Notlösung Quereinstieg? Warum neue Wege ins Klassenzimmer jetzt überfällig sind

Ich erinnere mich noch gut an meine Schulzeit. Da war immer jemand vorne an der Tafel – jemand, der uns unterrichtet hat, der Fragen gestellt, erklärt, motiviert oder manchmal auch streng ermahnt hat. 

Heute sieht die Realität an vielen Schulen ganz anders aus: Unterricht fällt aus, Vertretungen springen ein, und es fehlt an allem – besonders an Menschen, die unterrichten wollen. Der Lehrermangel ist längst kein Randproblem mehr. Er ist mitten in unserem Bildungssystem angekommen, und das mit voller Wucht.

Über Viola Patricia Herrmann

Viola Patricia Herrmann ist Bildungsexpertin, Podcasterin, Autorin und selbst Mutter von vier Kindern. Ihre langjährige Berufserfahrung als Lehrerin teilt sie bundesweit auf Radio Teddy und BB Radio, in TV-Formaten und Fachmagazinen sowie in ihrem Elternratgeber „Mein Kind wird Schulkind“. In ihren Podcasts „Hey diggies! So geht Lernen heute!“ und „Prominente für Bildung“ spricht Viola Patricia Herrmann mit Experten und bekannten Persönlichkeiten über aktuelle Bildungstrends und gibt Impulse für ein modernes Bildungssystem. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Berlin.

Frust der Lehrkräfte

Ich habe in den letzten Monaten mit einigen Lehrerinnen und Lehrern gesprochen – und alle berichten dasselbe: Sie arbeiten an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Eine Grundschullehrerin aus Brandenburg sagte mir: „Ich liebe meinen Beruf, aber ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte.“ Sie hat aktuell zwei Klassen übernommen, weil eine Kollegin in Rente ging und keine Nachfolge gefunden wurde.

Und damit ist sie nicht allein. Laut aktuellen Schätzungen fehlen in Deutschland zehntausende Lehrkräfte – Tendenz steigend. Besonders betroffen sind Grundschulen, Förderschulen und Berufsschulen. Aber auch in weiterführenden Schulen sieht es nicht viel besser aus. Lehrerinnen und Lehrer werden händeringend gesucht, oft ohne Erfolg.

Wie konnte es so weit kommen?

Ein Teil der Antwort liegt im demografischen Wandel. Tausende Lehrkräfte gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand – gleichzeitig kommt der Nachwuchs einfach nicht nach. Das Lehramtsstudium ist lang, anspruchsvoll und wenig flexibel. Wer es trotzdem durchzieht, findet sich oft im Dauerstress zwischen Unterricht, Bürokratie und Elterngesprächen wieder – und das für ein Gehalt, das in manchen Bundesländern kaum mit dem öffentlichem Druck mithalten kann. Es ist kein Wunder, dass viele junge Menschen sagen: „Das tu ich mir nicht an.“

Ich frage mich: Wie kann ein Beruf, der so zentral für unsere Gesellschaft ist, so unattraktiv sein?

Wege aus der Krise

Doch wie können wir den akuten Lehrermangel kurzfristig auffangen und unseren Kindern mittelfristig stabile Unterrichtsbedingungen ermögliche?

Wir könnten zum einen mehr Quereinsteiger zulassen – nicht einfach so, sondern mit guter pädagogischer Ausbildung und echter Begleitung. Menschen mit Berufserfahrung aus der Praxis könnten eine enorme Bereicherung sein, wenn man ihnen die nötigen Werkzeuge an die Hand gibt.

Außerdem müssen wir den Lehrerberuf endlich wieder aufwerten – nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich. Weniger Bürokratie, mehr Unterstützung durch Fachkräfte wie Schulpsychologen oder Sozialarbeiter, kleinere Klassen und moderne Ausstattung – all das könnte helfen, den Beruf wieder attraktiv zu machen. Warum sollte jemand Lehrer werden, wenn er oder sie dabei allein gelassen wird?

Ich sehe auch Potenzial in digitalem Unterricht – nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung. Erfahrene Lehrkräfte mit Spezialwissen könnten überregional eingesetzt werden, online zum Beispiel, um Schulen in besonders betroffenen Regionen zu entlasten. Zudem müssen wir mehr von bereits bestehenden best practices lernen. So gibt es zum Beispiel mit den diggies schon heute digitales Unterrichtsmaterial, welches komplett aufbereitet den eigenen Unterricht unterstützt und Vertretungsstunden sinnvoll füllt.

Am wichtigsten aber: Wir brauchen langfristige Planung. Es kann nicht sein, dass wir erst reagieren, wenn die Lücken schon da sind. Bildung ist keine spontane Aufgabe – sie braucht Voraussicht, Verlässlichkeit und vor allem Menschen, die Lust haben, zu lehren.

No education - no future

Denn am Ende geht es nicht um Zahlen, Statistiken oder Strategiepapiere. Es geht um Kinder und Jugendliche, die lernen wollen – und Lehrerinnen und Lehrer, die ihnen diesen Weg zeigen. Wenn wir das vergessen, wird Bildung zur Mangelware. Und das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.

Lesetipp (Anzeige)

"Mein Kind wird Schulkind: Elternratgeber für einen gelungenen Schulstart" von Viola Patricia Herrmann

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.