Aus „Wunder“ wird Schrott: Nächste Hyperschallrakete Russlands am Boden

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Viel Rauch um Putins „Wunderwaffe“: Eine russische Hyperschallrakete bei einem Test im Schwarzen Meer. Russland will damit Terror unter der Zivilbevölkerung verbreiten. (Archivfoto) © Alexei Druzhinin/dpa

Wieder Trümmer auf der Erde, wieder eine russische Hyperschallrakete – die Ukraine gewinnt mit ihrer Luftabwehr Stück für Stück den Himmel zurück.

Charkiw – Das „Wunder“ für Russland ist wieder ausgeblieben, dafür wundert sich die Ukraine: über die Verwundbarkeit der von Wladimir Putin viel gepriesenen Hyperschall-Raketen. Die Beweise häufen sich, dass die „Wunderwaffen“ im Ukraine-Krieg Rohrkrepierer bleiben. Auf X (vormals Twitter) hat jetzt der User „John Ridge“ ein Video veröffentlicht mit dem vermeintlichen Beweis, dass die Ukraine – erneut – im Raum Charkiw eine russische Hyperschallrakete Kh-32 abgeschossen hat. Das Video soll in der Nacht zum ersten Februar aufgenommen worden sein und zeigt Männer, die mit Taschenlampen um Wrackteile am Boden herumlaufen.

„John Ridge“ kommentiert, dass die Ukraine wohl immer fälschlicherweise abgestritten hat, mit ihrer Technik, die zum Teil noch aus Sowjetzeiten stammt, machtlos zu sein gegen Wladimir Putins zukunftsweisende Raketen-Technik. Yurii Ihnat, der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, äußerte jüngst gegenüber Newsweek, er sehe Anzeichen dafür, dass Russlands Wunderwaffen anfälliger seien als anfangs befürchtet. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit hat die Hyperschallrakete eine höhere Durchschlags- und Zerstörungskraft. Diese Waffen erreichen eine Geschwindigkeit von bis zu zehnfacher Schallgeschwindigkeit, also rund 12.000 Kilometer pro Stunde. Dabei tragen sie bis zu 480 Kilogramm Sprengstoff oder einen nuklearen Sprengkopf.

Die Vorstellung: Hyperschallraketen als Speerspitze der russischen Invasion

Laut russischen Angaben verfügt der neuartige Raketentyp über eine Reichweite von bis zu 2000 Kilometern. Damit wären die meisten europäischen Großstädte für solche Waffensysteme innerhalb von zehn bis 30 Minuten erreichbar. Im Jahr 2016 wurde die ursprünglich als Anti-Schiffs-Rakete konstruierte, luftgestützte Kh-32 für Tu-22M3-Bomber in Dienst gestellt. Der russische Politikwissenschaftler Konstantin Sivkov lobte deren Eigenschaften, die seiner Meinung nach das Gleichgewicht auf ozeanischen und maritimen Kriegsschauplätzen erheblich verändern würden, wie ihn das Magazin Navy Recognition zitiert. Russische Journalisten des Magazins Top War beschrieben die Rakete allerdings für multifunktionabel und insofern auch gegen Bodenziele erfolgreich einsetzbar.

Den erfolgreichen Einsatz bestätigt Top War. Tu-22M3-Bomber nahmen demnach fast von den ersten Wochen an am Ukraine-Krieg teil und führten verschiedene Operationen durch. Insbesondere griffen sie ukrainische Streitkräfte auf dem Territorium des Werks Mariupol Asow-Stahl an. Die ersten Berichte über den Einsatz von Lenkflugkörpern durch solche Bomber kamen Anfang Juli vom britischen Verteidigungsministerium. Die glaubten zu wissen, dass die russische Luftfahrt Schiffsabwehrraketen vom Typ Kh-22 und Kh-32 eingesetzt hat.

Die Realität: Hyperschallraketen Putins größter Flop

Allerdings hatte diese Technik eigentlich Russlands technologischen Vorsprung gegenüber dem Westen beweisen sollen. Der vermeintlich neuerliche Abschuss einer Hyperschallrakete kratzt kräftig am Nimbus der Wunderwaffe, was zuletzt das US-Magazin Newsweek berichtet hatte. Die von Putin viel gepriesene Hyperschallrakete in allen ihren Varianten scheint in der Ukraine den Erwartungen hinterherzuhinken, während Moskau sein winterliches Langstrecken-Bombardement gegen Kiew und andere Großstädte fortsetzt. Russische Streitkräfte haben während ihrer zweijährigen Invasion des Nachbarlandes regelmäßig Hyperschallraketen eingesetzt, die Putin 2018 als eine der „unbesiegbaren“ Waffen Moskaus bezeichnete, um landesweit ukrainische Städte und Infrastrukturziele zu vernichten.

Autor Stefan Troendle hat Putins „Wunderwaffe“ im Südwestrundfunk rundheraus zerpflückt: „Diese angeblich nicht nachweisbare russische Präzisionswaffe ist vor allem eine Propagandawaffe. Denn eine Rakete, die mit angeblich zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegt und auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden kann, soll zunächst Angst verbreiten.“ Diesem Terror gegenüber der Zivilbevölkerung schien die Ukraine lange machtlos entgegenzustehen – die Raketen wechseln in der finalen Anflugphase in einen steilen Sturzflug, der sie für feindliches Radar schwer erkennbar macht.

Die Zukunft: In der Luft über der Ukraine fliegt viel russischer Schrott

Allerdings haben die Patriot-Luftabwehrraketen zunehmend bessere Chancen. Nach Angaben Kyiv Post sind die Erfolge der Ukraine gegenüber der modernen Technik klar ersichtlich: Ihr zufolge konnte die Ukraine seit Februar 2022 rund ein Drittel aller ins Land gefeuerten Kinschal abschießen. Wie der Focus jüngst berichtete, sind Ingenieure am ukrainischen Forschungsinstituts für forensische Expertise längst dabei, den Wrackteilen abgeschossener Hyperschallraketen Geheimnisse über ihre Schwachstellen zu entlocken.

„Was wir beim Einsatz der russischen, sogenannten, Hochpräzisionswaffen sehen, ist, dass es an Genauigkeit mangelt“, sagt Andrij Kultschitskyji, der Leiter des Instituts. Als Beispiel dafür nennt er den Beschuss von Kiew Anfang Januar, bei dem eine Rakete neben einem Wohnblock in der Nähe des Hauptbahnhofs einschlug und vier Menschen tötete. „Wenn sie eine Zielgenauigkeit von sieben bis zehn Metern angeben und die Rakete dann in 50 bis 100 Metern Entfernung einschlägt, bedeutet das, dass es in der russischen Industrie Produktionsprobleme gibt.“ Mit fehlenden Komponenten habe das nicht unbedingt zu tun – die russische Rüstungsindustrie sei immer noch leistungsfähig.

Viel Masse, wenig Klasse. Anfang Januar schlug in der Region Sumy im Norden der Ukraine an der Grenze zu Russland eine Kh-32 auf einem Feld ein, sagt Kultschitskyji. „Die ist einfach vom Himmel gefallen und auseinander gebrochen.“ (Karsten Hinzmann)

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