Vater sterilisiert, Kinder alle Weibchen: Rätsel um acht Wolfsbabys in Tierpark
Ein Wolfsrudel im Hanauer Wildpark bekommt überraschend Nachwuchs. Die Vaterschaft ist ungeklärt und führt zu Spekulationen - ist Wölfin Cleo in Wahrheit ein Clemens?
Hanau – Im kleinen Wolfsrudel des Hanauer Wildparks Alte Fasanerie herrscht Harmonie. Die Tiere genießen die Leckerbissen, die ihnen von der Wildparkbiologin Marion Ebel angeboten werden. Die Frage nach der Vaterschaft der acht Welpen, die Wölfin Leyla vor kurzem zur Welt gebracht hat, scheint die Vierbeiner wenig zu kümmern. Sie lassen sich ihr Fressen nicht verderben. Die neugeborenen Welpen sind an diesem Tag nicht zu sehen, sie bleiben in ihrer schützenden Höhle.
Die überraschende Geburt von mindestens acht Wölfen sorgt bei den Besuchern der Alten Fasanerie und dem Wildpark-Team für amüsiertes Rätselraten und Schmunzeln. Es geht um die Identität des unbekannten Vaters der Welpen. Der Rüde im Rudel, Romulus, ist ein beeindruckender Kerl, kräftig und von imposanter Statur. Aber er wurde bereits sterilisiert - zur Sicherheit sogar zweimal. Mehrere Tierärzte haben dies laut Ebel bestätigt. Er kann daher nicht der Vater des Ende April geborenen Nachwuchses sein.

Drei Wölfe als Weibchen identifiziert – aber kann das stimmen?
Es bleiben also nur noch drei Wölfe übrig, die im vergangenen Jahr in dem Gehege geboren wurden. Das Problem: Alle drei wurden als Weibchen identifiziert - zumindest bis vor kurzem. Ebel ist eine anerkannte Wolfsexpertin. Vor vielen Jahren hatte sie sogar drei andere Wölfe in dem Wildpark mit der Flasche aufgezogen und wurde damals als „Wolfsmutter“ bekannt. Sie schließt nicht aus, dass sie, der Tierarzt und der Tierpfleger bei der Geschlechterbestimmung der damals noch kleinen Wölfe im vergangenen Jahr einen Fehler gemacht haben und eines der vermeintlichen Weibchen vielleicht gar keines ist.
Drei Wolfsmädchen durften nach der Geburt im Hanauer Rudel bleiben: Cleo, „die wilde Hilde“ und Käthe, zählt die promovierte Biologin auf. Der Rest des Nachwuchses wurde an andere Tierparks weitergegeben. „Vielleicht ist die wilde Hilde in Wahrheit aber ein Hartmut oder Cleo ist ein Clemens?“, spekuliert sie mit einem Augenzwinkern angesichts der überraschenden Ereignisse im Wolfsgehege. Beide Tiere sind noch im Hanauer Rudel. Beim nächsten regulären Impftermin im Juli werden Ebel und der Tierarzt, wenn die Tiere betäubt sind, bei Hilde und Cleo an bestimmten Stellen sehr genau hinschauen.
Käthe mit auffälligem Verhalten – ist sie vielleicht doch ein Karlchen?
Bleibt Käthe: Die Dritte im Bunde wurde im März an einen Wildpark bei Hamburg weitergegeben – als Weibchen mit den entsprechenden Papieren. Ebel hat die Kollegen in Norddeutschland bereits kontaktiert und erklärt, dass ihre „Käthe vielleicht ein Karlchen ist“. Und bei Käthe alias Karlchen wird die Spur nun heißer: Das Tier versteht sich in seinem neuen Rudel auffallend gut mit der dort lebenden Altwölfin. Das könnte darauf hindeuten, dass Käthe ein Männchen ist, denn „Weibchen sind üblicherweise viel zickiger als Rüden - vor allem anderen Weibchen gegenüber“.
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Es könnte zeitlich passen, dass Käthe alias Karlchen vor seiner Abreise in den Norden noch Leyla gedeckt hat. 63 Tage dauert normalerweise die Tragzeit bei Europäischen Wölfinnen wie Leyla. Wenn man die Zeit von der Geburt zur Empfängnis zurückrechnet, könnte es gut sein, dass Käthe alias Karl „im Februar zum Zuge gekommen ist“, sagt Ebel.
Mutter wird von einem ihrer Kinder gedeckt
Ob nun Hilde, Cleo oder Käthe den Nachwuchs gezeugt haben: Es steht fest, dass Mutter Leyla von einem ihrer Kinder gedeckt wurde. Also ein klarer Fall von Inzest. Ebel winkt ab: Das sei bei Wölfen nicht ungewöhnlich, sagt sie. „Inzest ist bei Wölfen kein Thema und auch kein Problem in Sachen Inzucht, wie Studien zeigen.“
Ein weiterer Punkt wird klar, wenn man die komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse im Wolfsgehege entwirrt: Wer auch immer aus dem Trio für die Vaterschaft verantwortlich ist - mit einem Alter von neun oder zehn Monaten war er auch „definitiv frühreif“, wie die Biologin erklärt.
„Ich nehme an, dass Leyla ihm das Gefühl gibt, der Vater der Welpen zu sein“
Der offensichtlich betrogene Rudelführer Romulus kümmert sich nach Ebels Beobachtung so gut um die Welpen, wie es auch ein leiblicher Vater nicht besser könnte. „Ich nehme an, dass Leyla ihm das Gefühl gibt, der Vater der Welpen zu sein“, sagt sie.
Der neue Nachwuchs und die ungeklärte Vaterschaft im Wolfsrudel sorgen auch bei den Besuchern, die an diesem Tag die Fütterung des Rudels verfolgen, für heiteren Gesprächsstoff. Fast alle haben aus den Medien von der Geschichte rund um Romulus und Leyla erfahren. Die meisten glauben, dass Romulus die Tierärzte irgendwie getäuscht hat und doch noch zeugungsfähig ist. Auch die These von einem bislang unbekannten Rüden, der sich in dem Gehege versteckt hält, wird unter den Besuchern diskutiert. Oder war es gar eine „unbefleckte Empfängnis?“, wie eine andere Besucherin schmunzelnd einwirft.
Publikum erwartet Wolfsfamilie in der Alten Fasanerie sehnsüchtig
Viele im Publikum - vor allem die Kinder - können es kaum erwarten, die Welpen zu sehen. Es dürften aber noch einige Wochen vergehen, bis die kleinen Wölfe öfter aus ihrer Höhle herauskommen, erklärt Ebel. Bei der ersten Impfung des Nachwuchses samt Geschlechterbestimmung Ende Juni wird auch klarer abzuschätzen sein, wie viele Jungtiere die Alte Fasanerie an andere Wildparks abgibt und wie viele bleiben. Es steht fest, dass alle Rudelmitglieder in diesem Jahr sterilisiert werden.
Für den Fall, dass das Rudel stark wächst, hat die Biologin bereits einen Plan: Dann muss der bislang allein lebende Wolf Gunther - nach ihren Worten ein „Psycho“, der nicht mit anderen Wölfen zurechtkommt und derzeit ein viel größeres Gehege bewohnt - mit dem Rudel rund um Leyla und Romulus das Revier tauschen. Die Wildparkbesucher können sich laut Ebel auf jeden Fall freuen, dass sie bald ein neues, größeres Rudel zu sehen bekommen - mit viel Action. „Man bekommt dann ein wundervolles Familienleben mit“, freut sie sich. (esa/dpa)
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