Vor 25 Jahren ein Pionier in Sachen E-Mails: Kreuther Bürgermeister blickt zurück

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Der erste Computer im Kreuther Rathaus: Josef Bierschneider war schon im Jahr 2000 „häufig drin“ im Internet, wie unsere Zeitung damals berichtete. © MM

Als damals jüngster Bürgermeister im Landkreis hat der Kreuther Rathauschef Josef Bierschneider schon vor 25 Jahren auf digitale Kommunikation per E-Mail gesetzt. Im Interview blickt der heute 53-Jährige auf die Entwicklung zurück.

Kreuth – „Normale Briefe sind out“ – mit diesem Satz wurde Kreuths Bürgermeister Josef Bierschneider vor 25 Jahren in der Heimatzeitung zitiert. Während E-Mails etwa im Holzkirchner Rathaus noch kaum genutzt wurden, war der damals 28-Jährige als jüngster Bürgermeister im Landkreis Miesbach seiner Zeit voraus. Statt per Post, Telefon oder Fax erreichten ihn die meisten Bürger bereits per Mail. Wie sich sein Alltag damit verändert hat und ob er sich die analoge Zeit heute noch vorstellen könnte, erklärt der 53-Jährige im Interview. Ersetzen kann die E-Mail das persönliche Gespräch bis heute nicht. Die Fragen haben wir deshalb am Telefon gestellt.

Herr Bierschneider, Sie mailen seit 25 Jahren. Wie kam es dazu, dass Sie damals so früh dran waren?

Das kann ich Ihnen heute nicht mehr mit Sicherheit sagen (lacht). Ich weiß aber, dass es damals schon Mitarbeiter im Rathaus gab, die technisch sehr interessiert waren. In der EDV bestand deshalb große Offenheit gegenüber neuen Technologien. Ich selbst bin ja sehr jung ins Amt gekommen und dürfte auch aufgeschlossen gewesen sein dafür.

Können Sie sich noch an Ihre allererste E-Mail erinnern?

Nein (lacht). Ich weiß weder, an wen sie ging, noch was drin stand. Das ist zu lange her.

Wie hat sich Ihr Alltag als Bürgermeister seither verändert?

Die Zahl der Mails hat sich deutlich erhöht, während Briefe seltener geworden sind. Insgesamt hat sich die Anzahl der Kontaktierungen extrem erhöht. Früher hat man einen Brief geschrieben und eine Antwort bekommen – fertig. Heute fragen viele Leute schon nach einem Tag nach, wenn sie noch keine Antwort bekommen haben. Andere rufen gleich nach dem Abschicken an, um sich zu erkundigen, ob die Mail auch wirklich angekommen ist. Viele der Mails gehen an mehrere Adressaten gleichzeitig, ohne dass es dafür eine Notwendigkeit gäbe. So kommen pro Tag 50 bis 80 E-Mails in meinem Postfach zusammen. Die ersetzen die zehn Briefe, die ich früher am Tag bekommen habe.

Wie werden Sie dieser Flut gerecht?

Ich verwende einen großen Teil meiner Arbeitszeit damit, Mails anzuschauen, weiterzuleiten oder auszusortieren, wenn es sich um Werbung handelt. Abgewöhnt habe ich mir aber, jedes Mal ins Postfach zu schauen, nur weil es Pling macht. Man hat ja auch noch tausend andere Dinge zu tun und wartet nicht darauf, die nächste Mail zu beantworten. Dafür schaue ich auch im Urlaub in den Posteingang. Andernfalls wäre es mit der Entspannung schnell wieder vorbei, wenn ich am ersten Tag nach meiner Rückkehr die Schreiben aus zwei bis drei Wochen nacharbeiten müsste.

Sie bekommen sicher auch unerfreuliche Zuschriften. Wie gehen Sie damit um?

Die Zahl der Leute, die die Anonymität nutzen, um ihren Frust loszulassen, zu beschimpfen oder zu beleidigen, hat tatsächlich zugenommen. Das reicht von Sätzen wie „Ihr seid alle Deppen“ bis hin zu extremen Fällen, die in Richtung Verfassungsfeindlichkeit oder in die Schiene von Verschwörungstheorien und Reichsbürgern gehen. Sowas gebe ich an die entsprechenden Behörden weiter. Die harmloseren Fälle lasse ich einen Tag sacken und antworte nur dann, wenn ich das Gefühl habe, der Absender hat etwas missverstanden. Es hat zwar auch vor 25 Jahren anonyme Briefe gegeben. Aber nicht in der Masse.

Wenn Sie sich vorstellen, Sie würden heute zurück in die analoge Welt wechseln: Würden Sie da auch etwas vermissen?

Ganz analog würde ich heute nicht mehr arbeiten wollen. E-Mails erleichtern vieles. Grad wenn‘s pressiert, kann man schnell Informationen verschicken. Nicht vermissen würde ich den digitalen Müll, so viel Werbung auf Papier hat‘s früher gar nicht gegeben. Und auch die Erwartungshaltung, dass Schreiben so schnell beantwortet werden, wie sie verschickt sind, gab‘s damals nicht.

Bekommen Sie heutzutage noch persönlichen Besuch?

Es hat sich viel auf Mails verlagert, aber wenn Bürger wirklich ein Problem haben, kommen sie weiterhin vorbei. Das finde ich auch schön an diesem Amt, dass ich viel mit Menschen zu tun habe und man sich persönlich trifft, um Probleme zu besprechen. Die Zeit dafür nehme ich mir ganz bewusst.

nap