„Habe der Dame deutlich die Meinung gesagt“: Rentner (87) aus Schlehdorf streitet sich mit „1N Telecom“

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Mit einem Werbeanruf begann der Ärger eines Schlehdorfer Rentners mit dem Unternehmen „1N Telecom“. Wie ihm erging es schon tausenden Anderen. © Roland Weihrauch

Bei den Verbraucherzentralen gab es zuletzt in eineinhalb Jahren 11 000 Beschwerden über das Unternehmen „1N Telecom“. Vorwürfe erhebt auch ein Senior aus Schlehdorf.

Schlehdorf/Lenggries – Ausgerechnet am Tag vor Heiligabend flatterte Robert G. (Name geändert) ein Schreiben vom „Bayerischen Inkasso Dienst“ ins Haus. Einen Betrag von 480 Euro forderte das Inkassounternehmen von dem 87-jährigen Schlehdorfer ein, im Namen des Telekommunikations-Unternehmens „1N Telecom“. Der Rentner denkt allerdings nicht daran, das Geld zu überweisen. Er fühlt sich getäuscht. Und damit steht er bei Weitem nicht alleine da.

„1N Telecom“ für die Deutsche Telekom gehalten

Alles begann mit einem Werbeanruf, schildert der 87-Jährige im Gespräch. Am Telefon stimmte er einem Vertrag für schnelleres Internet zu. „Ich war aber der Ansicht, dass ich mit jemandem von der Deutschen Telekom spreche und dass mein Vertrag nur angepasst wird“, betont Robert G. Das war auch dann noch seine feste Überzeugung, als er kurz darauf einen schriftlichen Vertrag zugeschickt bekam und unterschrieben zurücksandte.

Erst als der Schlehdorfer einige Zeit später brieflich informiert wurde, dass er nun noch der Kündigung seines Vertrags bei der Telekom zustimmen sollte, wurde ihm klar, dass er es mit einem ganz anderen Anbieter zu tun hatte. Er fühlt sich hinters Licht geführt. Bei einem weiteren Anruf der „1N Telecom“, „habe ich der Dame deutlich die Meinung gesagt“, berichtet der energische Senior. Er erklärte, dass der Vertrag für ihn keine Gültigkeit habe.

Von „1N Telecom“ bekam er einige Zeit später eine Rechnung über rund 420 Euro. G. bezahlte nach Mahnungen nicht. Der nächste Brief von einem Inkassobüro namens Riverty. Dieses teilte ihm wiederum einige Zeit später mit, dass es die Bearbeitung des Falls nicht weiterführe. Stattdessen schrieb ihm anschließend ein anderes Inkassobüro, besagter „Bayerischer Inkasso Dienst“.

Neue Welle von Inkassoschreiben für „1N Telecom“

So wie dem Schlehdorfer ist es deutschlandweit Tausenden ergangen. „Die Verbraucherzentralen haben von Januar 2023 bis Juli 2024 mehr als 11 000 Beschwerden über den Telekommunikationsanbieter 1N Telecom erhalten“, heißt es vonseiten des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (vzbv). „Das Unternehmen schreibt Verbraucher mit dem Angebot eines 24-Monats-Vertrags für Festnetz und DSL-Internet an. Viele Verbraucher erkennen zu spät, dass sie mit ihrer Antwort nicht Vertragskonditionen mit der Deutschen Telekom anpassen, sondern einen neuen Vertrag mit einem anderen Unternehmen eingehen.“ Der vzbv habe eine Unterlassungsklage gegen Vertragsklauseln des Anbieters erhoben.

„Die Beschwerden über diesen Anbieter reißen nicht ab“, bestätigt Christian Ayri von der Verbraucherzentrale Bayern. „Seit Weihnachten erhalten Verbraucher wieder vermehrt Inkassoschreiben“, so Ayri. „Diese stammen nun von einem anderen Inkassounternehmen und sind deutlich aggressiver formuliert. Wir befürchten, dass verunsicherte Verbraucher nun doch zahlen.“

Das Vorgehen von „1N Telecom“ bezeichnet Ayri als „umstritten“. Grundsätzlich gelte: „Wenn kein wirksamer Vertrag mit der 1N Telecom abgeschlossen wurde, sind die Forderungen unrechtmäßig. Wir raten dringend, der Forderung und dem Vertragsschluss zu widersprechen.“ Dies solle man am besten schriftlich per Einschreiben erledigen. „Ist die 14-tägige Widerrufsfrist bereits abgelaufen, lohnt es sich trotzdem, den Vertrag zu prüfen“, ergänzt der Experte. „In Einzelfällen kann sich die Frist auf ein Jahr und 14 Tage verlängern, wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war.“

Verbraucherzentrale prüft Sammelklage gegen „1N Telecom“

Wer, so wie Robert G., davon ausgegangen sei, dass er einen Vertrag mit der Deutschen Telekom schließt, „sollte den Vertrag schriftlich gegenüber 1N Telecom anfechten“, rät Ayri, fügt aber hinzu: „Allerdings muss der Verbraucher die Täuschung nachweisen können.“ Die Verbraucherzentrale bietet dazu ein Musterschreiben auf ihrer Internetseite an und unterstütze auch beratend. Die Forderungsschreiben zu ignorieren, sei dagegen „keine gute Idee“, meint der Vertreter der Verbraucherzentrale. „Denn 1N Telecom kann dann schlimmstenfalls ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten.“

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Wie weit das Unternehmen geht, zeigt der Fall einer damals 85-jährigen Lenggrieserin, über den der Tölzer Kurier vor etwa einem Jahr berichtete. Sie wurde seinerzeit mit Mahnungen von „1N Telecom“ beziehungsweise Schreiben von Inkassobüros überzogen, obwohl sie selbst versicherte, keinen Vertrag mit dem Anbieter abgeschlossen zu haben. In ihrem Namen widersprach damals ihre Nichte schriftlich den Forderungen. Auf Nachfrage berichtet die Nichte nun, dass die Tante mittlerweile verstorben sei. In ihrer Wohnung fand sich ein Brief vom Gerichtsvollzieher.

Der vzbv prüft aktuell eine Sammelklage gegen den Anbieter. Verbraucher können sich kostenlos anschließen. Genau dies hat Robert G. aus Schlehdorf vor. Eine Bitte unserer Zeitung um Stellungnahme ließ „1N Telecom“ unbeantwortet. (ast)

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