Nach Putins Rede zur Lage der Nation diskutiert Europa über die Nuklear-Warnung. Für eine Expertin waren zwei Aussagen aber viel prägnanter.
Moskau – Viel Wahlwerbung, ein wenig Drohung. So lässt sich die Rede zur Lage der Nation von Wladimir Putin vom Donnerstag (29. Februar) relativ kurz zusammenfassen. Zwei Wochen vor den Wahlen in Russland rührte der Kreml-Herrscher besonders die Werbetrommel für sich selbst, versprach Milliarden und Abermilliarden an Investitionen in das Land. Aueßnpolitisch blieb vor allem eine Aussage hängen.
In seiner langen Rede sprach Putin auch indirekt den Nato-Vorstoß von Emmanuel Macron an. Der französische Präsident hatte kürzlich die Entsendung von Nato-Bodentruppen in die Ukraine nicht mehr ausgeschlossen. Putin sprach nun davon, dass ein solches Vorhaben „tragisch“ enden könnte, brachte auch Nuklear-Waffen dafür ins Spiel. Eine Drohung, die in Europa für Aufsehen sorgte – wobei sie mitnichten neu ist. Geht es nach einer Expertin, seien zwei völlig andere Aussagen des Kreml-Chefs in seiner Rede viel prägnanter gewesen.
Putins Rede zur Lage der Nation: „Nukleare Drohung“ laut Expertin nur Wiederholungen
Dr. Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik gastierte am Abend nach der Rede im heute journal des ZDF, um den Auftritt Putins zu analysieren. Moderatorin Marietta Slomka stieg auch sofort mit der Aussage von Putins Rede, die die Schlagzeilen bestimmte, in das Interview ein.
Slomka will „Textanalyse“ betreiben und wissen, ob die „nukleare Drohung“ die für das Ausland kritischste Aussage gewesen sei. „Für mich nicht“, stellt Expertin Fischer sofort klar. Der außenpolitische Teil zu Beginn von Putins langer Rede habe laut ihr „nichts Neues gebracht“. Stattdessen lenkt sie das Augenmerk auf zwei für sie wichtige Aspekte, die in der Wahrnehmung etwas unter dem Radar geflogen sind.
Expertin Fischer entdeckt zwei prägnante Punkte in Rede von Putin, die unter dem Radar liefen
„Das eine war, dass Putin erklärt hat, dass die neue russische Elite eigentlich die Menschen sind, die jetzt an der Front kämpfen“, sagt Fischer im ZDF. Putin hatte in seiner Rede explizit die Soldaten in der Ukraine für ihren Einsatz gelobt. Laut Fischer stehe das auch „für seine Vorstellung von einer Militarisierung des politischen Systems“.
Als zweiten Aspekt kommt Fischer noch auf das Ende von Putins Rede zu sprechen. „Er hat am Ende nochmal zusammengebunden und hat ganz klar gesagt, unsere Zukunft, die Entwicklung unseres Landes, hängt von diesem Krieg und vom Kampf der Soldaten an der Front ab“. Laut Fischer zeige dies, dass Putin „die Zukunft des Landes ganz explizit in den Zusammenhang dieses Krieges stellt“. Für die Expertin sei dies ebenfalls eine prägnante Aussage gewesen – wogegen der außenpolitische Teil samt Nuklear-Drohung eben hauptsächlich Wiederholungen gewesen seien.
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Weitere Auffälligkeiten in Putin-Rede: „Absurde“ Aussage und „Propaganda-Beschallung“
Putin habe diese Punkte vor dem Hintergrund seiner eigenen Aussagen, dass „Russland entschlossen und fähig ist“ seine Ziele im Krieg zu erreichen, angesprochen, so Fischer weiter. Die Aussage Putins, er werde die russische Demokratie stärken, betitelte Fischer als „sicherlich für einen Teil des russischen Publikums absurd“. Solche Aussagen würden aber in Russland bei vielen wohl noch immer auf offene Ohren stoßen. Das sei auch „das Ergebnis von in diese Richtung geformter Propaganda-Beschallung“.
Dass das russische Volk allerdings eben nicht nur hörig ist, zeigt sich besonders zuletzt immer wieder. Nicht nur, als Putin eine Umfrage-Klatsche aus dem eigenen Land kassierte. Sondern auch rund um den Tod von Alexej Nawalny. Wegen Trauerbekundungen mit dem Kreml-Kritiker hatte es hunderte Festnahmen gegeben. Auch rund um die Beerdigung Nawalnys fürchtet man wohl eine Eskalation. (han)