Selbst wenn Fordo ausgelöscht ist, stellt sich jetzt die 400-Kilo-Uranfrage

Der militärische Schlag der USA gegen Irans Atomanlagen in der Nacht zum Sonntag markiert zweifellos einen Wendepunkt im geopolitischen Kräftemessen um die nuklearen Ambitionen Teherans. Doch während Donald Trump den Einsatz als „spektakulären Erfolg“ feiert und von einer „kompletten Auslöschung“ der iranischen Nukleareinrichtungen spricht, mehren sich international Zweifel. 

Zwei Fragen stehen nun im Zentrum der Debatte: 

  • Wurde das iranische Atomprogramm tatsächlich nachhaltig zerstört? 
  • Wie groß ist die Gefahr, dass Iran mit den verbliebenen Uranvorräten doch noch zur Bombe greift?

Wie wirkungsvoll wurden Irans Atomanlagen zerstört?

Tatsächlich deuten viele Hinweise darauf hin, dass der US-Angriff die Nuklearinfrastruktur des Iran schwer beschädigt oder gar unbrauchbar gemacht hat. Die Luftschläge zielten auf zentrale Einrichtungen des iranischen Atomprogramms – darunter Fordo, Isfahan und Natans. 

Insgesamt wurden laut US-Verteidigungsministerium 14 bunkerbrechende Bomben vom Typ GBU-57 sowie zahlreiche Tomahawk-Marschflugkörper eingesetzt. Die Schäden an den unterirdischen Anlagen sind nach Einschätzung westlicher Experten gravierend.

Der Radioökologe Georg Steinhauser bewertet die Zerstörung der Zentrifugen-Anlagen in einem Gespräch mit der "FAZ" als wahrscheinlich final: „Kollegen, die sich Satellitenbilder angesehen haben, bestätigen: Die Einschlaglöcher in Fordo sind genau da, wo die unterirdischen Hallen vermutet werden. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn diese Anlage noch funktionstüchtig wäre.“

Besonders die Anlage in Fordo, in der Uran auf 60 Prozent angereichert wurde, gilt als Schlüsselpunkt des iranischen Atomprogramms. Die USA wussten offenbar dank israelischer Geheimdienstinformationen, wo sich der entscheidende Lüftungsschacht befand – laut dem ehemaligen Inspekteur der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), David Albright, die Achillesferse der tief unter dem Berg liegenden Anlage. 

Sollte dieser tatsächlich getroffen worden sein, wäre Fordo für Jahre unbrauchbar. „Die hochsensiblen Zentrifugen können bereits bei kleinen Erschütterungen beschädigt werden“, so Albright gegenüber "CNN".

Ähnlich deutlich äußert sich Steinhauser gegenüber der "FAZ": „Zentrifugen sind Hightech-Geräte, die mit unfassbarer Geschwindigkeit rotieren. Eine Erschütterung, eine Explosion, die in großer Nähe stattfindet, würden sie nicht ohne Schaden überstehen können.“

Satellitenbilder über dem unterirdischen Fordow-Komplex vor und nach dem Angriff der USA auf die unterirdische Nuklearanlage in der Nähe von Qom, Iran, am 20. Juni 2025 (L) und am 22. Juni 2025 (R).
Satellitenbilder über dem unterirdischen Fordow-Komplex vor und nach dem Angriff der USA auf die unterirdische Nuklearanlage in der Nähe von Qom, Iran, am 20. Juni 2025 (L) und am 22. Juni 2025 (R). AP/dpa

Wie gefährlich sind die 400 Kilo hochangereichertes Uran aus Iran?

Doch trotz der offensichtlichen physischen Schäden an den Anlagen bleibt ein entscheidender Unsicherheitsfaktor: 

  • Was ist mit den 400 Kilo Uran passiert, die sich in Fordo befunden haben?
  • Und wie groß ist die Gefahr eines iranischen Atomwaffenbaus durch diese verbliebenen Uranvorräte?

Die IAEA bestätigte zuletzt, dass der Iran über rund 400 Kilogramm Uran mit einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent verfügt. Ausreichend Material, um – bei Weiteranreicherung auf über 90 Prozent – bis zu zehn Atombomben herzustellen. 

Pikant: Genau dieser letzte Schritt – eine Anreicherung von 60 auf 90 Prozent – ist technisch vergleichsweise einfach und schnell machbar – falls der Iran noch über funktionierende Anreicherungsanlagen verfügen sollte.

Steinhauser betont in der "FAZ", dass nicht nur die Anlagen in Natans und Fordo beschädigt seien, sondern auch die „Uranprozessierungsanlage in Isfahan dem Erdboden gleichgemacht“ wurde. Diese war entscheidend, um aus Natururan Uranhexafluorid herzustellen – die Grundlage jeder Anreicherung. 

Laut Steinhauser ist das Atomwaffenprogramm damit „Geschichte“. Der Iran habe „schlicht und einfach nicht mehr die Kapazitäten. Sie haben nichts mehr, wo sie weitermachen könnten.“ Auch neue Anlagen zu bauen, sei unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen nahezu ausgeschlossen.

Experten: Atombombe schon mit Uran-Anreicherungsgrad von 60 Prozent möglich

Laut IAEA-Chef Rafael Grossi würde allerdings schon ein Uran-Anreicherungsgrad von 60 Prozent „praktisch waffenfähig“ sein. Doch Radioökologe Steinhäuser schätzt die Gefahr, dass der Iran daraus Atombomben bauen könnte, als relativ gering ein. 

"Es würde keinen Sinn machen. Es hat noch nie jemand versucht, eine Bombe mit sechzigprozentigem Uran zu bauen. Eine solche Bombe wäre auf jeden Fall schwer und klobig und für kein Trägersystem geeignet, das Iran mit seinen öffentlich bekannten Raketen zur Verfügung steht", sagt der Wissenschaftler der "FAZ".

Wo sind die 400 Kilo Uran aus der Anlage in Fordo geblieben?

Nun wird spekuliert: Der Iran könnte die 400 Kilo Uran aus der Anlage in Fordo vor dem US-Angriff „in Sicherheit gebracht“ haben. Dies wird durch mehrere Quellen gestützt. So berichtete die "Welt" unter Berufung auf "CNN" und die iranische Nachrichtenagentur "Mehr", dass Lastwagen kurz vor dem Angriff Material aus Fordo abtransportierten. Satellitenbilder zeigten bis zu 16 Fahrzeuge, die sich vor der Anlage positionierten – ein Indiz dafür, dass das Uran vor dem Angriff verlagert wurde.

Auch die "Bild" zitiert zwei israelische Geheimdienstler, laut denen „Teheran, gewarnt durch Trumps Drohungen, 400 Kilogramm Uran mit einer Anreicherung von 60 Prozent aus Fordo und einer Anlage nahe Isfahan in Sicherheit gebracht“ habe. IAEA-Chef Grossi bestätigte bei bei "CNN" offen: „Der Iran hat nicht verhehlt, dass sie dieses Material geschützt haben.“

Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte am Sonntag, er verfüge über „interessante Informationen“ zum Verbleib des Urans. Doch konkrete Maßnahmen – etwa ein gezielter Angriff auf die Transportfahrzeuge – wurden bislang nicht bekannt. 

US-Außenminister Marco Rubio versuchte die Gefahr zu relativieren: „In der Minute, in der die Lastwagen irgendwo hingefahren wären, hätten die Israelis sie ausgeschaltet.“ Nur: Das ist offenbar nicht geschehen. Ob das Uran durch den Iran möglicherweise in unbekannten unterirdischen Anlagen versteckt oder gar ins Ausland geschmuggelt wurde, kann aktuell nicht geklärt werden.