Planungen für Offensive auf Hamas-Hochburg Rafah laufen – Israel rettet zwei Geiseln
Israels Premier Netanjahu erklärte, „vier Hamas-Battailone“ in Rafah im Süden des Gaza-Streifens zerschlagen zu wollen. Millionen Binnenflüchtlinge droht erneute Vertreibung.
Gaza/Tel Aviv – Israels Militär hat seine nächtlichen Operationen in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens vorerst abgeschlossen. Das berichtete die dpa am frühen Montagmorgen. Bei dem Einsatz wurden israelischen Angaben zur Folge zwei Geiseln aus der Gefangenschaft der islamistischen Hamas gerettet. Das von der Terrororganisation geführte Gesundheitsministerium für den Gazastreifen schätzte „etwa hundert“ getötete Palästinenser. Die Hamas differenziert bei Getöteten nicht zwischen ihren eigenen Kombattanten und Zivilisten. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen.

In Rafah an der Grenze zu Ägypten halten sich derzeit etwa 1,4 Millionen Binnenflüchtlinge hauptsächlich aus dem in Trümmern liegenden nördlichen Teil des Gazastreifens auf, schätzte die linksliberale israelische Tageszeitung Haaretz. Rafah ist damit neben Chan Junis der größte Zufluchtsort für Vertriebene des Krieges zwischen Israel und der Hamas. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete am frühen Montagmorgen unter Berufung auf medizinisches Personal in Rafah, dass bei den intensiven Luftangriffen in verschiedenen Teilen der Stadt Hunderte Menschen verletzt worden.
Netanjahu erteilt Angriffsbefehl auf Rafah – Unklare Zahl israelischer Geiseln noch am Leben
Israels rechtskonservativer Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte der Armee des Landes am Freitag den Befehl erteilt, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten. „Es ist unmöglich, das Kriegsziel der Eliminierung der Hamas zu erreichen, wenn vier Hamas-Bataillone in Rafah verbleiben“, ließ er mitteilen. Die Armee soll deshalb die Evakuierung der Zivilisten in Rafah vorbereiten. Aus seiner Sicht rechtfertigt die Zahl der im Gazastreifen verbleibenden Geiseln Israels massives militärisches Vorgehen. Auf die Frage, wie viele Geiseln nach seinem Kenntnisstand noch am Leben sind, antwortete Netanjahu am Sonntag in einem Interview mit dem US-Sender ABC News: „Ich denke genug, um unsere Anstrengungen zu rechtfertigen, die wir unternehmen.“

Viele Angehörige der Geiseln werfen Netanjahu vor, die von internationalen Vermittlern geführten Verhandlungen zu torpedieren, die zu einer Waffenruhe im Krieg mit der Hamas und zu einem Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge führen sollen. Am 7. Oktober überfielen Hamas-Terroristen mehrere Gemeinden im Süden Israels, massakrierten mehr als 1000 Zivilisten und verschleppten etwa 240 Menschen in den Gazastreifen. Etwa 100 von ihnen kamen durch die Verhandlungen bisher frei, 30 sollen inzwischen getötet worden sein.
US-Präsident Biden fordert „glaubwürdigen und umsetzbaren Plan“ für die Sicherheit der Zivilisten in Rafah
Bei einem Telefongespräch von US-Präsident Joe Biden mit Netanjahu am Sonntag ging es nach Angaben des Weißen Hauses um das gemeinsame Ziel, die Hamas zu besiegen und die langfristige Sicherheit Israels und des israelischen Volkes zu gewährleisten. Biden habe außerdem darauf gepocht, „die in den Verhandlungen (mit der Hamas) erzielten Fortschritte zu nutzen, um die Freilassung aller Geiseln so schnell wie möglich sicherzustellen“.
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Vor einem Voranschreiten der geplanten Militäroffensive in Rafah im Gazastreifen forderte Biden demnach von Israel ein überzeugendes Konzept für den Schutz der dortigen Zivilbevölkerung. In dem Telefonat mit Netanjahu habe Biden bekräftigt, es brauche „einen glaubwürdigen und umsetzbaren Plan, um die Sicherheit der mehr als eine Million Menschen, die dort Zuflucht suchen, zu gewährleisten“, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Außerdem habe der US-Präsident konkrete Schritte hin zu mehr humanitärer Hilfe verlangt.´

NYT-Bericht: Militäroffensive in Rafah wohl vor Beginn des Ramadans beendet
Israels Armee hat die Planung der Militäroffensive auf Rafah einem Medienbericht zufolge bisher nicht abgeschlossen. Sie werde „wahrscheinlich einige Zeit in Anspruch nehmen“ und sei auch bislang Netanjahu nicht vorgelegt worden, zitierte die New York Times (NYT) am Sonntag (Ortszeit) israelische Beamte und Analysten. Die US-Regierung habe gegenüber Israel zudem Bedenken mit Blick auf den am 10. März beginnenden muslimischen Fastenmonat Ramadan geäußert, berichtete die NYT weiter. Die Strategie sei „sehr komplex“. Israels Vorhaben stößt international auf Kritik. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte, dies wäre „eine humanitäre Katastrophe mit Ansage“.
Ägypten fürchtet, dass es zum Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai kommen könnte. Israel werden als Zufluchtsorte für die Vertriebenen Gebiete im Zentrum des Gazastreifens oder die Stadt Chan Junis erwogen, berichtete die dpa unter Berufung auf Parlamentarier aus Netanjahus konservativer Likud-Partei und einen Ex-General. Inwieweit diese Maßnahmen ausreichen, um Zivilisten im Gazastreifen effektiv zu schützen, ist mindestens unklar. Seit Kriegsbeginn gab es immer wieder Berichte über Hamas-Angriffe auf Fliehende und israelische Angriffe in den für die Zivilbevölkerung als „sicher“ ausgewiesenen Zonen. (kb mit dpa)