Der Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitswesen ist ein ernsthaftes Problem, das sich in verschiedenen Bereichen zeigt. Obwohl viele Menschen in Deutschland Medizin studieren, entscheiden sich viele für die Wirtschaft oder arbeiten im Ausland, etwa in der Schweiz oder in Skandinavien.
Gründe dafür sind unter anderem die nicht familienfreundlichen Arbeitszeiten, das verbesserungsbedürftige Arbeitsklima und das Fehlen einer intelligenten Willkommenskultur.
Über Mimoun Azizi
Der Facharzt für Neurologie Dr. med. Mimoun Azizi, M.A., ist seit 1. April 2025 geschäftsführender Chefarzt und Leiter des Zentrums für Geriatrie und Neurogeriatrie im Klinikverbund Südwest (KVSW). Darüber hinaus ist er Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und besitzt u.a. Zusatzqualifikationen in der Notfallmedizin, Geriatrie und Palliativmedizin. Der Autor verschiedener Fachbücher und -artikel besitzt zudem einen Magister der Politikwissenschaften und Soziologie sowie einen Master der Philosophie.
Wie Deutschland sich unattraktiv macht für Einwanderung hochqualifizierter Ärzte
Ausländische Fachkräfte haben es im deutschen Gesundheitssystem oft schwer: Die Behördengänge sind kompliziert, intransparent und dauern sehr lange. Die Dauer bis zur Erlangung der Beruf- und Arbeitserlaubnis kann mehrere Monate betragen, was für Arbeitgeber problematisch ist, da sie auf neue Fachkräfte angewiesen sind und diese nicht so lange warten können. Zudem haben viele medizinische Fachkräfte, insbesondere in manchen Regionen, Angst vor Diskriminierung im Alltag und um die Sicherheit ihrer Familien, was sie von einer Arbeit in Deutschland abhält.
Obwohl das deutsche Gesundheitssystem weltweit als sehr effizient gilt, wirkt es nach außen hin unattraktiv und wenig einladend. Die Annahme, dass keine Fachkräfte fehlen oder dass man sie im Inland gewinnen könnte, ist fern jeglicher Realität. Der Mangel ist vorhanden und droht sich zu verschärfen. Besonders Ärztinnen mit Migrationshintergrund, die einen großen Anteil in den Krankenhäusern ausmachen, denken zunehmend an eine Auswanderung, was die Situation noch dramatisch verschärfen könnte.
Rahmenbedingungen für Ärzte verbessern, sonst droht Abwanderung und schlechtere Versorgung
Der politische Diskurs rund um Migration ist oft polarisiert und schreckt viele ab, obwohl Deutschland auf diese Fachkräfte angewiesen ist. Es wäre sinnvoll, eine differenzierte Diskussion zu führen und die Potenziale dieser Menschen zu erkennen. So könnten beispielsweise Ärztinnen mit Migrationshintergrund, die hier die Weiterbildung zum Facharzt absolvieren, vertraglich verpflichtet werden, einige Jahre auf dem Land zu arbeiten, um die Versorgung dort zu sichern.
Auch die Zugangsvoraussetzungen zum Medizinstudium, wie der Numerus clausus, sollten überdacht werden. Mehr Menschen aus sozial schwächeren Gruppen sollten die Chance erhalten, Medizin zu studieren, um den Fachkräftemangel langfristig zu mildern.
Appell an die politischen Entscheidungsträger
Letztlich liegt die Verantwortung bei der Politik: Sie muss rational, effektiv und bürokratiearm handeln, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Nur so kann das deutsche Gesundheitssystem auch in Zukunft funktionsfähig bleiben und weiterhin eines der besten weltweit sein.
Wenn rasch ein Umdenken stattfindet, dann ist eine Rettung möglich. Das betrifft auch den Bereich Pflege. Langes Abwarten und zähe Diskussionen, die ideologisch untermauert sind, helfen niemandem!
Andere Länder nehmen Vorreiterrolle ein
Der weltweite Kampf um Fachkräfte hat schon längst begonnen. Auch Länder wie Japan, die nicht bekannt dafür waren, Ausländer als Fachkräfte ins Land zu lassen, haben ihre Doktrin geändert. Deutschland hinkt hinterher und ist sich den Folgen des Fachkräftemangels in der Patientenversorgung nicht ausreichend bewusst.
Die Politiker von heute, die gegen diese Fachkräfte aus dem Ausland Stimmung machen, sind die Patienten von Morgen, die es schwer haben werden, schnell und effizient medizinisch behandelt zu werden. Die Folgen wären noch längere Wartezeiten auf einen Facharzttermin und eine adäquate Behandlung. Vorteile haben hier nur die Patienten, die privat versichert sind. Sie erhalten rasch Termine und werden bevorzugt behandelt.
Ungleichheit widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen
Solch eine Ungleichheit dürfte es im Gesundheitssystem, das dafür da ist, der gesamten Bevölkerung zu dienen, nicht geben. Damit erzeugt man automatisch eine Ungleichbehandlung! Oder warum erhalten privatversicherte Menschen einen Arzttermin innerhalb weniger Tage, während der gesetzlich Versicherte meist Wochen bis Monate darauf warten muss? Medizinisch kann diese unethische Vorgehensweise nicht gerechtfertigt werden.
Wir sollten uns hierzulande ein Beispiel an Spanien nehmen: Dort wächst die Bevölkerung, die Krankenhäuser haben kaum Fachkräftemangel und die Wirtschaft wächst. So funktioniert eine kluge Migrationspolitik ohne leere Phrasen und Polemik.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.