamen Einsatz erinnern sich die beiden gut. „Es war mitten in der Nacht. Ich hatte schon meinen Schlafanzug an, da ging der Alarm los und meine Tochter kam hoch und rief: Papa, Papa, wir müssen los! Ich war gar nicht darauf vorbereitet.“ Seine Tochter schon. Während sich ihr Papa anzog, wartete Stephanie bereits im Auto auf ihn, um gemeinsam zur Feuerwehrwache aufzubrechen. Es war eine dieser Sturmnächte aus dem vergangenen Jahr, die im ganzen Landkreis Chaos anrichtete. Vater und Tochter sammelten gemeinsam die Äste von der Straße auf.
Es war ihr erster und aufregendster Einsatz bislang zusammen. Stephanie Gier war im Sommer 2022 vor Ort, als am Karlsfelder See ein Mann reanimiert wurde. „Das war psychisch sehr anstrengend“, erzählt sie. Dennoch bestätigen solche Momente Stephanie Gier in ihrer Berufung: Sie will Menschenleben retten. Sie ist gerade am Anfang ihres Medizinstudiums und will später einmal als Notärztin arbeiten.
In der Vergangenheit hat sie schon öfter Erste-Hilfe-Kurse gegeben. Und auch ihrem Papa gibt sie seit ein paar Monaten wertvolle Tipps in diesem Bereich. Bei der Feuerwehr sind die Rollen von Vater und Tochter nämlich vertauscht. Jetzt ist es Stephanie, die ihrem Papa Vorgänge erklärt.
„Früher hat mir mein Papa bei den Mathehausaufgaben geholfen. Jetzt kann mein Papa etwas von mir lernen. Es ist schön, dass ich das nun zurückgeben kann“, sagt Stephanie Gier und lächelt. Auch der Papa muss schmunzeln, wenn er davon erzählt, dass seine Tochter ihm zeigt, wie man zum Beispiel Knoten richtig bindet.
Ihr gemeinsames Hobby bei der Feuerwehr ist wie ein unsichtbares Band, das die beiden noch näher zusammengerückt hat. Bei Familienfeiern oder beim Abendessen tauschen sich die beiden gern über ihre Erfahrungen und Erlebnisse bei der Feuerwehr aus. Jochen Gier und seine Feuerwehrkameraden sind einmal zu einem Brand gerufen wurden. „Mit vier Fahrzeugen sind wir ausgerückt. Am Ende hat sich herausgestellt, dass nur ein Leberkäse angebrannt war.“
Jochen Gier, der seine Grundausbildung im November erfolgreich bestanden hat, will sich zum Maschinisten ausbilden lassen. Dann kann sich der Karlsfelder einen Kindheitswunsch erfüllen, der lange Zeit in Vergessenheit geriet, und endlich ein Feuerwehrauto steuern. Den dafür notwendigen Lkw-Führerschein hat er ja bereits.
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Deutschlandweiter Rekord bei der Feuerwehr Karlsfeld – Erfolg der Kampagne hält an
Keine andere Feuerwehr konnte so viele neue Mitglieder im gleichen Zeitraum gewinnen wie die Feuerwehr Karlsfeld. Gelungen ist das durch eine außergewöhnliche Kampagne mit viel Sprachwitz und Scharfsinn zwischen 2020 und 2021. Auch drei Jahre später kann die Feuerwehr ihre Neuzugänge halten. „Unser Erfolgsrezept: Wir haben Infoabende gemacht und den Interessierten genau erklärt, was auf sie zukommt. Wir haben immer offen kommuniziert, welcher Zeitaufwand hinter dem Ehrenamt steckt“, erläutert Michael Konrad, einer der Initiatoren. Jeder Neuankömmling bekommt einen Paten oder eine Patin zur Seite. Auch ohne gezielte Plakat-Werbung sieht es bei der Feuerwehr Karlsfeld gut aus. „Wir haben einen starken Zuwachs“, sagt Konrad. 37 Frauen und Männer kamen zwischen 2022 und 2023 dazu.
Doch ausruhen kann sich die Feuerwehr Karlsfeld nicht auf diesen Erfolgen. „Wir sind gut aufgestellt, aber wir müssen dran bleiben!“, betont Konrad. Denn die Zahl der Einsätze steigt. Während die Feuerwehr im Jahr 2020 noch 250 Mal ausrücken musste, kam es in der Geschichte der Feuerwehr Karlsfeld im vergangenen Jahr zum ersten Mal vor, dass die 400er-Marke an Einsätzen geknackt wurde. „Ohne die erfolgreiche Mitgliedergewinnung und die Zugänge aus den letzten beiden Jahren hätten wir extrem hohe Zeitaufwände für jeden Aktiven und somit eine zu geringe Lastverteilung“, so Konrad.
Bei der Feuerwehr Karlsfeld sind 101 Erwachsene und 29 Jugendliche aktiv (Stand Januar). „Wir freuen uns über Mädels und Jungs, Frauen und Männer, die Freude daran haben, ehrenamtlich mit uns gemeinsam auch in Zukunft die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Karlsfeld zu gewährleisten“, sagt Konrad. Alle Infos unter www.staerkermitdir.de. vm