Nach dramatischem Felssturz in den bayerischen Alpen: Experte entdeckt neue Spalte und schlägt Alarm

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Die bayerischen Alpen werden zunehmend instabil: Nach dem Felssturz im Nationalpark Berchtesgaden mit 4000 Kubikmetern droht weiteres Gestein abzubrechen. Und nicht nur dort bröckelt es.

München – Es kracht und bricht in Bayerns Bergen! Was sich nach einem Katastrophenfilm anhört, ist bittere Realität in den bayerischen Alpen. Erst am Dienstag wurden 20 Wanderer nach einem massiven Felssturz im Nationalpark Berchtesgaden per Helikopter gerettet – und jetzt schlägt ein Geologe Alarm: Eine neu entdeckte Spalte könnte einen weiteren, noch größeren Felssturz auslösen. Doch das ist nicht der einzige Ort, an dem die Bergwelt buchstäblich auseinanderbricht.

Ein Wanderer steht im Nationalpark Berchtesgaden. Hier herrscht nun erhöhte Gefahr. Das hintere Wimbachtal ist gesperrt.
Ein Wanderer steht im Nationalpark Berchtesgaden. Hier herrscht nun erhöhte Gefahr. Das hintere Wimbachtal ist gesperrt. © Oliver Berg/dpa

Geologe warnt: „Mindestens gleiche Menge kann noch abstürzen“

Die Lage im hinteren Wimbachtal kurz vor dem Trischübelpass ist ernst – und könnte noch dramatischer werden. Geologe Stefan Kellerbauer hat den Bereich des jüngsten Felssturzes untersucht und kommt zu einem beunruhigenden Ergebnis: „Rund 4.000 Kubikmeter Fels sind am Dienstag abgebrochen. Aber es gibt an der Ausbruchstelle noch ein labiles Volumen von mindestens der gleichen Größe, eventuell sogar mehr.“

Besonders alarmierend: Der Experte entdeckte eine deutlich sichtbare, offene Spalte in der Felswand, aus der bereits Material ausgetreten ist. Eine tickende Zeitbombe, die jederzeit losgehen könnte. Die Sperrung des verschütteten Steiges sei daher „unausweichlich“, betont ein Sprecher des Nationalparks Berchtesgaden. Im betroffenen Bereich bestehe „weiterhin Lebensgefahr“.

Dramatische Rettungsaktion: 20 Wanderer per Helikopter evakuiert

Der Ernst der Lage zeigte sich bereits am Dienstag, als eine 20-köpfige Wandergruppe nach dem Felssturz mit einem Polizeihelikopter aus dem Gefahrenbereich gerettet werden musste. Unter den Geretteten befanden sich 18 Erwachsene, ein Jugendlicher und ein Kind. Ein 46-jähriger Wanderer aus Hessen hatte trotz einer Entfernung von mindestens 150 Metern vom Felsabgang noch Pech: Ein abprallender Stein traf ihn am Fußgelenk und verletzte ihn leicht.

Der betroffene Bereich liegt in einer geologischen Störungszone, der sogenannten Torrener Joch-Zone, die sich über viele Kilometer in den nördlichen Kalkalpen bis nach Österreich erstreckt. „Das dortige Gestein ist durch tektonische Vorgänge stärker zerbrochen als im Umfeld, was das Auftreten von Felsstürzen begünstigt“, erklärt der Nationalpark-Sprecher.

Revierleiter warnt eindringlich: „Niemand weiß, wann weiteres Gestein abgeht“

Martin Weckel, Revierleiter des Nationalparks, appelliert eindringlich an alle Wanderer, die Sperrung ernst zu nehmen: „Niemand weiß, wann weiteres loses Gestein abgeht. Das kann jederzeit der Fall sein.“ Der Weg sei auf einer Länge von rund 100 Metern komplett verschüttet, und auch im weiteren Umfeld der Sturzrinne bestehe akute Steinschlaggefahr.

Die Wege Nr. 411 und 421 im hinteren Wimbachtal bleiben daher gesperrt, bis ein ausführliches Gutachten vorliegt – was mehrere Wochen dauern dürfte. Für ungeduldige Wanderer keine gute Nachricht, aber eine lebensrettende Maßnahme.

Nicht der erste Vorfall: Bayerns Berge zeigen zunehmend Risse

Felsstürze sind in der Region kein neues Phänomen. Das spröde Kalkgestein hatte bereits im vergangenen Jahr zu Abbrüchen geführt. Einen noch weit größeren Felssturz mit rund 200.000 Kubikmetern erlebte die Region im September 1999.

Doch nicht nur im Berchtesgadener Land bröckelt es bedenklich – auch im Allgäu hält ein Berg die Experten in Atem: Der 2.592 Meter hohe Hochvogel bricht buchstäblich auseinander. Seit Jahren beobachten Forscher der TU München einen Riss, der sich in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren dramatisch vergrößert hat.

Klimawandel als Treiber: Schneeschmelze und Starkregen lassen Berge brechen

TU-Professor Michael Krautblatter, der den Hochvogel überwacht, sieht einen klaren Zusammenhang mit dem Klimawandel: „Schneeschmelze und vermehrte Starkniederschläge reißen die Spalte immer weiter auf.“ Bereits 140.000 Kubikmeter Gestein sind am Hochvogel abgestürzt, seit die Beobachtungen begannen.

Was passiert, wenn der Berg tatsächlich ausbricht? „Es wird wahnsinnig laut und macht Staubwolken über Stunden hinweg“, beschreibt der Experte den Vorgang, wenn sich die Südseite der Flanke löst und in die Tiefe donnert. Zwar sind keine Ortschaften direkt bedroht, doch für Wanderer, Skifahrer und Bergsteiger könnte es lebensgefährlich werden.

Bayern im Wandel: Wenn Berge zu bröckeln beginnen

Die Vorfälle in Berchtesgaden und am Hochvogel zeigen ein beunruhigendes Muster: Bayerns Bergwelt verändert sich, und nicht zum Guten. Der Klimawandel mit seinen Extremwetterereignissen, häufigeren Frost-Tau-Wechseln und starken Niederschlägen beschleunigt die natürliche Erosion und macht die Berge instabiler.

Für Wanderer und Bergfreunde bedeutet das: Noch mehr Vorsicht ist geboten. Absperrungen und Warnhinweise sollten unbedingt ernst genommen werden – denn wenn ein Berg zu bröckeln beginnt, kann es schnell gehen. Die bayerischen Alpen bleiben zwar majestätisch schön, aber sie erinnern uns zunehmend daran, dass selbst Berge nicht für die Ewigkeit gemacht sind.

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