Neue Taktik: Ukraine-Drohnen-Teams tödlich – Putin rekrutiert Piloten jetzt in Schulen

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Neue Taktik: Ukraine-Drohnen-Teams tödlich – Putin rekrutiert Piloten jetzt in Schulen

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Der neue Typ Soldat: Die Ukraine hat mit ihren FPV-Drohnen offenbar so großen Erfolg, dass jetzt auch Russland ihre Drohnen-Kräfte strukturell neu formieren und aufrüsten will, damit mehr Spezialisten die First-Person-View-Drohnen steuern können (Archivfoto). © IMAGO / Evgeny Biyatov

Eine ukrainische Freiwilligen-Einheit postet ein Rekrutierungs-Video; und Putin ist motiviert: Er sucht offenbar mehr als eine Million neuer Piloten.

Kiew – „Wir werfen Granaten direkt hinein“, schreibt Demian Shevko. Der Autor der New Voice of Ukraine publiziert Kommentare und Filmmaterial der 3. Internationalen Legion der Ukraine – die Freiwilligen erläutern, wie deren Drohnen-Piloten die Invasionstruppen Wladimir Putins auf dem Schlachtfeld verfolgen und angreifen – möglicherweise eine erneute Propaganda-Offensive der Ukraine in Zeiten knappen Personals. Parallel ist die Website der Internationalen Legion geschaltet; Mitmachen funktioniert per Online-Bewerbung.

Das Video ist auf YouTube zu sehen. Ein unbekannter, vermummter Soldat erklärt die offensichtliche Leichtigkeit der Drohnenangriffe. Genutzt würden offenbar Drohnen aus dem Baumarkt oder dem Technik-Handel, die chinesischen Mavic-Drohnen, die zwischen einigen Hundert Euro in ihrer kleinsten Variante bis zu mehreren Tausend für ausgewachsene Modelle kosten. Sie sind wohl mehr oder weniger handelsüblich, und damit führt die Ukraine ihren Krieg.

Ukraine-Krieg-Taktik: Aufklärungsteam lokalisiert die Ziele mithilfe von Zoom und Wärmebildkameras

„Unser Aufklärungsteam lokalisiert die Ziele mithilfe von Zoom und Wärmebildkameras“, erklärt der Drohnen-Pilot im Video. „Dann schicken wir Bomber – mit Sprengstoff beladene Drohnen – los, die das Gebiet filmen und Granaten abwerfen.“ Die Bilder zeigen Sprengkörper über bewaldeten Flecken, aus denen dann Explosionen hochschießen. Der Soldat erzählt, dass die Russen auch keinen Schutz in Gebäuden oder Unterständen fänden, wenn die ukrainischen Drohnen-Piloten nur gut genug seien.

„Jetzt sind wir alle Soldaten, aber unsere Wurzeln sind sehr unterschiedlich. „Einige von uns haben einen Doktortitel. Einige haben einen Masterabschluss. Manche kommen aus der IT-Branche und vielen anderen Branchen. Was uns vor allem eint, ist der Wunsch, diesen Krieg zu gewinnen.“

Offensichtlich macht die Ukraine nicht nur riesige Fortschritte als Drohnen-Herstellerland, sondern bildet auch einen ganz neuen Typus von Soldaten aus: den Drohnen-Piloten, der nicht nur mit „seiner“ Waffe vertraut sei, wie der Panzerfahrer, der auf seinem eigenen Typ ausgebildet worden ist, sondern ein Soldat, der sich von jetzt auf gleich an neue Situationen und neue Waffentypen einstellen muss – die Ukraine macht offensichtlich aus der Not eine Tugend, was auch das Magazin Business Insider (BI) nahe gelegt hat: „In der Ukraine gibt es Hunderte von Drohnenherstellern, die überall Drohnen aller Art bauen, was dem Land ein chaotisches Arsenal beschert, das an einen umgekippten Werkzeugkasten erinnert“, schreibt BI-Autorin Sinéad Baker.

Dieses aufgezwungene Sammelsurium erfordere, dass die Piloten „eine Art Alleskönner sein müssen, wenn es darum geht, die verschiedenen Drohnentypen und ihre Funktionsweise zu beherrschen, um sie auf dem Schlachtfeld effektiv einsetzen zu können“, erläutert gegenüber dem BI James Patton Rogers. Dem Drohnenexperten der US-Universität Cornell Brooks Tech Policy Institute zufolge sei das ein immenser Vorteil der Verteidiger gegenüber den russischen Aggressoren: Die müssten sich ständig auf neue Typen einstellen und wären in ihren Defensiv-Bemühungen dadurch enorm behindert.

Russlands neue Offensive: Aufbau einer Drohnen-Teilstreitkraft dauert mindestens sechs Monate

Offensichtlich erkennt Russland in den Bemühungen der Ukraine um den Ausbau ihrer Drohnen-Streitkräfte den Handlungsbedarf für eigene Truppen. Laut dem Thinktank Institute for the Study of War (ISW) soll Russlands Präsident Wladimir Putin bereits im November bestätigt haben, innerhalb der russischen Streitkräfte würden die „unbemannten Systeme“ – also Drohnen – in einer separaten Abteilung gebündelt werden – „ein wichtiger Wendepunkt in Russlands Kampagne zur Zentralisierung der Kontrolle über die russischen Streitkräfte, die sich seit 2022 auf inoffizielle und unregelmäßige Ad-hoc-Weise entwickelt haben“, schreibt das ISW.

Dessen Analysten rechnen damit, dass der Aufbau einer Drohnen-Teilstreitkraft mitsamt der entsprechenden Struktur der Streitkräfte sowie einer funktionierenden Logistik so komplex sei um mindestens sechs Monate bis zu einem Jahr zu dauern – das hieße, deren Einsatz können schon innerhalb des Ukraine-Krieges erfolgen. Bisher würden Infanteristen oft gezwungen sein, ihr Sturmgewehr gegen die Drohnen-Steuerung zu tauschen, ohne dass eine Struktur dahinterstecke.

ISW-Autorin Kateryna Stepanenko zitiert Telegram-Beiträge russischer Militärblogger, denen zufolge die ungeplante Formierung von Drohnen- und Spezialeinheiten dazu geführt habe, dass „russische Kompanien nur noch aus 20 Sturminfanteristen und 70 informellen Drohnenbedienern, Signalmännern und Evakuierungsspezialisten“ bestünden. „Ein russischer Militärblogger behauptete, das russische Verteidigungsministerium habe möglicherweise berechnet, dass in einem russischen Angriffsbataillon nur 100 der 300 Soldaten Angriffe durchführen können, und der Militärblogger bemerkte, diese Truppenstruktur sei nicht mit der Fokussierung des russischen Militärkommandos auf ,Fleischwolf‘-Angriffstaktiken vereinbar“, schreibt Stepanenko. Damit hätte sich Russland selbst seiner hauptsächlichen Taktik für Offensiven beraubt.

Der neue Plan: Auch in den besetzten Gebieten rekrutiert Putin offenbar – vermutlich sogar in Schulen

Wladimir Putin hat jetzt auch offiziell die Neuausrichtung propagiert, wie die Tass jüngst veröffentlicht hat: Die russische Regierung müsse die beschleunigte Entwicklung der unbemannten Luftfahrtindustrie sicherstellen, um darin bis 2030 die technologische Führung zu erreichen, schreibt die russische Nachrichtenagentur. Und die Kyiv Post wartet auf mit dem Ergebnis einer „Studie mehrerer technischer Analysezentren und Menschenrechtsorganisationen“, nach dem Russland in den kommenden fünf Jahren rund 1,5 Millionen Drohnenpiloten ausbilden wolle. Dem Bericht zufolge werden das möglicherweise keine bestehenden und lediglich neu trainierten Soldaten sein.

Demnach sollen vom vergangenen Jahr an bis zum Ende der Dekade 1.194.000 Spezialisten ausgebildet und die Zahl der Drohnenausbilder im gleichen Zeitraum von 450 auf 42.800 erhöht worden sein, schreibt Sergii Kostezh. „Diese Zahl ist erschütternd, da sie die Gesamtzahl der russischen Infanterietruppen übersteigt, die derzeit sowohl an der Front als auch in Russland selbst stationiert sind“, so der Post-Autor. Auch in den besetzten Gebieten rekrutiert Putin offenbar seine neuen Drohnen-Piloten, vermutlich sogar in Schulen.

Das jedenfalls legt Kostezh nahe. Dem Bericht entsprechend umfassten die Schulungen von Bedienern von First-Person-View-Drohnen jeweils bis zu 256 Stunden. Darüber hinaus hätten russische Schulen bereits ein Lehrbuch erhalten für die achte und neunte Klasse, das die Grundlagen der Drohnenmontage und -bedienung vermittle, schreibt er. Den ukrainischen Menschenrechtsaktivisten Pawlo Lysjanskyj zitiert er dahingehend, dass Russland für den Schulunterricht 167.000 Drohnen angeschafft und 290 Start- und Landebahnen als Übungsfläche für deren Nutzung habe anlegen lassen.

Selenskyjs Rekrutierung: „Was uns vor allem eint, ist der Wunsch, diesen Krieg zu gewinnen“

Die ukrainische Armee unter dem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj setzt auf weniger manipulativen Methoden, wie der Kiew Independent aktuell über die Drohnenschulen der Ukraine berichtet – dort beginne die Ausbildung an der Waffe erst nach Eintritt ins Militär. „Ich habe mich als Freiwilliger gemeldet und sofort gesagt, dass ich Drohnen fliegen möchte und dass ich das kann“, wie Nazar Zholinsky dem Kyiv Independent gegenüber geäußert hat „Sie stimmten zu, aber dann kam alles anders. Und dann ergab sich diese Gelegenheit, und ich sagte: ‚Hey Leute, ich komme mit, wir fliegen, wir greifen an.‘“ Nazar Zholinsky ist um die 20 Jahre alt, hat vorher Friseur gelernt und mit den Mavics als Hobby zu fliegen begonnen. Die Ausbildungen werden häufig von den privaten Drohnen-Herstellern übernommen, weil die Armee diese Aufgabe kaum leisten kann.

Andere Drohnen-Bauer beziehungsweise Drohnen-Piloten waren im Zivilen Investmentbanker oder IT-Marketingberater, wie beispielsweise die zu den Bodentruppen gehörenden Kämpfer der Einheit Aeroroswidka, die bereits 2014 zur Zeit der Krim-Annexion gegründet worden war. Wie das Drohnen-Portal The Droning Company sei Aeroroswidka eine für das Militär arbeitende Nichtregierungsorganisation, die bis zu 20 Stunden pro Tag Kampf- und Aufklärungseinsätze fliege.

Die Motivation stellte bereits zu Beginn des Ukraine-Krieges deren Vorstandsmitglied und Kommunikationsleiter gegenüber dem Business Insider klar. „Jetzt sind wir alle Soldaten, aber unsere Wurzeln sind sehr unterschiedlich“, sagte „Mykhailo“. „Einige von uns haben einen Doktortitel. Einige haben einen Masterabschluss. Manche kommen aus der IT-Branche und vielen anderen Branchen. Was uns vor allem eint, ist der Wunsch, diesen Krieg zu gewinnen.“

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