Flucht vor dem Krieg - Kyjiw reagiert mit Strafen auf Deserteure
Im Krieg mit Russland gehen der Ukraine die Soldaten aus, doch viele Männer fliehen aus dem Land. Ein neues Gesetz zur Mobilmachung soll Abhilfe verschaffen.
Kiew - Das ukrainische Parlament hat nach monatelanger Diskussion ein umstrittenes Gesetz zur Mobilmachung verabschiedet. Für die Novelle stimmten 283 Abgeordnete bei 226 notwendigen Stimmen, meldete unter anderem die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrainska Pravda am Donnerstag. Nicht im endgültigen Text enthalten ist dabei das Recht für Soldaten, nach drei Jahren ihren Dienst zu quittieren. Im Vorfeld hieß es, dass dazu ein gesondertes Gesetz verabschiedet werden soll.
Hauptsächlich verschärft das Gesetz die Regeln der Erfassung von Wehrfähigen. Mit Inkrafttreten sind alle Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren verpflichtet, während des geltenden Kriegsrechts ihren Wehrpass bei sich zu führen. Innerhalb von zwei Monaten müssen die Männer auch ihre persönlichen Daten auf den aktuellen Stand bringen, ansonsten drohen Strafen. Wie der britische TV-Sender Sky News berichtet, würden sich darum viele ukrainische Männer von Schmugglern über die Grenze bringen lassen. Die Nachfrage sei aktuell extrem hoch, heißt es in einem Beitrag.
Krieg in der Ukraine: Neues Gesetz erhöht Druck auf Männer in wehrfähigem Alter
Neue ukrainische Reisedokumente im Ausland werden zukünftig nur noch bei vorhandenen Wehrpapieren ausgestellt. Diese sind jedoch nur bei einer Rückkehr in die Ukraine erhältlich. Neben Geldstrafen für ignorierte Einberufungen und Musterungsbescheide droht zukünftig auch mit wenigen Ausnahmen der Entzug der Fahrerlaubnis. Angedachte Kontosperrungen für diesen Fall wurden verworfen.

In der seit über zwei Jahren andauernden russischen Invasion haben die ukrainischen Streitkräfte immer größere Probleme, ihre Verluste mit neuen Soldaten auszugleichen. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte dafür kürzlich ein Gesetz in Kraft gesetzt, welches das Alter für Reservisten von 27 auf 25 Jahre absenkt. Damit können Männer zwischen 25 und 60 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen werden. Frauen können sich in der Ukraine freiwillig zum Wehrdienst melden.
Gesetz zur Mobilmachung verabschiedet: Zehntausende Männer haben Ukraine bereits verlassen
Armee, Nationalgarde und Grenzschutz haben zusammen gut über eine Million Frauen und Männer unter Waffen. Das verbliebene Mobilisierungspotenzial wurde von dem ukrainischen Portal texty.org.ua auf etwa fünf Millionen geschätzt. Trotz des seit Kriegsbeginn geltenden Ausreiseverbots für Wehrpflichtige sind Zehntausende mit gefälschten Dokumenten über die grüne Grenze ins Ausland geflüchtet.
Im Land selbst sind allein in den Gebieten Poltawa, Iwano-Frankiwsk und Tscherniwzi mehr als 70.000 Personen zur Fahndung ausgeschrieben. Bei der Staatsanwaltschaft sind seit Kriegsbeginn mit stark steigender Tendenz über 46.000 Verfahren wegen Desertion und unerlaubtem Entfernen von der Truppe eingeleitet worden. Mehr als ein Viertel davon entfällt auf das erste Quartal 2024. (fmü/dpa)