Als der Brauerei das Bier ausging: Ein Aha-Erlebnis hat Weihenstephan geholfen, groß zu werden

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Auf sein Wohl: Professor Josef Schrädler ist seit 25 Jahren Direktor der Staatsbrauerei Weihenstephan. In diesen Jahren hat er die häufig prämierten Biere vom Nährberg zur Weltmarke gemacht. © Lehmann

Von der abgehängten Freisinger Staatsbrauerei zur Weltmarke unter den Bieren: Brauerei-Weihenstephan-Direktor Prof. Josef Schrädler blickt im Interview auf den rasanten Wandel.

Freising – Als Professor Josef Schrädler im März 2000 Direktor der Brauerei Weihenstephan wurde, war sein neues Unternehmen noch nicht mal in Freising die Nummer Eins bei den Biertrinkern. 25 Jahre später ist sie eine Weltmarke. Zum Dienstjubiläum erklärt der 62-Jährige, wie er die Brauerei auf die Erfolgsspur gebracht hat, erzählt von Sommern, in denen das Weißbier ausging, von schlaflosen Nächten, dem ultimativen Stresstest und einem feudalen Besuch, den in Freising kaum jemand mitbekommen hat.

Herr Prof. Dr. Schrädler, vor 25 Jahren sind Sie Direktor der Staatsbrauerei Weihenstephan geworden. Wie kam es dazu?

Ich bin ursprünglich aus der Unternehmensberatung. In dieser Funktion hatte ich den Auftrag von den bayerischen Ministerien Wissenschaft und Finanzen, die Staatsbrauereien kritisch zu durchleuchten im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. Das habe ich gemacht und mir dann irgendwann gedacht: Jetzt habe ich so viele Jahre Unternehmensberatung gemacht, jetzt könnte ich eigentlich selbst auch mal ein Unternehmen führen.

Sie wurden also von der Brauerei zu einem neuen Karriereschritt inspiriert.

Ich fand immer schon, dass Weihenstephan eine sehr schöne Marke ist – mit der ganzen Historie und dem wissenschaftlichen Umfeld durch die TU in enger Nachbarschaft. Dieses Feld zwischen Tradition und Innovation fand ich sehr spannend. Und nachdem ich für die Staatsbrauerei ohnehin schon ein Beratungskonzept erstellt hatte, habe ich mir gedacht: Das könnte ich eigentlich auch selbst umsetzen.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag erinnern?

Da war mein leider schon verstorbener Vorgänger Georg Wohn noch da, der mich praktisch noch einen Monat ins Amt einführen und begleiten sollte. Der hat mir dann einen großen Stoß an Wiedervorlagen hingelegt – Sachen, die noch zu erledigen waren. Die habe ich dann halt ein bisschen durchgeschaut mit ihm gemeinsam und mir gedacht, das lasse ich jetzt erst mal so liegen. Als er dann weg war, habe ich die, ehrlich gesagt, einfach entsorgt. Ich habe mir gedacht: Wenn was Wichtiges dabei ist, wird schon jemand kommen. Es kam aber niemand.

Wie hat die Belegschaft auf Sie reagiert?

Natürlich war es eine Riesenumstellung. Ich war 37 Jahre, gerade mal halb so alt wie mein Vorgänger. Die Mitarbeiter haben sich schon erst mal gefragt: Was möchte der Junge jetzt da? Und dann war ich nicht einmal Brauer, sondern BWLer.

Wie hat die Welt der Staatsbrauerei damals ausgesehen?

Alles war viel kleiner. Die Brauerei ist ja ursprünglich gebaut worden für 150.000 Hektoliter. Produziert wurden damals so um die 180.000. Es war zwar gerade eine neue Fassabfüllung eingeweiht worden, aber der Rest der Brauerei war wirklich alt. Da war ein gewisser Investitionsstau da. Der ganze Lagerkeller-Bereich bis hin zum Sudhaus war veraltet und auch die Gebäude waren eher marode. Auch wirtschaftlich war die Brauerei in einer sehr schwierigen Situation. Das war mir aber ja schon im Vorfeld klar.

Die umliegenden Brauereien waren damals sicher besser aufgestellt.

Wie war das Standing der Brauerei in Freising?

Nicht so besonders gut. Die umliegenden Brauereien waren damals sicher besser aufgestellt. Wir hatten auch viele technische Probleme. Ich erinnere mich, dass im Lagerkeller im Sommer Plusgrade herrschten. Dabei benötigt man bei der Bierlagerung Minus-Grade. Wir haben, glaube ich, den ganzen Berg gekühlt, bloß nicht das Bier.

Wie haben Sie die Brauerei auf die Spur gebracht?

Für mich war klar, dass die Brauerei, auch wenn der Staat Eigentümer ist, schon wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen geführt werden muss. Ich war hier auch nicht verbeamtet. Ich habe immer Fünfjahres-Verträge geschlossen, die dann jeweils verlängert wurden.

Aber eine gewisse Rückversicherung hat der Freistaat der Brauerei vermutlich schon gegeben.

Ich höre sehr oft, dass es ja alles so einfach ist als Staatsbetrieb. Aber: Der Freistaat hat uns nichts geschenkt. Es ist nicht so, dass man sagt, wie viel Geld brauchst du, und dann kriegst du das so einfach. Man musste schon aus dem Cashflow zahlen, der damals ein bisschen klein war, oder eben aus Darlehen. Ich habe allerdings dem Ministerium geschrieben und nur im ersten Jahr um Tilgungsaussetzung für bestehende Kredite gebeten. Sonst wäre es sehr, sehr eng geworden. Damals haben die gesagt: Naja gut, dann machen wir das, aber wir hoffen, dass es dann auch funktioniert. Da habe ich natürlich ein bisschen ein Risiko fahren müssen.

Das Risiko hat sich offensichtlich ausgezahlt. Welche Schritte sind Sie dafür gegangen?

Ich habe zum einen an der Preispolitik etwas ändern müssen. Mein Gefühl war, dass Weihenstephan mit seiner Marke als „älteste Brauerei der Welt“ es aushält, wenn die Produkte etwas teurer werden. Und damit hatte ich auch recht. Wichtig war aber zum anderen auch, dass wir uns international deutlich breiter aufgestellt haben. Wir sind viel weniger abhängig vom heimischen Markt. Wenn es in Deutschland jetzt etwa teilweise nicht so gut läuft, dann fällt das nicht so sehr ins Gewicht, weil bei uns der Export jetzt fast 70 Prozent ausmacht –  gestreut auf fast 60 Länder.

In Ihrer Ägide hat sich die Brauerei enorm vergrößert.

Ich hatte da zwei Aha-Erlebnisse. Das Erste war, dass im Ministerium gesagt wurde, wir machen ein großes Fest, wenn wir die Braukapazität von 200.000 Hektoliter pro Jahr erreicht haben. Das war aber dann schon zwei Jahre nach meinem Einstieg der Fall. Dann haben wir doch nicht gefeiert, weil das Ziel doch ein bisschen zu schnell erreicht war.

Und das zweite Aha?

Das war 2003, als dieser ewig lange Jahrhundertsommer dafür sorgte, dass uns das Weißbier ausgegangen ist. Die Folge daraus war dann, dass wir die erste Gärkeller-Erweiterung machen mussten. Drei weitere kamen im Laufe der Jahre bis heute noch dazu. Heute produzieren wir 480.000 Hektoliter.

Sie haben allein seit 2011 im Rahmen eines Masterplans zwölf Großmaßnahmen ergriffen, um die Brauerei zu erweitern und zu modernisieren. An welches dieser Projekte erinnern Sie sich besonders?

Das war gleich unser erster Schritt der Masterplanung: Wir hatten in unseren ersten Lagerkellerabteilungen für untergäriges Bier noch uralte Aluminiumtankts drin. Die haben sich dort in einem historischen Gewölbe befunden. Da konnte ich natürlich jetzt schlecht den Hofgarten aufbohren und so die neuen Tanks reinheben. Also wurden die auseinandergeschnitten, und eine Spezialfirma hat in dem Keller den Tank zusammengeschweißt. Das war spannend.

Professor Josef Schrädler, Direktor der Staatsbrauerei Weihenstephan 2025
Der Baustellendirektor: Seit Josef Schrädler die Fäden in der Staatsbrauerei Weihenstephan zieht, wird die Infrastruktur stetig erneuert und erweitert. © Lehmann

Ihre größte Investition war aber dann mit rund 16 Millionen Euro das neue Logistikzentrum im Gewerbegebiet Clemensänger.

Stimmt. Das hat mich auch relativ viele Nerven gekostet hat, weil während der Rohbauphase der Hauptbauunternehmer insolvent gegangen ist. Der kam dann plötzlich nicht mehr auf die Baustelle. Da hatten wir dann schon mal eine schlaflose Nacht.

2019 konnten Sie mit einem großen Fest aber Einweihung feiern.

Da haben wir uns gedacht: So, jetzt sind wir richtig gut aufgestellt, jetzt geben wir Vollgas. Und dann kam Corona.

Ein krasser Einschnitt.

Das war schon brutal. Vor allem in der ersten Zeit, als plötzlich keiner mehr Fassbier gekauft hat, weil die ganze Gastronomie geschlossen war, und das weltweit.

Was hat Sie dann durch Corona durchgebracht?

Ich habe dem Ministerium gesagt: Freunde, wir brauchen jetzt irgendeine Liquiditätshilfe, weil alles weggebrochen ist. Auch hier ist mir wichtig zu erwähnen, dass wir nichts geschenkt bekamen. Wir haben dann ein Darlehen von einigen Millionen Euro zur Überbrückung in der Pandemie bekommen. 2021, als mit den Lockerungen alles wieder langsam hochgefahren wurde, hat die Brauerei aber dann schon wieder einen relativ hohen Gewinn ausgewiesen, obwohl immer noch Corona war. So konnten wir relativ schnell dieses millionenschwere Darlehen zurückzahlen. Das war der ultimative Stresstest für die Brauerei, der gezeigt hat, dass sie schon einiges aushält.

Erfolg kann ich nicht allein herbeiführen. Dazu braucht es viele Menschen.

Auf welche Leistung sind Sie am meisten stolz?

Auf den Gesamtweg. Ich freue mich, dass diese ganze strategische Ausrichtung, dieser Masterplan der Investitionen, Schritt für Schritt auch funktioniert hat. Und was ich auch sehr schön finde, ist, dass das Betriebsklima extrem gut ist. Dass die Leute so gut mitziehen, ist nicht ganz selbstverständlich. Ich bin da sehr teamorientiert. Den Erfolg kann ich nicht allein herbeiführen. Dafür braucht es viele Menschen.

Was hat Sie in all den Jahren angetrieben?

Das Miteinander hier. Deswegen bin ich hier hängengeblieben. Ich hatte ja zunächst nur einen Fünf-Jahres-Vertrag und immer mal auch andere Angebote. Aber jedes Mal, wenn ein neuer Ruf kam, habe ich mir gedacht: Mensch, ich habe von Anfang an immer von der Weihenstephaner Familie gesprochen, die kann ich ja jetzt nicht allein lassen.

Was war Ihr schönster Arbeitstag in 25 Jahren?

Also wenn ich mal ganz privat sprechen darf: Einer der schönsten Arbeitstage war der nach der Geburt meiner Tochter. Das war 2001. Ich war happy und habe gesagt, jetzt machen wir Folgendes: Jeder Wirt in der Umgebung kriegt ein Fass Bier geschenkt. Die waren alle ganz erstaunt. Was aber auch besonders war: als mich Prinz Albert von Monaco in Freising besucht hat.

Wann war das denn?

2006. Das war fast ein Privatbesuch, weil wir fast niemandem, auch der Presse nicht, Bescheid gegeben haben. Natürlich war die Polizei da aus München und hat den Berg gesichert, aber es ist nicht aufgefallen. Wir hatten dann eine Brauereiführung vereinbart und anschließend im Bräustüberl Weißwürste gegessen. Das war schön. Im Gegenzug bin ich von ihm später in Monaco zum Ritter geschlagen worden.

Professor Josef Schrädler, Direktor der Staatsbrauerei Weihenstephan 2006 mit Prinz Albert von Monaco im Bräustüberl
Der Prinz und sein Chevalier: 2006 hatte Josef Schrädler Albert von Monaco zu Gast im Bräustüberl – und kaum einer hat‘s mitbekommen. © Lehmann

Man darf Sie also Chevalier nennen?

Das ist tatsächlich so.

Der Chevalier hat immer Fünf-Jahres-Verträge bei der Staatsbrauerei unterschrieben. Das bedeutet, es wäre jetzt wieder einer fällig, oder?

Der ist schon unterschrieben. Ich bin jetzt 62 Jahre alt und hätte auch in Ruhestand gehen können. Aber dazu habe ich einfach noch zu viel Energie. Und es ist ja nicht gerade besonders schlimm, hier zu arbeiten. Es wird einfach nicht langweilig.

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