Syrien: Putin-Freund Assad zittert um Aleppo - Rebellen erobern Norden und rücken weiter vor
Die syrischen Rebellen starten eine überraschende Offensive und erobern strategische Gebiete zurück. Ihr Ziel: Die Großstadt Aleppo.
Update vom 29. November, 14.05 Uhr: Die syrischen Rebellen setzen ihren überraschenden und nahezu ungebremsten Vormarsch fort. Das Hauptquartier der Rebellen-Einheiten hat mitgeteilt, dass die ersten Truppen in Aleppo eingedrungen sind. Demnach wurden die Bezirke Al-Hamdaniyah und Neu-Aleppo bereits eingenommen und die Soldaten des Assad-Regimes vertrieben. Lokale Quellen melden außerdem auch die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Sarakib. Videoaufnahmen bestätigen das Eindringen der Rebellen in Aleppo und Sarakib. Nicht nur westlich von Aleppo, sondern auch südlich der Stadt dringen die Rebellen vor. Sie scheinen Aleppo umzingeln und belagern zu wollen.
Erstmeldung: Aleppo/Idlib – In den vergangenen Jahren war in großen Teilen Syriens, insbesondere im Norden und Nordwesten, eine fragile Ruhe eingekehrt. Nach Jahren des blutigen Bürgerkriegs, russischen Militärinterventionen, türkischen Bodenoffensiven und heftigen Kämpfen zwischen Rebellen und dem Regime von Baschar al-Assad, schienen die Grenzen der von den verschiedenen Parteien kontrollierten Gebiete stabil zu sein. Doch diese Ruhe ist nun abrupt zu Ende.
In den westlichen Bezirken der syrischen Metropole Aleppo liefern sich Rebellen, die hauptsächlich von der Türkei unterstützt werden, Kämpfe mit syrischen Regierungstruppen. Ihr Vormarsch ist beeindruckend und scheint bisher unaufhaltbar.
Rebellen starten Offensive in Richtung Aleppo: Vormarsch gegen Assad-Regime in Syrien
Mitte November verschärften sich die Angriffe russischer und syrischer Truppen auf Gebiete, die von syrischen Rebellen kontrolliert werden. Die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens ist eine Hochburg der Rebellen. Die ländlichen Gebiete rund um die Stadt wurden in den letzten Tagen immer wieder angegriffen. Zudem mobilisierte das Regime Truppen, vermutlich für einen erneuten „Angriff auf die Souveränität“ der Oppositionsgebiete.
Die Reaktion der Rebellen ließ nicht lange auf sich warten: Einzelne Gegenangriffe von separaten Rebellentruppen führten zu einer gemeinsamen Bodenoffensive gegen das Assad-Regime. Am Mittwoch, den 27. November, gab das Hauptquartier der syrischen Rebellen bekannt, dass sie eine vereinte Offensive mit dem Namen „Abschreckung der Aggression“ gestartet haben. Ursprünglich war es eine begrenzte Operation, wie eine türkische Militärquelle gegenüber Reuters berichtete, mit dem Ziel, lediglich die Angriffe zu stoppen.
Die syrischen Regierungstruppen konnten jedoch dem Ansturm der Rebellen nicht standhalten und zogen sich aus ihren Positionen zurück. Daraufhin, so die türkische Quelle, wurde die Bodenoffensive ausgeweitet und weitere Ziele ins Visier genommen. Mit scheinbar großem Erfolg: Am Freitag meldete das Rebellen-Hauptquartier, dass sie die gesamte Provinz West-Aleppo eingenommen haben.
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Rebellen in Syrien auf dem Vormarsch – mit türkischer Genehmigung? Assad-Regime in Bedrängnis
Lokale Quellen berichten, dass die Rebellen mehr als 35 Dörfer und Siedlungen sowie militärische Punkte in Syrien unter ihre Kontrolle gebracht haben, was zu schweren Verlusten für die Regierungstruppen führte. Dazu gehören strategische Orte wie Kafr Halab, Khan Asal und Mansoura sowie das Hauptquartier des 46. Regiments der syrischen Regierungseinheiten. Das 46. Regiment war offenbar für einen Großteil der Angriffe auf Idlib verantwortlich. Videos in sozialen Medien zeigen jubelnde Rebellentruppen vor dem Stützpunkt, die sich auf weitere Eroberungen vorbereiten. Weitere Aufnahmen zeigen Bodycam-Videos der Zusammenstöße mit Regierungstruppen.
Die Türkei scheint den Vormarsch der Rebellen genehmigt zu haben. Eine weitere türkische Militärquelle sagte gegenüber Reuters, dass der Vormarsch der Rebellen innerhalb der Grenzen des „Deeskalationsgebiets“ von 2019 stattfindet. Dies bezieht sich auf ein Abkommen zwischen der Türkei, Russland und dem Iran aus dem Jahr 2019. Das damals vereinbarte Gebiet der Rebellen, in dem es angeblich keine Angriffe geben sollte, wurde jedoch im Laufe der Zeit immer kleiner. Mit russischer Unterstützung griff das Assad-Regime immer wieder die Rebellen an. Türkische Beobachtungspunkte, die das Gebiet überwachen sollten, mussten geschlossen und an andere Orte verlegt werden.
Nun hat sich das Blatt gewendet: Die Rebellen haben viele Gebiete, die sie an das Regime verloren hatten, zurückerobert und rücken auf Aleppo vor. Laut einem Bericht des arabischen Senders Al Jazeera räumte eine syrische Militärquelle ein, dass die Rebellen nur noch 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt sind. Zudem stehen sie nur wenige Kilometer vor der Stadt Nubl-Zahraa nördlich von Aleppo, die als Verteidigungslinie gilt. Die Rebellen beschlagnahmten auch Dutzende von Panzern sowie eine große Menge an Waffen und Munition.
Aleppo im Visier: Rebellen in Syrien starten Offensive und töten auch iranischen General
Auch vom Iran unterstützte schiitische Milizen kämpfen derzeit im Nordwesten Syriens gegen die Rebellen und mussten dabei schwere Verluste hinnehmen. Ein General der Iranischen Revolutionsgarde wurde getötet, wie die iranische semi-offizielle Tasnim-Agentur bestätigte. Der hochrangige iranische Militärberater, General Kioumars Pourhashemi, kam bei den Kämpfen ums Leben. Pourhashemi war offenbar ein bedeutender General der Revolutionsgarde.
Die Rebellen wurden 2016 endgültig aus Aleppo vertrieben. Eine große Rolle spielten dabei nicht nur der Iran, sondern auch Russland. Der Kreml unter Russlands Präsident Wladimir Putin kam dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad 2015 zur Hilfe. Damals kontrollierten die Rebellen einen Großteil von Syrien: Selbst der Palast von Assad in Damaskus war in Reichweite der Mörser der Rebellen, nur wenige hundert Meter trennten die Oppositionskämpfer von Assad. Dank Russlands Hilfe und mit Dutzenden von Massakern an der Zivilbevölkerung konnte Assad seine Kontrolle über das Land aufrechterhalten.
Bei den jüngsten Zusammenstößen hat sich Russland jedoch überraschend zurückgehalten. Zwar griffen russische Kampfflugzeuge vereinzelt Regionen um Idlib an, doch die Reaktion war sehr schwach. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte lediglich, die Offensive der Rebellen sei ein „Angriff auf die Souveränität“ Syriens. „Wir sprechen uns für die Wiederherstellung von Stabilität in der Region aus“, so Peskow.
Syrische Rebellen rücken auf Aleppo vor: Kamikazedrohnen und Nachtsichtgeräte
Beobachter führen den großen Erfolg der Rebellen auf ihre gute Vorbereitung in den letzten Jahren und den Einsatz von Technologie zurück. Das Hauptquartier der Rebellen veröffentlichte im Zuge der Offensive gegen das Regime Aufnahmen von Angriffen mit Kamikazedrohnen, wie sie bereits im Ukraine-Krieg großflächig eingesetzt werden. Fotos in sozialen Medien zeigen auch, dass Rebellen Nachtsichtgeräte und weitere hochentwickelte militärische Ausrüstung einsetzen. Die iranischen Milizen in der Region sind hingegen deutlich schlechter ausgerüstet.
Der arabische Politikwissenschaftler Mahmoud al-Afandy wies in einem Interview mit Sky News Arabia auf die Rolle der Türkei bei der Unterstützung der Rebellengruppen hin. Diese werden hauptsächlich von Ankara ausgerüstet, setzen unter anderem auch türkische Waffen und Munition ein und nehmen an türkischen Bodenoperationen in Syrien teil. „Es ist klar, dass die Türkei grünes Licht für den Beginn der Operationen gegeben hat“, so al-Afandy.
Es steht fest, dass die Rebellen so nah an Aleppo sind, wie seit Jahren nicht mehr. Sie werden das aktuelle Momentum nutzen wollen, um in die Stadt einzudringen. Als sie 2016 die Stadt verlassen mussten, hatten sie an die Wände folgenden Spruch geschrieben: „Aleppo, wir werden zurückkehren.“ Dieser Moment scheint jetzt zum Greifen nah zu sein.