Angeklagter von Solingen gesteht Messerangriff - und lobt dann Deutschland

  • Im Video: FOCUS-online-Recherche - Ausländerakte offenbart, wie Solinger Messerattentäter das BAMF zum Narren hielt
  • FOCUS-online-Reporter Axel Spilcker ist vor Ort.

Nach Geständnis lobt Issa Al Hasan Deutschland - und sagt, was er dort plante

12.20 Uhr: Issa Al Hasan bekannte gegenüber dem psychiatrischen Gutachter, dass Deutschland das beste Land für ihn sei. Hier gebe es alles. Der Angeklagte hatte eigenen Angaben zufolge schwarz für eine Dönerbude gearbeitet, in der er später einen Minijob erhielt. Er sagte auch, dass er sich in Deutschland ein neues Leben habe aufbauen wollen.

Mit Frauen hatte er indes aufgrund einer strengen Sexualmoral bislang keine Erfahrung. Er habe jedoch geplant, einen Heiratvsermittler einzuschalten, um eine passende Frau für sich zu finden.

Angeklagter im Solingen-Prozess gesteht Messerangriff

11.57 Uhr: Im Strafprozess um den mutmaßlich islamistischen Terroranschlag von Solingen mit drei Toten hat der Angeklagte die Tat gestanden. In einer Erklärung, die seine Verteidiger für ihn abgeben, räumte der Syrer Issa al H. den Messerangriff ein, bei dem drei Menschen starben. „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ich bin bereit, das Urteil entgegenzunehmen“, hieß es in der Erklärung.

Issa Al Hasan überrascht zu Prozessbeginn mit einer Geste

11.10 Uhr: Um 10.50 Uhr betritt der Angeklagte den Gerichtssaal. Mit einem blauen Pulli bekleidet nimmt Issa Al Hasan eingerahmt von vermummten Justizbediensteten hinter einer Glasscheibe auf der Anklagebank Platz. Vor den Kameras hält er den Kopf gesenkt.

Als der Staatsschutzsenat eintritt, steht Issa Al Hasan auf. Für einen Islamisten kein normaler Vorgang, da IS-Anhänger das westliche Rechtswesen nicht anerkennen. Den Kopf hält der Angeklagte gesenkt.

Prozess um Terroranschlag von Solingen beginnt

Dienstag, 27. Mai, 08.25 Uhr: Neun Monate nach dem Terroranschlag von Solingen beginnt heute im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter.

Zwei Pflichtverteidiger wurden dem Angeklagten zur Seite gestellt. Zwölf Verletzte und Angehörige von Todesopfern treten als Nebenkläger auf. Die Anklage der Bundesanwaltschaft ist 95 Seiten stark. 

Der Solinger Rechtsanwalt Simon Rampp vertritt acht Betroffene – sowohl Verletzte als auch Angehörige von Todesopfern des Anschlags. „Aus meiner Sicht ist die Beweislage erdrückend.“ „Die Ermittler haben extrem gute Arbeit geleistet“, sagte er vor Prozessbeginn. Er werde sich für die Höchststrafe einsetzen, sollte sich die Vorwürfe bestätigen. 

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat bis zum 24. September 22 Verhandlungstage angesetzt.

Der mutmaßliche Attentäter von Solingen, Issa Al H., soll nach Recherchen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR unmittelbar vor dem Messeranschlag, bei dem im August 2024 drei Menschen getötet und zehn zum Teil schwer verletzt wurden, von einem mutmaßlichen Mitglied der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) angeleitet worden sein. 

Die Auswertung der Telekommunikation durch die Ermittlungsbehörden ergibt demnach, dass den 27-jährigen Syrer wenige Tage vor der Tat über den Messengerdienst Telegram Nachrichten einer IS-nahen Chatgrupppe mit einer Art To-Do-Liste für die Begehung von Anschlägen erreicht haben: Man solle an seiner körperlichen Fitness arbeiten, den Tatort gut auskundschaften und seine Absichten zum Beispiel dadurch verdunkeln, dass man Spuren im Internet lösche sowie zwei Telefone nutze.

Kontaktmann „Abu Faruq al Jihadi“ ist bis heute nicht identifiziert

Issa Al H., dem von Dienstag, den 27. Mai, an vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gemacht wird, soll daraufhin selbst den direkten Kontakt mit dem Administrator der Telegram-Gruppe gesucht und in den 24 Stunden vor der Tat etwa 60 Nachrichten mit ihm ausgetauscht haben.

Der Generalbundesanwalt hält diesen Mann, über den außer seinem Kampfnamen „Abu Faruq al Jihadi“ nichts bekannt ist, für ein IS-Mitglied, das für die Rekrutierung und Ausbildung von Selbstmordattentätern im Ausland zuständig gewesen sein soll. Die deutschen Ermittler konnten die Person allerdings nicht identifizieren. „Abu Faruq“ soll den mutmaßlichen Solingen-Attentäter darauf hingewiesen haben, dass er vor einer solchen Tat unbedingt den Treueschwur auf den IS ablegen müsse – was dieser dann auch getan habe.

Issa Al H. soll auch mit zwei weiteren unbekannten Männern gechattet haben, die die Anklage als IS-nah einstuft. Seine Chatpartner weihte der spätere mutmaßliche Attentäter demnach in seine Pläne ein, schickte ihnen auch Bekennervideos, die er auf Geheiß von “Abu Faruq” vor der Tat aufgenommen haben soll und die nach dem Anschlag auf das Solinger Bürgerfest über IS-Propagandaplattformen verbreitet wurden.

"Sollte kürzer und schärfer sein": Solingen-Attentäter kaufte ganzen Messerblock

Noch in der Nacht vor dem Angriff soll sich Issa Al H. mit seinem mutmaßlichen Unterstützer über die Beschaffenheit einer möglichen Tatwaffe beraten und ihm das Bild eines Messers geschickt haben. „Ich denke, es sollte kürzer und schärfer sein“, habe der Chatpartner entgegnet. Noch am Tattag, wenige Stunden vor dem Anschlag, soll Issa Al H. dann einen ganzen Messerblock in einem Haushaltswarengeschäft gekauft haben, darunter auch ein Tranchiermesser, die spätere Tatwaffe. 

Die Nachrichten sind relevant, weil Issa Al H. außer wegen dreifachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs auch wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt ist. Bisher hat er gegenüber den Behörden geschwiegen, Hinweise auf ein mögliches Tatmotiv offenbarte er demnach lediglich einem psychiatrischen Gutachter, der über die Schuldfähigkeit des Angeklagten befinden sollte. Sein Gehirn, soll Al H. gesagt haben, sei „mit diesen Religionssachen gewaschen“ worden. Bei der Ausführung habe er die toten Kinder aus Palästina vor seinen Augen gesehen und einen „lachenden israelischen Polizisten“. 

Gutachten sieht keine Anzeichen für Schuldunfähigkeit bei Solingen-Attentäter

Das vorläufige psychiatrische Gutachten sieht indes keine Anzeichen für einen wahnhaften Zustand und hält den Angeklagten für schuldfähig, die Tat sei planvoll und zielgerichtet ausgeführt worden. Die Anklage geht davon aus, dass sich bei Al H. eine bereits seit spätestens 2020 vorhandene islamistische Ideologie durch die israelische Reaktion auf den Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 verstärkt hat. Er habe in westlichen Gesellschaften Unterstützer der militärischen Angriffe Israels auf den Gazastreifen gesehen und Vergeltung üben wollen. Sein Anwalt wollte sich auf Anfrage erst nach Prozessbeginn äußern.

Der mutmaßliche Terroranschlag von Solingen ist seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz im Jahr 2016 die erste Tat in Deutschland, die der „IS“ für sich reklamiert.