Kritik an Pistorius-Plan: „Wenn Pflicht, dann für beide Geschlechter“
Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler kritisiert Pistorius‘ Vorschläge zur Wehrpflicht. Im Interview erläutert sie ihre Kritik.
München/Berlin – Die Union lehnt die freiwilligen Wehrdienst-Pläne von SPD-Minister Boris Pistorius ab. Sie gehen nicht weit genug. Im Interview mit unserer Zeitung sagt die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler, warum. Die 43-Jährige aus Köln sitzt seit 2021 im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Zuvor war sie vier Jahre lang Staatssekretärin für Integration in der NRW-Landesregierung.
Sie kommen gerade aus der Runde mit Pistorius. Ihr Eindruck – Riesenreform oder Murks?
Weder noch. Es ist für das, was der Minister mal mit viel Tamtam angekündigt hatte, zu dünn. Er hat sich in seiner eigenen Koalition nicht durchgesetzt. Ausgebremst haben ihn allen voran der Kanzler und weite Teile der FDP, die gegen jegliche Pflicht ist.
Sie zweifeln, dass mit diesem Modell genügend Freiwillige für die Truppe gezogen werden können?
Die einzige Pflicht daran ist, einen Fragebogen auszufüllen. Ich fürchte, mit einem Stapel ausgefüllter Fragebögen werden wir weder Putin noch andere Despoten abschrecken können. Das ist nicht das, was die Bundeswehr braucht. Sie muss mit Material und Personal für die Landes- und Bündnisverteidigung viel besser ausgestattet werden. Mit einem rein freiwilligen Modell wird das nicht zu machen sein.
Wird es am Ende also nicht ohne Pflicht gehen?
Nein. Auch nicht mit Blick auf die Zusagen an die Nato, das allein ergibt schon einen Personalbedarf von 75.000 Soldaten.

In Pistorius‘ Modell kommen Frauen kaum vor, müssen nicht antworten. Ist das zeitgemäß? Wünschen Sie sich eine Wehrpflicht auch für Frauen?
Da stellt sich die Gerechtigkeitsfrage und es ist nicht zeitgemäß. Wir brauchen auch Frauen für die Truppe, nicht nur Basis von Freiwilligkeit. Wenn das so kommt, ist die erste erfolgreiche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nur eine Frage der Zeit. Ich sage: Wenn Pflicht, dann Pflicht für beide Geschlechter.
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Wäre die Union bereit, dafür den Weg einer Grundgesetzänderung mitzugehen? Reicht die Zeit für so was überhaupt?
Für die CDU kann ich sagen: Ja, das ist unsere Beschlusslage.
Teil Ihres Konzepts ist auch eine Rückkehr zum Zivildienst?
Wir haben uns schon vor zwei Jahren für eine allgemeine Dienstpflicht ausgesprochen, mit zivilen Teilen etwa bei Rettungsdiensten, in Kliniken, beim THW, Maltesern und anderswo.
Braucht unsere Gesellschaft das?
Ja. Wir reden seit mindestens zwei Jahren über Wehrhaftigkeit und Resilienz unserer Gesamtgesellschaft. Da geht es nicht ausschließlich um die Stärkung der Bundeswehr, sondern auch um zivile Institutionen wie Feuerwehr und Rettungsdienst. Wir müssen auch unsere kritische Infrastruktur besser schützen. Ich weiß, das Wort „Pflicht“ ist mittlerweile verpönt. Aber ich sage Ihnen: Auch da werden wir rein mit freiwilligen Lösungen nicht zum Ziel kommen. Wir müssen die Bevölkerung aus der Watte wickeln.
Bis wann wird Pistorius‘ Plan nun umgesetzt? Glauben Sie an einen Start Mitte 2025, wie der Verteidigungsminister sagt?
Das sehe ich ehrlicherweise noch nicht. Wir arbeiten ja daran, ab 2025 eine andere Regierung zu stellen. Und da wird es dann auch ein besseres Wehrpflicht-Konzept geben.
Interview: Marcus Mäckler