Heftige Gefechte in Syrien: Rebellen erobern den Norden – Iranischer General getötet

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Kämpfer der Nationalen Befreiungsfront bereiten sich darauf vor, sich der Militäraktion anzuschließen, die von den Oppositionsparteien als Antwort auf die Aggression in den Gouvernements Idlib und Aleppo gestartet wurde. © Anas Alkharboutli/dpa

In Syrien flammt der Krieg erneut auf. Von der Türkei unterstützte Rebellen marschieren auf Aleppo zu. Das Assad-Regime ist in Bedrängnis.

Aleppo/Idlib – Nach mehreren Jahren blutigen Bürgerkrieges herrschte in weiten Teilen Syriens in den vergangenen Jahren Ruhe. Diese Ruhe schien zwar leicht zerbrechlich. Dennoch konnte die Bevölkerung vor allem im Norden und Nordwesten des Landes ein weitgehend friedlicheres Leben genießen. Nach russischen Militäreingriffen, türkischen Bodenoffensiven und schweren Gefechten zwischen Rebellen und dem Regime von Baschar al-Assad schienen sich die Grenzen der Gebiete, die von den jeweiligen Parteien kontrolliert wurden, gefestigt zu haben.

Diese Ruhe ist nun jedoch schlagartig verflogen. In westlichen Gebieten der syrischen Großstadt Aleppo liefern sich Rebellen, die vor allem von der Türkei unterstützt werden, Gefechte mit syrischen Regierungstruppen. Ihr Vormarsch ist bemerkenswert – und scheint bislang unaufhaltsam.

Rebellen starten Offensive in Richtung Aleppo: Vormarsch gegen Assad-Regime in Syrien

Mitte November intensivierten sich die Angriffe russischer und syrischer Truppen gegen Gebiete, die unter Kontrolle der syrischen Rebellen stehen. Die Stadt Idlib im Nordwesten von Syrien gilt als Hochburg der Rebellen. Die ländlichen Gebiete um die Stadt herum wurden in den vergangenen Tagen immer wieder Ziel von Attacken. Außerdem sammelte das Regime Truppen an, wahrscheinlich für einen erneuten Angriff auf Oppositionsgebiete.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Die einzelnen Gegenschläge von separaten Rebellentruppen mündeten in einer gemeinsamen Bodenoffensive gegen das Assad-Regime. Am Mittwoch (27. November) teilte das Hauptquartier der syrischen Rebellen mit, man habe einen vereinten Angriff mit dem Namen „Abschreckung der Aggression“ gestartet. Ursprünglich handelte es sich um eine begrenzte Operation, wie eine türkische Militärquelle gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mitteilte. Das Ziel: Lediglich die Angriffe stoppen.

Doch die syrischen Regierungstruppen konnten der Flut von Rebellen nicht standhalten und zogen sich aus ihren Positionen zurück. Daraufhin, so die türkische Quelle, habe man die Bodenoffensive ausgeweitet und weitere Ziele ins Visier genommen. So wie es aussieht mit großem Erfolg: Am Freitag meldete das Rebellen-Hauptquartier, man habe die gesamte Provinz West-Aleppo eingenommen.

Rebellen in Syrien auf dem Vormarsch – mit türkischer Genehmigung? Assad-Regime in Bedrängnis

Lokalen Quellen zufolge haben Rebellen mehr als 35 Dörfer und Siedlungen sowie militärische Punkte in Syrien unter ihre Kontrolle gebracht: mit schweren Verlusten für Regime-Truppen. Dazu gehören etwa strategische Orte wie Kafr Halab, Khan Asal und Mansoura sowie das Hauptquartier des 46. Regiments syrischer Regierungseinheiten. Das 46. Regiment war wohl für einen Großteil der Angriffe auf Idlib verantwortlich. Videos in sozialen Medien zeigen, wie Rebellentruppen vor dem Stützpunkt posieren, jubeln und sich für weitere Eroberungen bereitmachen. Weitere Aufnahmen zeigen Bodycam-Videos der Zusammenstöße mit Regierungstruppen.

Die Türkei scheint den Vormarsch der Rebellen genehmigt zu haben. Eine weitere türkische Militärquelle sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, der Vormarsch der Rebellen finde innerhalb der Grenzen des „Deeskalationsgebiets“ von 2019 statt. Dabei bezieht sich die Quelle auf ein Abkommen zwischen der Türkei, Russland und dem Iran aus dem Jahr 2019. Das damals vereinbarte Gebiet der Rebellen, wo es angeblich nicht zu Angriffen kommen sollte, wurde allerdings im Laufe der Zeit immer kleiner. Mit russischer Hilfe attackierte das Assad-Regime immer wieder die Rebellen. Türkische Observierungspunkte, die das Gebiet bewachen sollten, mussten schließen und wurden an andere Orte verlagert.

Nun hat sich das Blatt aber gewendet: Die Rebellen haben sehr viele Gebiete, die sie an das Regime verloren hatten, zurückerobert und rücken in Richtung Aleppo vor. Einem Bericht des arabischen Senders Al Jazeera zufolge räumte eine syrische Militärquelle ein, die Rebellen seien nur noch 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Außerdem würden sie nur wenige Kilometer vor der Stadt Nubl-Zahraa nördlich von Aleppo stehen, die als Verteidigungslinie gilt. Die Rebellen beschlagnahmten zudem dutzende Panzer sowie reichlich Waffen und Munition.

Aleppo im Visier: Rebellen in Syrien starten Offensive und töten auch iranischen General

Auch vom Iran unterstützte schiitische Milizen kämpfen aktuell im Nordwesten von Syrien gegen die Rebellen. Dabei mussten sie schwere Verluste einstecken. Auch ein General der Iranischen Revolutionsgarde wurde getötet, wie die iranische semi-offizielle Tasnim-Agentur bestätigte. Der hochrangige iranische Militärberater, General Kioumars Pourhashemi, sei bei den Gefechten ums Leben gekommen. Pourhashemi war offenbar ein bedeutender General der Revolutionsgarde.

Die Rebellen waren im Jahr 2016 endgültig aus Aleppo vertrieben worden. Eine große Rolle spielte dabei nicht nur der Iran, sondern auch Russland. Der Kreml unter Russlands Präsident Wladimir Putin war dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad im Jahr 2015 zur Hilfe geeilt. Damals kontrollierten die Rebellen einen Großteil von Syrien: Selbst der Palast von Assad in Damaskus war in Reichweite der Mörser der Rebellen, nur wenige Hundert Meter trennten die Oppositionskämpfer von Assad. Dank Russlands Hilfe und mit dutzenden Massakern an der Zivilbevölkerung konnte Assad seine Kontrolle über das Land aufrechthalten.

Bei den jüngsten Zusammenstößen verhält sich Russland jedoch überraschend leise. Zwar attackierten russische Kampfflugzeuge vereinzelt Regionen um Idlib herum, doch die Reaktion fiel sehr schwach aus. Von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hieß es lediglich, die Offensive der Rebellen sei ein „Angriff auf die Souveränität“ von Syrien. „Wir sprechen uns für die Wiederherstellung von Stabilität in der Region aus“, so Peskow.

Syrische Rebellen rücken auf Aleppo vor: Kamikazedrohnen und Nachtsichtgeräte

Beobachter führen den großen Erfolg der Rebellen auf ihre gute Vorbereitung im Laufe der vergangenen Jahre und unter anderem den Einsatz von Technologie zurück. Das Hauptquartier der Rebellen veröffentlichte im Zuge der Offensive gegen das Regime Aufnahmen von Angriffen mit Kamikazedrohnen – so wie sie bereits im Ukraine-Krieg großflächig eingesetzt werden. Fotos in sozialen Medien zeigen auch, dass Rebellen Nachtsichtgeräte und weitere, hoch entwickelte militärische Ausrüstung einsetzen. Die iranischen Milizen in der Region hingegen sind weitaus schlechter ausgerüstet.

Der arabische Politikwissenschaftler Mahmoud al-Afandy verwies in einem Interview mit Sky News Arabia außerdem auf die Rolle der Türkei bei der Unterstützung der Rebellengruppen. Diese werden hauptsächlich von Ankara ausgerüstet, setzen unter anderem auch türkische Waffen und Munition ein und nehmen an türkischen Bodenoperationen in Syrien teil. „Es ist klar, dass die Türkei grünes Licht für den Beginn der Operationen gegeben hat“, so al-Afandy.

Fest steht jedenfalls, dass die Rebellen so nah an Aleppo sind, wie seit Jahren nicht mehr. Sie werden das aktuelle Momentum ausnutzen wollen, um in die Stadt einzudringen. Als sie 2016 die Stadt verlassen mussten, hatten sie an die Wände folgenden Spruch geschrieben: „Aleppo, wir werden zurückkehren.“ Dieser Moment scheint jetzt in greifbarer Nähe zu sein. (bb)

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