Mit Israel-Kritik riskiert Merz auf deutschen Straßen gefährliche Entwicklung
Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat Bundeskanzler Friedrich Merz auf der Digitalmesse Republica das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen kritisiert – und damit eine Debatte ausgelöst.
FOCUS-online-Chefkorrespondent Ulrich Reitz spricht im "Reitz-Thema" von einer "Richtungsentscheidung" – und warnt vor den politischen und gesellschaftlichen Folgen dieser neuen Tonlage.
Merz und Israel: Zwischen Freundschaft und scharfer Kritik
Merz ist der erste CDU-Kanzler, der sich derart deutlich und kritisch gegenüber Israel äußert – eine Zäsur in den traditionell engen deutsch-israelischen Beziehungen.
Zwar sei Merz grundsätzlich als "Freund Israels" bekannt, wie auch der israelische Botschafter Ron Prosor betonte. Dennoch bleibt die Frage offen, warum Merz in seiner Rede die Terrororganisation Hamas kaum erwähnte, sagt Reitz.
So entstehe der Eindruck, der Kanzler übernehme eine politische Sichtweise, wie sie häufig im linken Spektrum vertreten wird – eine Sichtweise, die die „Gewalt und Ideologie der Hamas ausblendet und Israel alleinige Schuld zuschreibt“.
Dabei, so Reitz, sei es gerade aus deutscher Sicht zentral, die Bedrohung durch die Hamas klar zu benennen. Diese sei nicht nur eine militärische Organisation, sondern folge einer "genozidalen Ideologie", deren erklärtes Ziel die Vernichtung jüdischen Lebens sei. Ein Sieg über die Hamas liege daher auch im Interesse der Bundesrepublik.
Israel, Hamas und die Proteste auf deutschen Straßen
Die innenpolitische Dimension der Merz-Äußerungen ist laut dem FOCUS-online-Chefkorrespondenten ebenfalls nicht zu unterschätzen. Wenn der Bundeskanzler die Gewalt Israels thematisiert, aber die Verbrechen der Hamas außen vor lässt, könne dies laut Reitz von den "falschen Seiten" als Bestätigung empfunden werden.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich rufe zu Vorsicht in der Debatte auf: Politiker sollten vermeiden, antisemitische Narrative zu bedienen, die Judenhass mit Verweis auf Israels Kriegsführung relativieren."
Auch in Hinblick auf die Waffenhilfe für Israel ist Merz' Kritik brisant. Diese Unterstützung sei seit den 1950er Jahren Teil der deutschen Staatsräson – eine Linie, die Konrad Adenauer in den ersten Jahren der Bundesrepublik mitbegründet hat, sagt Reitz.
Er hält es für kaum vorstellbar, dass ein CDU-Kanzler nun diese besondere Beziehung aufkündigt – sollte Merz tatsächlich auf politische Konsequenzen seiner Kritik drängen.