EU-Ausschreibung fordert Gemeinden: Bauamtsleiter gibt Einblick - „Auch kleine Betriebe haben es schwer“
Die EU-Ausschreibung stellt sich als kompliziert für Kommunen und Unternehmen dar. Joseph Soyer gibt Einblicke aus der Praxis.
Landkreis – Wo es um öffentliche Bauvorhaben geht, fällt ein Begriff regelmäßig: die „EU-Ausschreibung“. Was den Kommunen bei einer schnellen Auftragsvergabe nicht immer gelegen kommt, soll – so die Theorie – einen freien Wettbewerb in der EU ermöglichen. In der Praxis ist das aber gar nicht so einfach, wie Joseph Soyer (26) exemplarisch aufzeigt. Der Bauamtsleiter aus Fischbachau sagt: „Bei größeren Bauvorhaben wird man künftig immer häufiger in der EU-Vergabe landen.“ Das hat Vor- und Nachteile. Am Ende bleiben Angebote aus dem Ausland aber ohnehin die Ausnahme (siehe Kasten). Diesen seltenen Fällen steht ein enormer Mehraufwand gegenüber – für Kommunen, aber auch für Unternehmen.
Er selbst, sagt Soyer, habe bislang keine EU-Vergabe durchgeführt – „wir haben die Kapazitäten dafür nicht“. Deshalb habe die Gemeinde im aktuellen Vergabeverfahren für den Neubau des Feuerwehrhauses den Zweckverband Kommunale Dienste Oberland (ZKD) beauftragt. Ohne die Mitgliedschaft wäre ein Vergaberechtsanwalt nötig gewesen, erklärt Soyer. „Das ist für uns ein Nachteil, weil wir längere Verfahren und damit auch höhere Kosten haben.“
In der EU-Ausschreibung setzte sich ein Rottacher durch
Der Grund dafür liege beispielsweise darin, dass die Ausschreibung in vielen Sprachen veröffentlicht werden müsse; neben deutsch etwa auf englisch, spanisch und italienisch. Weiter ist die Ausschreibung genau reguliert. So dürfe etwa keine bestimmte Marke gefordert werden. „Ich muss auch Dachziegel aus Portugal nehmen, wenn sie vergleichbar sind“, erklärt Soyer. Ausgeschlossen werden dürften einzelne Firmen nur unter strengen Kriterien, etwa bei Konkursverfahren oder falschen Angaben. „Wenn es dafür Gründe gäbe, erfährt man davon aber meistens erst hinterher“, sagt der Bauamtsleiter. Das alles mache das Verfahren „langwierig“. Am Beispiel Feuerwehrhaus verdeutlich er: „Wir haben die Objektplanungsleistung ausgeschrieben und den Zuschlag neun Monate später vergeben“ – an einen Rottacher Architekten. Bei einer nationalen Ausschreibung hätte es bis zur Vergabe wohl nur drei bis vier Monate gedauert, meint Soyer – mit letztlich gleichem Ergebnis.
Beworben hatten sich zuvor fünf Teilnehmer, darunter auch ein Architekturbüro aus Ungarn, das auch ein Büro in München habe. Ein Bewerber hatte die Ausschreibung verfehlt. Drei seien letztlich in die engere Wahl gekommen und durften ein Angebot abgeben, das nach Punkten bewertet wurde. „Zuvor hatten wir Zuschlagskriterien gebildet“, erklärt Soyer. Neben dem Preis spielten hier etwa die Erreichbarkeit während der Bauzeit und Referenzen bei ähnlichen Arbeiten eine Rolle. Nach der Gewichtung erhielt das Angebot mit den meisten Punkten den Zuschlag.
Unterschiedliche Voraussetzungen in den Ländern
Eigentlich würden die Startbedingungen EU-Ausschreibungen aber schwer vergleichbar machen, meint Soyer. So gebe es unterschiedliche Lohnniveaus und Mehrwertsteuersätze im Ausland, im Garantiefall seien die Firmen schwer greifbar. „Dann bin ich ohnehin wieder gezwungen, auf den örtlichen Unternehmer zurückzugreifen.“ Als dritten Nachteil benennt der Bauamtsleiter die hohen Anforderungen an die Bieter. „Kleine und mittelständische Unternehmen haben es schwer.“ Allein die nötige EDV-Ausstattung sei für sie schon eine große Hürde.
Nötig ist die EU-Ausschreibung trotzdem ab bestimmten Schwellenwerten – und die werden zumindest im Bereich der Planung künftig wohl häufiger überschritten. Denn: Früher durften die Planungsleistungen noch getrennt ausgeschrieben werden, etwa für Elektrik und Statik. „Heute muss man alles zusammenrechnen“, sagt Soyer. Das Feuerwehrhaus war für ihn das erste Projekt mit einer EU-Ausschreibung seit seinem Dienstantritt im Rathaus vor knapp zwei Jahren. Doch schon jetzt würden sich mit der Erweiterung der Grundschule und dem Kindergarten zwei Projekte abzeichnen, die wohl über den Grenzwerten liegen werden. nap
Zweckverband: Angebote aus dem Ausland „sehr selten“
Insbesondere größere und damit zeitintensivere Ausschreibungen führen viele Kommunen nicht selbst durch, sondern beauftragen beispielsweise den Zweckverband Kommunale Dienste Oberland (KDZ) damit. Darin sind elf der 17 Städte und Gemeinden im Landkreis Mitglied, was gut sieben Prozent der Zahl der Gesamtmitglieder (153) entspricht.
Für alle Mitglieder zusammen führte der KDZ im vergangenen Jahr 441 Ausschreibungen durch; knapp ein Drittel davon waren EU-Ausschreibungen, sagt Christin Hensel. Die Leiterin des Bereichs Zentrale Beschaffung führt diesen recht hohen Anteil darauf zurück, dass Kommunen EU-Ausschreibungen eher auslagern als solche, die nur national veröffentlicht werden.
Grund dafür dürften die höhere Komplexität und die steigenden rechtlichen Anforderungen sein, vermutet Hensel. „Das muss Hand und Fuß haben.“ Pauschal aufwendiger seien EU-Ausschreibungen jedoch nicht; wichtiger seien Art und Umfang.
Wann eine EU-weite Veröffentlichung Pflicht ist, entscheiden Schwellenwerte, die immer für zwei Jahre gültig sind. Wie Hensel erklärt, liegen diese seit Jahresbeginn bei 215 000 Euro netto Auftragsvolumen für Planungs-, Liefer- und Dienstleistungen. Für Baumaßnahmen beträgt der Schwellenwert aktuell 5,538 Millionen Euro netto.
Zur Berechnung können Arbeiten nicht einzeln ausgeschrieben werden, erklärt Hensel. „Man muss alle Gewerke addieren.“ Gleiches gelte, etwa bei einem Rathaus-Neubau, auch für einzelne Bereiche wie Mobiliar oder IT-Ausstattung. Wird das Rathaus indes teilsaniert, muss nur die „Erweiterungsbeschaffung“ ausgeschrieben werden, die dann auch nicht produktneutral sein muss, was in vielen anderen Fällen verpflichtend wäre.
Während bei der nationalen Ausschreibung einer einzelnen Baumaßnahme beispielsweise mit Angeboten nach sieben bis acht Wochen zu rechnen ist, würde eine EU-Ausschreibung im gleichen Fall wohl drei bis vier Wochen länger laufen, schätzt Hensel. Pauschal lasse sich die Dauer aber nicht ausdrücken.
Allerdings, erklärt die Leiterin, würden nur „sehr selten“ tatsächlich Angebote aus dem Ausland eingehen. Hensel schätzt den Anteil auf ein bis zwei Prozent. „Viele Österreicher bewerben sich, haben aber oft auch ein Büro in Deutschland.“
Andernorts würden Firmen aus nordischen Ländern verstärkt auf den Markt der Planungsleistungen drängen. „Aber davon ist hier noch nichts zu spüren.“ nap
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