Beim Lügen erwischt: FDP redet Skandal um D-Day-Papier klein - heikle Aussagen fallen
Die FDP rutscht nach der Veröffentlichung ihres „D-Day“-Plans in eine politische Krise. Hochrangige FDPler stolpern über ihre Aussagen – Rücktrittsforderungen folgen.
München – Als FDP-Chef Christian Lindner kurz nach seiner Entlassung als Finanzminister und dem daraus resultierenden Ampel-Aus in Berlin vor die Mikrofone trat, war ihm vor allem ein Aspekt wichtig. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben seinen Rauswurf von langer Hand geplant, um den Sozialdemokraten im Wahlkampf einen Vorteil zu verschaffen. Dieser „kalkulierte Bruch“ – so Lindners Ausführung – zeige sich vor allem an der vorbereiteten Rede, die Scholz vom Teleprompter ablas und in der er seinen Finanzminister hart anging. Doch eben dieser Vorwurf des kalkulierten Bruchs dürfte sich spätestens seit Donnerstag als Eigentor erwiesen haben.
Am Nachmittag hatte die FDP selbst eine Präsentation veröffentlicht, in der mögliche Szenarien und Kommunikationsstrategien für einen Bruch der Ampel-Koalition behandelt wurden. Besonders martialisch war die Wortwahl. Das Ende der Koalition wurde als „D-Day“, die finale Phase des folgenden Wahlkampfs als „offene Feldschlacht“ bezeichnet. Unpassende Vergleiche, die für die FDP-Führung auch deswegen zum Problem werden könnten, weil deren Verwendung zuvor mehrfach und explizit öffentlich bestritten wurde. Die Freien Demokraten betreiben seit der Veröffentlichung Schadensbegrenzung und versuchen die politische Sprengkraft kleinzureden.

FDP-General nach D-Day-Papier: „Begriff nicht benutzt“ – Djir-Sarai stolpert über Aussagen
Erste Person im Fokus: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Am 18. November versicherte Djir-Sarai noch im Gespräch mit n-tv, dass der Begriff „D-Day“ mit Blick auf einen Bruch der Ampel-Koalition nicht gefallen sei. „Dieser Begriff ist nicht benutzt worden“, bekräftigte der FDP-General im Interview mit dem TV-Sender.
Seit der Veröffentlichung am Donnerstag weiß man: Die Aussage ist falsch. „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“ lautet die Überschrift der ersten sechs Folien in der Präsentation. Doch Djir-Sarai bekräftigt, nicht gelogen zu haben. „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier“, verteidigte der FDP-General seine Aussagen im Gespräch mit Welt. Etwaige Rücktrittsforderungen wies er zurück.
JuLi-Chefin bestritt D-Day-Papier: Brandmann rudert zurück und fordert Rücktritt von FDP-General
Für wen die Präsentation bestimmt war und wer sie zu Gesicht bekommen hat, lässt sich nur schwer nachweisen. Auch die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, gab vor einigen Tagen an, nicht an Gesprächen über etwaige Strategien teilgenommen zu haben – nahm die Teilnehmer jedoch in Schutz. „Ich kenne alle Personen, die bei diesen Gesprächen dabei gewesen sein sollen. Alle haben mir gegenüber klargemacht, dass sie von diesem Wort nichts gewusst und es auch nicht gesagt haben“, sagte die JuLi-Chefin im „Spitzengespräch“ des Spiegels über den Begriff D-Day.
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Die veröffentlichte Präsentation rücken auch diese Aussagen in ein schlechtes Licht und lassen zwei Optionen offen: Entweder hatten Gesprächsteilnehmer gegenüber Brandmann gelogen oder Brandmann hatte im Interview mit dem Spiegel die Unwahrheit gesagt.
Die JuLi-Chefin sah sich in einem X-Statement am Freitag als Opfer. „Das Papier, das gestern öffentlich wurde, ist einer liberalen Partei unwürdig“, schrieb Brandmann auf dem Kurznachrichtendienst. „Nicht nur die Öffentlichkeit muss den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei. Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht.“ Die politische Verantwortung trage laut Brandmann der Generalsekretär. „Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden“, hab sie am Freitag Djir-Sarai dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten.
Bezeichnete D-Day-Papier als „Märchen“: Kubicki bekennt sich nach Lügen-Vorwürfen „schuldig“
Mit seinen Aussagen zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte sich wohl auch FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestags bezeichnete die Recherchen über ein kalkuliertes Ampel-Aus von Zeit und SZ als „Märchen“. Seine Partei habe kein Drehbuch zum Ampel-Aus besessen, bekräftigte der FDP-Politiker. „Ich halte das für eine glatte Lüge. Ich kann definitiv ausschließen, dass die Information stimmt“, sagte Kubicki im Podcast des Portals The Pioneer. Die FDP-Präsentation vom Donnerstag spricht eine andere Sprache. Auf Seite sieben findet sich dort sogar eine „D-Day Ablaufpyramide“, die das Ampel-Aus in vier Phasen einteilt. Bei Phase vier handelt es sich um den viel zitierten „Beginn der offenen Feldschlacht“.
Kubicki gestand am Freitag in einem Beitrag auf X Fehler ein. „Ich bekenne mich schuldig. Ich wollte das Ende dieser Koalition (...)“, schrieb der FDP-Politiker. „Mir ist es völlig egal, wie es zu Ende ging. Ich bin froh, dass es zu Ende ist und wir endlich was Neues beginnen können“, führte Kubicki weiter aus.
Strack-Zimmermann fordert wegen Papier zum D-Day Selbstkritik und Aufarbeitung von der FDP
Deutlich selbstkritischer gab sich die frühere verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie sei bei dem Treffen nicht dabeigewesen, sehe es aber als folgerichtig an, sich mit „Ausstiegsszenarien auseinanderzusetzen“, schrieb die EU-Parlamentarierin auf X. „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar“, rügte Strack-Zimmermann ihre Parteikollegen. „Jetzt ist ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt.“
FDP-Chef Lindner beschwichtigte wegen D-Day-Papier – „Wo ist die Nachricht?“
Parteichef Lindner hatte sich nach den ersten Veröffentlichungen über Pläne der FDP zum Ampel-Aus noch beschwichtigend geäußert. Der FDP sei klar gewesen, dass man die Ampel verlassen müsse, wenn SPD und Grüne die geforderte Wirtschaftswende nicht mittragen würde. Ähnlich finale Aussagen hatte der Noch-Finanzminister auch bei seinem viel diskutierten Wirtschaftspapier durchblicken lassen. „Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?“ äußerte sich der FDP-Chef vor einigen Tagen in einem schriftlichen Statement zu den entsprechenden Recherchen von Zeit und SZ. Zu der Verwendung des Begriffs D-Day hielt sich Lindner jedoch bedeckt.
Ähnlich bedeckt hielt sich der Fraktionschef der Freien Demokraten im Bundestag. „Wir haben keinen Fehler gemacht. Wir haben uns auf Szenarien vorbereitet“, erklärte Christian Dürr am 19. November im Deutschlandfunk und bezog sich ebenfalls auf das Wirtschaftspapier der FDP. „Nicht richtig“, sei das gezielte Torpedieren der Koalition von Seiten der Sozialdemokraten gewesen, führte Dürr weiter aus.
FDP im Wahlkampf unter Druck: Partei rutscht wegen D-Day-Aussagen weiter in die Krise
Als Versuch einer Torpedierung könnte man auch das D-Day-Papier der FDP bezeichnen, nur dass der Torpedo sein eigentliches Ziel verfehlt und die Partei selbst getroffen hat. In den jüngsten Umfragen lagen die Freien Demokraten konstant unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die jüngsten Entwicklungen, um den geplanten „D-Day“ könnten den Absturz weiter beschleunigen – ob die Parteiführung davon gewusst hatte oder nicht. Auf sozialen Medien wird bereits gespottet, dass der geplante D-Day für die FDP eher zu einem Waterloo werden könnte. (fd)