Viele Vorteile: Wie Kamala Harris in der Wirtschaftspolitik gegen Trump punkten kann

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Joe Biden und Kamala Harris halten Händchen und gestikulieren, während sie am 4. Juli 2024 vom Truman-Balkon des Weißen Hauses in Washington, D.C., das Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag ansehen.
Joe Biden und Kamala Harris halten Händchen und gestikulieren, während sie am 4. Juli 2024 vom Truman-Balkon des Weißen Hauses in Washington, D.C., das Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag ansehen. © Mandel Ngan/AFP

Vize-Präsidentin Kamala Harris tritt aller Voraussicht nach bei der US-Wahl im November gegen Donald Trump an. Doch für welche Wirtschaftspolitik steht die Demokratin wirklich?

Washington – Weniger als 100 Tage vor der US-Wahl wächst die US-amerikanische Wirtschaft wieder. Das belegen zumindest aktuelle Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt, die die Regierung um Joe Biden am vergangenen Freitag, 26. Juli, veröffentlichte. So ist das reale BIP zwischen April und Juni im Jahresvergleich um 2,8 Prozent gestiegen. Dass gleichzeitig die Inflation wieder unter drei Prozent gefallen ist, dürfte dem zuletzt so oft gescholtenen US-Präsident Joe Biden vermutlich ebenso stille Genugtuung bereiten. Für seine Vize-Präsidentin Kamala Harris hingegen ist es mehr als nur ein kurzzeitiges Ego-Boost. Für Harris ist diese positive Nachricht eine wichtige Botschaft auf ihrem Weg ins Oval Office – in etwa: Seht her, der US-Wirtschaft geht es gut, lasst uns das ab November beibehalten. Nach dem Rückzug von Biden ist die Zeit für die sehr wahrscheinliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten knapp, um sich ein Profil bei den Wählerinnen und Wählern aufzubauen. 

Kamala Harris gegen Zölle von Trump: Weniger Abschreckung, mehr amerikanische Exporte

Aus ihrer aktuellen Amtszeit als Bidens Vize blieben an ihr häufig nur die heiklen Themen wie etwa Immigration, Abtreibung oder Covid-19 hängen. Drei sehr stark ideologisierte Felder der Politik, bei denen Harris aufgrund der verhärteten Fronten und der republikanischen Mehrheit im Kongress wenig Erfolge vorweisen konnte. Gleichzeitig fiel auch die Arbeits- und Wirtschaftspolitik in ihr Ressort, doch die offensichtlichen Erfolge deklarierte bis zuletzt eher Biden für sich. Umso wichtiger ist es also für Harris nun, die Dynamik der aktuell soliden Wirtschaftslage mitzunehmen – und sich gegenüber ihrem republikanischen Konkurrenten Donald Trump zu positionieren.

Trump vertritt eine protektionistische Linie bei der Wirtschaftspolitik, die er durch die Nominierung seines Vizes J. D. Vance nochmals unterstrichen hat. So hat er Zölle von zehn Prozent auf ausländische Waren angekündigt, auf chinesische sogar satte 60 Prozent. Harris signalisierte zwar bereits in einem früheren Beitrag auf X (vormals Twitter), dass sie die Haltung von „Amerika zuerst“ grundsätzlich mittrage. Doch betonte sie zuletzt nochmal, dass zehn-prozentige Einfuhrzölle die Kosten für Gas, Lebensmittel und Kleidung nur in die Höhe treiben würde, wie die New York Times berichtete. Davon wären dann eher Familien im Mittelstand sowie ärmere Teile der Bevölkerung betroffen.

Mit einem offeneren Kurs in der Handelspolitik könnte Harris zudem der Argumentation des US-Beratungsunternehmens Pantheon Macro folgen, dass Trumps radikale Importzölle ausländische Investoren abschrecken würden – etwa aus den für die USA wichtigen Sektoren Elektronik, Automobile oder Chemie. Im Vorwahlkampf 2019 hatte sie bereits gesagt, dass derartige Zollkriege eher „Sojabohnenbauern in Iowa“ schaden und sie sich lieber auf florierende amerikanische Exporte konzentrieren wolle.

Trump setzt auf harten China-Kurs – Harris auf „De-Risking“ statt Isolation

In Bezug auf China sorgte bereits Trumps Drohgebärde in dessen erster Amtszeit für Unsicherheiten am Weltmarkt. Harris wirbt dagegen statt einer Isolationspolitik gegenüber China für ein „De-Risking“. Diese Strategie sieht eine wirtschaftliche Zusammenarbeit vor, um die risikobehafteten Abhängigkeiten wie etwa in elektrotechnischen Sektoren schrittweise zu minimieren – und dennoch die Gesprächskanäle offenzuhalten. Mit einem konsequenten Plädoyer für bestimmte Regeln im Welthandel auf der einen und der dennoch sachlichen Auseinandersetzung mit China als Weltmacht auf der anderen Seite könnte Harris zudem der Sorge vor einem potenziellen militärischen Konflikt in der Zukunft erstmal vorbeugen.

Mit ihrer progressiven Haltung zu Themen wie Steuer- und Entlastungspolitik hat Harris auch durchaus Chancen innenpolitisch zu punkten. So setzte sie sich 2018 für Steuergutschriften für Menschen mit einem Einkommen unter 10.000 Euro ein. Speziell Familien und der Arbeiterschicht sollte im Rahmen des „LIFT the Middle Class Act“ Geld zur Verfügung gestellt werden, um die Lebenshaltungskosten bewältigen zu können. Über eine Erhöhung der Erbschaftsteuer für Wohlhabende wollte sie 2019 zudem die Gehälter von Lehrerinnen und Lehrern anheben. Vom Sinn dieser Maßnahmen als Stärkung der Mittelschicht ist sie nach wie vor überzeugt, wie sie auf einem Kampagnen-Event in Delaware öffentlich erklärte: „Wenn unsere Mittelschicht stark ist, sind auch die USA stark. Und wir wissen, dass das nicht die Zukunft ist, für die Donald Trump kämpft.“

Mindestlohn für bestimmte Berufsgruppen: Harris steht für Sozialpolitik

Mit dem Fokus auf Trumps früheren Steuerentlastungen, die eher wohlhabende Menschen und große Firmen statt bedürftigere Schichten entlastet haben, könnte Harris jene Wählerinnen und Wähler aus der Arbeiterklasse ansprechen, die sich seit Bill Clintons expansiver Wirtschaftspolitik Ende der 1990er Jahre von den Demokraten abgewandt haben. Dafür spricht auch ihr früherer Einsatz für den Mindestlohn. Einst unterstützte sie die „Raise the Wage Act“-Kampagne des linken Senators Bernie Sanders in Kalifornien. Der Mindestlohn sollte in diesem Zuge innerhalb von sieben Jahren von 7,25 US-Dollar auf 15 US-Dollar angehoben werden. Zwar scheiterte das Vorhaben im Kongress, allerdings drückte Harris gemeinsam mit Biden später immerhin eine ähnliche Erhöhung für alle Bundesbediensteten und dessen Auftragnehmer durch.

Hinzu kommen weitere finanzwirtschaftliche Themen, die Harris im Vergleich zu Trump und Vance bei einer breiten Wählerschaft platzieren kann. So setzt sich Harris schon seit 2019 für die gerechte Bezahlung von Männern und Frauen in der freien Wirtschaft ein, um Ungerechtigkeiten wie den „Gender Pay Gap“ zu schließen. Sie forderte einst, dass Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden eine gleiche Bezahlung von Mann und Frau nachweisen müssten – ansonsten drohen Gewinneinbußen.

Auch sollten Unternehmen Statistiken liefern, die den Anteil von Frauen in Führungspositionen offenlegen. Derartige staatliche Eingriffe in Belange der Wirtschaft sind bei den Republikanern und speziell in Trumps Kreisen verhasst. Doch gerade angesichts dessen problematischer Aussagen über Frauen könnte Harris auf diesem Feld – wie auch grundsätzlich in der weiblichen Wählerschaft – mit einer progressiven Agenda besser punkten.

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