Neuschwanstein-Prozess: Eltern des Opfers: „Sie hatte eine großartige Zukunft vor sich“
Mit einer minutiösen Rekonstruktion der Tat durch einen Digitalforensiker ist am Montag am Landgericht Kempten der Prozess gegen Troy B. fortgesetzt worden.
Kempten/Schwangau - Mit einer minutiösen Rekonstruktion der Tat durch einen Digitalforensiker ist am Montag am Landgericht Kempten der Prozess gegen den US-Amerikaner Troy B. fortgesetzt worden. Neue Details zu dem Gewaltverbrechen nahe Schloss Neuschwanstein brachte zudem die Vernehmung des Ermittlungsrichters ans Licht. Für emotionale Momente im Saal sorgte die Verlesung von Briefen der Angehörigen der Verstorbenen.
Wie der Ermittlungsrichter, der Troy B. im Juni des vergangenen Jahres kurz nach der Tat vernahm, berichtete, habe der 31 Jahre alte US-Amerikaner in seiner ersten Befragung ausgesagt, die beiden Frauen hätten ihn angegriffen. Während des darauffolgenden Kampfes sei es ihm jedoch gelungen, die beiden Studentinnen abzuwehren und den Abhang oberhalb der Pöllatschlucht hinab zu stoßen.
Während Kelsey C. den Sturz leicht verletzt überlebte, erlag ihre Freundin Eva L. später am Abend im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Ursächlich für den Tod der Studentin waren jedoch die Verletzungen, die ihr B. durch minutenlanges Strangulieren zugeführt hatte. Daran ließ die Professorin, die L. in München obduzierte, keine Zweifel. Wie die 55-Jährige mehrfach betonte, ist L. an einem massiven Sauerstoffmangel des Gehirns und einem subduralen Hämatom gestorben.
Beide Verletzungen seien durch die massive Gewalteinwirkung gegen ihren Hals entstanden. Die Verletzungen durch den Sturz in die Schlucht seien hingegen nicht lebensgefährlich gewesen, so die Gerichtsmedizinerin.
Welches Glück Kelsey C. hatte, den 50 Meter tiefen Fall in die Schlucht zu überleben, schilderte ein Beamter der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei. Er war im Juni vergangenen Jahres für das Sichern der Beweismittel in der Schlucht – vor allem Kleidungsstücke – zuständig und seilte sich deshalb bis zu der Stelle ab, wo ein Totholz den Fall der Frauen aufhielt.
Gefährliches Terrain
Anhand von zahlreichen Fotos erläuterte er die Gefährlichkeit des Abhangs. „Das hat nichts mit normalem Bergsteigen zu tun“, gab er zu Protokoll. „Man kann nicht ungeseilt runter gehen.“ Auf die Fragen der Verteidiger B.s, ob die Gefährlichkeit des steilen Hangs für den Angeklagten vom Tatort aus einschätzbar gewesen sei, antwortete er: „Von dort sieht man definitiv, dass es eine Abrisskante ist und dass es dort senkrecht nach unten geht.“
Breiten Raum an diesem zweiten Verhandlungstag nahm die Vernehmung eines Digitalforensikers aus Garching ein. Zusammen mit Kollegen hatte er über 250 Stunden damit verbracht, die beiden Handys sowie die Laptops des Beschuldigten auszuwerten. Vor allem anhand der Handydaten konnte der 40-Jährige so minutiös den Tattag aus Sicht des Angeklagten rekonstruieren. Demnach besuchte Troy B. am Vormittag zunächst den Auwald und Burg Schöllang bei Fischen im Oberallgäu.
Meine news
Um 13.05 Uhr erreichte er den Parkplatz von Schloss Neuschwanstein. Um 13.34 Uhr passierte er schließlich die Marienbrücke, ehe er um 14.22 Uhr erstmals auf seine beiden späteren Opfer traf. Nur Minuten später, um 14.34 Uhr, nahm er ein kurzes Video auf, das ihn auf Eva L. knieend zeigt. Die junge Studentin ist da bereits bewusstlos, ihr Kopf nach links gedreht. Es ist Blut zu sehen und ihr Oberteil nach oben geschoben.
Um 14.38 Uhr filmt B. den Missbrauch von L. und wie er versucht, sich die Hose runterzuziehen. Anschließend, das ergab die Auswertung ebenfalls, verschob der US-Amerikaner die Dateien mit der App „Gallery Vault“ in einen verschlüsselten Ordner. Um 15.01 Uhr aktivierte er letztmalig Google Maps, um sich zur Marienbrücke zurück navigieren zu lassen.
Familie in tiefer Trauer
Welche Auswirkungen der Tod von Eva L. auf ihre Familie hat, verdeutlichen am Nachmittag zwei Briefe, die die Nebenkläger vortragen ließen. In den Schreiben schildern die Eltern von L. sowie ihre Zwillingsschwester ihre tiefe Trauer und Verzweiflung nach der Tat, unter der sie bis heute leiden.
Sowohl die Eltern als auch die Zwillingsschwester beschreiben die Getötete als großzügigen, warmherzigen und emphatischen Menschen, der kurz nach der Europareise eine Stelle als Softwareingenieurin beim Tech-Giganten Microsoft hätte antreten sollen. „Sie hatte eine großartige Zukunft vor sich“, schrieb ihr Vater. Troy B., der diese brutal zerstörte, musste während des Verlesens der Briefe minutenlang mit den Tränen kämpfen. Auch im Sitzungssaal war es währenddessen ungewöhnlich still.
Fortgesetzt wird der Prozess am morgigen Mittwoch mit der Vernehmung weiterer Zeugen. Am kommenden Montag, 28. Februar, werden dann bereits die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung erwartet.