Staatssekretärin zu deutschem Geld für Radwege in Peru: „Wir denken uns diese Projekte nicht einfach aus“
Seit den Bauern-Protesten werden die Projekte des Bundesentwicklungsministeriums hinterfragt. Im Interview erklärt Staatssekretärin Bärbel Kofler (SPD) wie das Ministerium eigentlich arbeitet.
München/Berlin – Deutsche Gelder stehen für Projekte im Ausland zur Verfügung, aber nicht für die heimische Landwirtschaft: Mit diesem Vorwurf wird die Ampel-Koalition seit den Bauern-Protesten konfrontiert. Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) hat bereits in einem Fragenkatalog erörtert, welche Projekte es gibt und warum. Bärbel Kofler (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ und Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Traunstein, erklärt im Interview mit Ippen.Media, wie das Ministerium eigentlich arbeitet.
Frau Kofler, bringen so viele Einzelmaßnahmen wie etwa Fahrradwege in Lima wirklich etwas für das große Ganze?
Ja, denn die Maßnahmen stehen immer für etwas. Fahrradwege stehen für CO2-freien Verkehr. Lima ist eine der am stärksten wachsenden Städte in Lateinamerika. Deswegen arbeiten wir mit Peru gemeinsam daran, Alternativen zum Auto zu stärken. Das schützt letztlich die ganze Welt vor den Folgen des Klimawandels, auch uns. Denn ob das CO2 bei uns oder in Peru ausgestoßen wird, ist global gesehen nicht relevant. Die Fluten in Pakistan zum Beispiel haben doch auch denselben Auslöser wie das Hochwasser in Norddeutschland.
Wie können uns Gender-Trainings in anderen Ländern etwas nutzen?
Frauen sind die Hälfte der Menschheit. Wenn sie sich nicht gleichberechtigt einbringen können, schadet das der Entwicklung ganzer Länder enorm. Das ist also nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der Ökonomie. Ökonomisch wiederum hat Deutschland als Exportnation ein Interesse an starken und stabilen Partnerschaften. Jeder zweite Euro in unserem Land hängt von Export ab.
Das BMZ hat selbst kritische Fragen beantwortet. Warum gerade jetzt?
Weil sich viele Menschen diese Fragen stellen, nicht zuletzt auf den Bauerndemos. Uns hat dazu eine Vielzahl an Fragen von Bürgern, Abgeordneten und Medien erreicht. Es ist für uns eine Chance darzustellen, was Deutschland und Europa von Entwicklungszusammenarbeit haben.
Muss das BMZ also besser kommunizieren?
Das machen wir. Mit Zahlen, Daten, Fakten. Es ist natürlich so, dass die Entwicklungszusammenarbeit in der Vergangenheit nicht immer große Resonanz in der Öffentlichkeit erzeugt hat. Vermutlich, weil viele nicht auf Anhieb erkennen können, was sie mit uns in Deutschland zu tun hat. Wenn sich Deutschland als Exportnation in sein Schneckenhaus zurückzieht, wäre das kurzsichtig und langfristig teuer.
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Manche Vorhaben können für Außenstehende etwas exotisch klingen, wie kommt das BMZ zu solchen Projekten?
Die Projekte denken wir uns nicht einfach aus. Unsere Partnerländer sagen uns ihre Interessensfelder, an denen sie gerade arbeiten und wir überlegen uns: Ist das Thema auch aus deutscher Sicht relevant? Außerdem prüfen wir, ob es zu unseren internationalen Verpflichtungen passt. Im Kontext des CO2-neutralen Verkehrs in Peru wäre das das Pariser Klimaschutz-Abkommen. Bei der Umsetzung schauen wir dann darauf, wie die Sozial- und Umweltstandards sind, wie man die Korruptionsbekämpfung mit einbezieht und ob es arbeitsteilig zur Arbeit der anderen Entwicklungspartnern wie der EU passt.
Kofler: „Der Förderbetrag hängt auch immer von der deutschen Haushaltlage ab“
Wie funktioniert der Förderungsprozess genau vom Antrag bis zur ausgezahlten Förderung?
Wir haben 65 Partnerländer, mit denen wir regelmäßig Regierungsverhandlungen führen. Die werden von den Fachleuten vorbereitet und dann auf politischer Ebene beschlossen. Dabei werden gemeinsam Projekte, aber auch ganze Reformen beschlossen. Und es wird auch der Förderbetrag vereinbart – der hängt natürlich auch immer von der deutschen Haushaltslage ab. Die meisten unserer Vorhaben treiben unsere Partner aus eigenem Antrieb und mit unserer Unterstützung voran. Nur so kann Entwicklungszusammenarbeit auch auf Dauer erfolgreich sein.
Und wie funktionieren da die Prüfmechanismen?
Wir prüfen alle unsere Projekte kontinuierlich. Sie werden zum einen von den durchführenden Organisationen geprüft, zum anderen von uns, dem Bundesrechnungshof und unseren Partnerländern. Außerdem gibt es noch das unabhängige Prüfinstitut Deval, das Projekte der Entwicklungszusammenarbeit evaluiert. Wenn sich keine Erfolge einstellen, werden Projekte und Zusammenarbeiten auch mal beendet.
„Weitere Zusagen an UNRWA im Gaza-Streifen machen wir jetzt erst mal nicht“
Hat die Ampel da grundsätzlich eine andere Strategie als die Vorgänger-Regierung?
Wir wollen mit unseren Partnerländern mehr auf struktureller Ebene zusammenarbeiten. Das heißt: Ein Projekt in der Landwirtschaft ist für den Ort bestimmt ein sinnvolles Projekt. Aber für eine größere Wirkung arbeiten wir darüber hinaus daran, dass sich das Agrar- und Ernährungssystem insgesamt verändert, hin zu einer klimaschonenden Landwirtschaft und mehr Produktion in den Entwicklungsländern selbst.
Seit Kurzem gibt es Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Palästinenserhilfswerks UNRWA, sie hätten den Hamas-Terror gegen Israel unterstützt. Wie funktionieren dafür die Kontrollmechanismen?
Wir haben schon bislang sehr genau all unsere palästinensischen Projekte kontrolliert, auch in Abstimmung mit Israel. Das ist eine engmaschige und mehrstufige Überprüfung von lokalen Partnern und ihren Mitarbeitenden, von Material, das in den Gaza-Streifen eingeführt wird, sowie von Finanzflüssen. Es ist jetzt sehr wichtig, dass genau geklärt wird, was vorgefallen ist. Wir dulden keinerlei Unterstützung des Hamas-Terrorismus in irgendeiner Form. Weitere Zusagen an UNRWA im Gaza-Streifen machen wir jetzt erst mal nicht.