Neuschwanstein-Prozess: Wer ist der Angeklagte wirklich?

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Ein großer Medienrummel begleitet den Prozessauftakt gegen Troy B. Der versucht sich mit einer Mappe vor seinem Gesicht zu schützen. © Matz

Für den Boulevard ist klar: Troy B. ist der „Neuschwanstein-Killer“, das „Monster vom Märchenschloss“. Doch wer ist der geständige Mörder und Vergewaltiger wirklich?

Kempten - Für die Boulevard-Medien ist klar: Troy Phillip B. ist der „Neuschwanstein-Killer“ oder das „Monster vom Märchenschloss“. Doch wer ist der Mann, der gestanden hat, nach einer Vergewaltigung zwei junge Studentinnen in die Pöllatschlucht gestoßen zu haben, wirklich?

Eine Antwort auf diese Frage lieferte auch der erste Verhandlungstag vor dem Landgericht Kempten nicht, allenfalls Hinweise. Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen verweigerte der 31-Jährige am Montag mit Verweis auf seine Familie. Er allein sei verantwortlich für die Taten, sie habe damit nichts zu tun, ließ er über seinen Verteidiger Philip Müller mitteilen.

Er schäme sich für das, was geschehen sei und bereue die Taten, verlas sein Anwalt weiter aus einer persönlichen Erklärung des US-Amerikaners. Der Angeklagte bat außerdem die Familien der Opfer um Entschuldigung und will in der Haft eine Therapie beginnen. Vorstrafen gegen ihn existieren offenbar keine. Ein Verfahren in den USA wegen Betrugs oder Untreue ist anscheinend fallen lassen geworden.

B. selbst verfolgte die Verhandlung regungslos und mit gesenktem Blick, wirkte eingeschüchtert, teilweise peinlich berührt von dem, was er über sich und seine Taten mit anhören musste. Auf die Fragen des Richters, ob er noch Anmerkungen zu den Ausführungen der Zeugen habe, antwortet er jedes Mal kaum vernehmbar mit „No“ oder schüttelt bloß den Kopf. Es waren die einzigen Momente, in denen er den Blick vom Boden hob.

Auch bei seiner Verhaftung soll er ruhig, gefasst, fast teilnahmslos gewesen sein. So berichten es sowohl der leitende Ermittler Jürgen Z. von der Kripo Kempten als auch die zwei Füssener Polizisten, die B. an jenem 14. Juni etwa eine Stunde nach der Tat in der Nähe der Marienbrücke festnahmen. „Er hatte sichtbare Kratzer im Gesicht, war ruhig und hat stoisch die Kopfstütze des Beifahrersitzes angestarrt“, erinnerte sich Z. an seine erste Begegnung mit dem Angeklagten.

Erst beim Thema Unterwasserroboter sei der Festgenommene „erstaunlich zugänglich“ geworden, berichtete der Kriminalbeamte weiter. Tatsächlich soll der US-Amerikaner, so war am Montag zu vernehmen, CEO einer Firma für Unterwasserroboter in Michigan sein.

Festnahme ohne Widerstand

Die beiden Füssener Beamten berichteten, dass B. sich widerstandslos verhaften ließ. Auf die beiden Opfer angesprochen, habe er verneint, zu wissen, um was es geht. Die Kratzer habe er mit einem Sturz in ein Gebüsch erklärt. Anzeichen für einen Alkohol- oder Drogenkonsum habe es keine gegeben, antworten die Polizisten unabhängig voneinander auf eine entsprechende Frage des Richters.

Auch von der Zeugin, die B. bei der Vergewaltigung von Eva L. ertappte und zunächst glaubte, ein Pärchen in flagranti erwischt zu haben, will der Vorsitzende Richter Christoph Schwiebacher wissen, welchen Eindruck er auf sie gemacht habe. Als sie B. beim vermuteten Sex mit einer Frau ertappt habe, habe er sich zu ihr umgedreht, ihr in die Augen geschaut und „oh, sorry!“ gesagt, berichtet die Frau.

Später, als er vom Tatort bergabwärts ging und der Zeugin und den beiden Polizisten quasi in die Hände lief, habe er mit seinem langsamen Gang und seinem gesenkten Blick „sehr müde“ gewirkt. „Mein Freund meinte, er sei auf Drogen“, so die Frau aus Ravensburg.

Geplante Tat oder spontaner Impuls?

Neben der Frage, wer Troy B. ist, wird das Gericht vor allem zu klären haben, ob der US-Amerikaner tatsächlich wie behauptet die Taten aus spontaner Erregung beging oder geplant vorging, wovon die Staatsanwaltschaft überzeugt ist. Auch seinen drei Verteidigern ist das klar. Immer wieder wollten sie am ersten Prozesstag von den Zeugen wissen, ob vom Tatort aus erkennbar für B. gewesen sei, wie steil der Abhang tatsächlich ist, den er die Frauen hinabstieß.

B. betonte in seiner Erklärung, ihm sei die tödliche Gefahr für die Frauen nicht bewusst gewesen. Die Strategie dahinter scheint offenkundig zu sein: die Anwälte wollen beweisen, dass B. die beiden Studentinnen nicht mit Tötungsabsicht den Hang hinab stieß und er seine Tat aus einem Impuls heraus beging.

Gefährlich für diese Strategie könnte jedoch die Aussage des leitenden Ermittlers Jürgen Z. werden. „Ohne das Totholz hätten die beiden Frauen den Sturz nicht überlebt“, gab dieser zu Protokoll.

Außerdem berichtete er eindrücklich von zahllosen Porno-Videos, die Experten auf dem Handy des Angeklagten in einem verschlüsselten Ordner entdeckt haben. Viele der Clips haben demnach den gewaltsamen Geschlechtsverkehr mit bewusstlosen asiatischen Frauen oder deren Vergewaltigung zum Inhalt. Z. sprach von Hardcore-Pornos.

In dieses Bild passt, dass B. auch das Erwürgen und die Vergewaltigung von Eva L. mit seinem Handy filmte. Auf den zwei kurzen Clips – einer dauert etwa zweieinhalb Minuten, einer ist nur 39 Sekunden lang – ist unter anderem zu sehen, wie B. sein Opfer mit seinem schwarzen Gürtel stranguliert und die Ohnmächtige missbraucht.

Auf einem der Clips zu hören sind auch die zwei, drei letzten Atemzüge der bereits bewusstlosen L., bevor B. den Gürtel um ihren Hals legt und zuzieht. „Man hört noch ein quietschendes, keuchendes Geräusch“, sagte der Kripo-Beamte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der US-Amerikaner die Videos anfertigte, um sich später beim Anschauen sexuell zu befriedigen.

 Daneben fanden die Ermittler auch kinderpornographisches Material auf den Handys des Beschuldigten. Ohnehin scheint Online-Sex neben Online-Spielen, Wandern und Reisen eine große Rolle in B.s Leben gespielt zu haben, wie aus Chatprotokollen hervorgeht, von denen Z. berichtete.

Und er führte wohl eine Kartei über seine Chatpartnerinnen – darunter auch mindestens zwei Frauen aus Deutschland - und deren Gesundheitszustand. Wie Z. aussagte, habe B. selbst seine Schwester heimlich gefilmt, als diese noch minderjährig war.

Unmittelbar nach der Tat, um 14.44 Uhr, soll B. sich seinen Gürtel wieder umgeschnallt und die beiden Videos in einen verschlüsselten Ordner auf seinem Mobiltelefon verschoben haben. „Ich war sehr beeindruckt, dass man nach so einer Tat so weit denkt“, so Ermittler Z. Anschließend habe B. sich von seinem Handy via Google Maps zur Marienbrücke zurücklotsen lassen. Kurz vor seinem Ziel wurde er schließlich festgenommen.

Der Prozess wird am kommenden Montag, 26. Februar, fortgesetzt. Unter anderem soll der damalige Ermittlungsrichter vernommen werden. Zudem soll mit der Beweisaufnahme zu den rechtsmedizinischen und digitalforensischen Gutachten begonnen werden.

Mehr dazu lesen Sie am Montag hier auf www.kreisbote.de.

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