Wehrpflicht: SPD offen für Gespräch über CDU-Vorschläge – Kiesewetter kritisiert „zeitfressende Modelle“
Die Union will beim neuen Wehrdienst nachbessern: Ein Wehrpflicht-Automatismus ist ein Vorschlag. SPD-Verteidigungspolitiker Droßmann glaubt an „konstruktive Gespräche“.
Berlin – Das Kabinett hat den Entwurf für das neue Wehrdienst-Gesetz zwar auf den Weg gebracht, die Union hat jedoch zugleich angekündigt, nachschärfen zu wollen. Der CDU-Abgeordnete Thomas Röwekamp drängt auf einen Automatismus – „um Verlässlichkeit zu schaffen“, erklärt der CDU-Politiker gegenüber unserer Redaktion: „Wenn wir auf rein freiwilliger Basis nicht die notwendige Zahl an Rekruten erreichen, muss klar sein, dass die Pflicht greift.“
Mit dem geforderten Automatismus solle die Wehrpflicht eingeführt werden, sollten festgelegte Ziele durch Freiwilligkeit nicht erreicht werden. Derzeit setzt der Entwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius hauptsächlich auf Freiwilligkeit; mit dem neuen Rechtsrahmen soll eine Wehrerfassung junger Männer einführt werden. Bundeskanzler Friedrich Merz verwies mit Blick auf den Entwurf bereits auf vorgesehene Möglichkeit einer verpflichtenden Heranziehung für den Fall, dass nicht genügend Freiwillige gewonnen werden können.
Pistorius‘ neuer Wehrdienst: Union will Automatismus hin zur Wehrpflicht – wenn Freiwilligkeit nicht reicht
Röwekamp hingegen reicht das nicht: „Mir ist wichtig, dass dieser Mechanismus nicht nur auf dem Papier existiert, sondern auch mit klaren Zahlen und Zielgrößen unterlegt ist. Eine bloße politische Absichtserklärung reicht nicht aus.“ Daher fordert der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag: „Wir brauchen Transparenz und Verbindlichkeit, damit im Ernstfall tatsächlich schnell und planbar auf eine verpflichtende Heranziehung umgestellt werden kann.“
Mit diesem Mechanismus solle verhindert werden, so der CDU-Verteidigungspolitiker, „dass wir uns in Abhängigkeit von Stimmungen oder spontanen politischen Entscheidungen begeben“. Zudem werde sichergestellt, „dass die Bundeswehr ihre Personalziele erreicht“. Ein Problem an der Sache: Innerhalb der Koalition ist man sich in Sachen Wehrpflicht alles andere als einig. Einige SPD-Vertreter lehnten den Mechanismus bereits ab.
Wehrpflicht-Debatte: SPD-Verteidigungspolitiker offen für Gespräch über Unions-Vorschläge
So erklärte etwa die Vize-Fraktionsvorsitzende Siemtje Möller gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Wir haben uns im Koalitionsvertrag eindeutig verständigt: Der neue Wehrdienst startet freiwillig – und das gilt.“ Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Falko Droßmann, zeigt sich hingegen offen für Beratungen. Gegenüber fr.de von Ippen.Media erklärt er: „Bisher haben einzelne Mitglieder der Union öffentlich Änderungsbedarf angemeldet.“
Damit dürfte auch Röwekamps Vorschlag gemeint sein. Aber auch der Unions-Fraktionschef Jens Spahn machte deutlich, dass er im parlamentarischen Verfahren noch Gesprächsbedarf sehe. „Ab Anfang September finden die Fachgespräche im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses statt, im Oktober wird dann in 1. Lesung über das Gesetz beraten“, erklärt Droßmann den bevorstehenden Prozess: „Ich bin zuversichtlich, dass wir auf Fachebene im Rahmen dieses Verfahrens mit der Union konstruktive Gespräche über ganz konkrete Änderungswünsche und ihre praktische Umsetzbarkeit führen werden.“
Wehrpflicht-Automatismus: Kiesewetter spricht von zeitfressendem Kompromiss
Die Äußerungen des SPD-Verteidigungsexperten klingen durchaus versöhnlich – nachdem sich einige SPD-Abgeordnete eher ablehnend geäußert und sich für die Freiwilligkeit starkgemacht hatten. Röwekamps Vorschlag ist jedoch auch innerhalb der CDU nicht unumstritten – wenn auch aus anderen Gründen. So erklärt der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter gegenüber unserer Redaktion: „Es ist ein Kompromiss, der allerdings unnötig Zeit frisst.“ Kiesewetter begründet, „der Aufbau für Infrastruktur und Ausbildungsstrukturen hätte längst begonnen werden können“.

Neben Merz hatte auch Pistorius mehrfach betont, dass parallel bereits ein Mechanismus vorbereitet werde, der im Ernstfall eine Rückkehr zur Wehrpflicht ermöglicht. In Pistorius Äußerung sieht Kiesewetter ein Zeichen: „Dass dem Minister klar ist, dass die Rückkehr zur Wehrpflicht eigentlich unausweichlich ist.“ Einen solchen Mechanismus vorzubereiten sei „gut“, jedoch drängt Kiesewetter auf Tempo: „Es geht auch darum, die nötigen strukturellen Vorbereitungen und die erforderliche Groß-Reform in der Bundeswehr umzusetzen, damit man dann sofort handlungsfähig ist. Sonst verlieren wir wieder Zeit. Das können wir uns nicht mehr leisten.“
Wehrpflicht-Debatte: CDU-Verteidigungspolitiker Kiesewetter für verpflichtenden Gesellschaftsdienst
Der CDU-Abgeordnete spricht sich dagegen für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr aus: Die Wehrpflicht sei davon nur ein geringer Teil. „Die Rückkehr zur Wehrpflicht ist eine Notlösung, weil man die Chance für einen verpflichtenden Gesellschaftsdienst im April 2025 verpasst hat.“ In Friedenszeiten sei Kiesewetter „großer Verfechter eines freiwilligen Gesellschaftsdienstes“ – jedoch erklärt Kiesewetter: „Wir sind nicht mehr in Friedenszeiten.“ Daher plädiert er für einen „sehr raschen Resilienzaufbau und eine professionelle zivile und militärische Reserve“.
Es brauche „kluge und strategisch vorausschauende Abschreckung und Vorbereitungen“ – „nicht zeitfressende Modelle, von denen heute schon klar ist, dass sie ihr Ziel nicht erreichen werden“. Beim möglichen Gesellschaftsdienst sollten auch Frauen einbezogen und die Möglichkeit geschaffen werden, „neue Dienste wie z. B. im Bereich des Schutzes kritischer Infrastruktur und Bevölkerungsschutz aufzubauen“. Ein solcher Gesellschaftsdienst sei besser als eine Wehrpflicht, glaubt der Verteidigungspolitiker: „Dazu bräuchte es jedoch eine Grundgesetzänderung.“ (pav)